Mali

 

Der Grenzübertritt nach Mali verläuft reibungslos. Vorsichtige Fragen der Grenzbeamten nach einem cadeau ignorieren wir einfach und kommen trotzdem gut voran. Jetzt ändert sich etwas. Die Termitenhügel sehen wieder anders aus. Erst dachte ich, es gibt hier keine Pilz-Termiten mit ihren neckischen Hütchenbauten - aber die tauchen später dann doch wieder auf.

Die Landschaft ist viel mehr kultiviert, Bewässerungskanäle durchqueren das Land und es wird viel Gemüse angebaut.

Die Dörfer machen einen reicheren Eindruck. Es gibt gute und neue öffentliche Gebäude und die Dörfer wirken oftmals insgesamt ordentlicher. Auf den Märkten, oder überhaupt im Straßenbild oder auf den Dächern gibt es keine Geier. Es gibt sie nicht und auf den Märkten laufen überhaupt keine Tiere herum.

Die Straße ist allerdings eine Katastrophe und schwer zu fahren. Abends bin ich von dem Geruckel total fertig. Kurz vor Bamako wird sie zu einer Teerstraße und wir rauschen schnell hinein. Ohne uns zu verfahren, lotse ich uns direkt vor die Pforten der „mission catolique“, über holperige Seitenstraßen aus Sand und Schmutz  in einem nicht sehr sauberen Viertel. Hier müssen wir wegen der Ruhezeit etwas warten, bis wir von einer freundlichen Nonne ein Zimmer, leider direkt an einer Straße, zugewiesen bekommen. Es ist einfach und billig aber es gibt nichts zu essen und zu trinken. Es gibt aber immer Strom, also auch nachts für den Deckenventilator. Und es gibt ein Mosquitonetz. Ich muss aber trotzdem Mückenschutz auftragen, da die Mücken außerhalb des Netzes in Schwärmen auf mich lauern.

Nachmittags kann ich endlich wieder surfen. Ich bin natürlich heiß auf neue e-mails. Es sind auch ganz viele angekommen, was mich super fröhlich stimmt.

Gegenüber der Mission ist das „Café Sport“. Woher der Name kommt, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil der „Chef“, ein netter, langer Kerl, die meiste Zeit vor der Glotze hockt und Sportfernsehen guckt und bei jeder Bestellung seine Frau durch die Küche scheucht. Abends, ich versuche mich mal wieder an Brochettes, läuft ein Fußball-Länderspiel. Cameroon gegen Côte d’Ivoire - in Frankreich, weil sowieso alle Spieler dort beschäftigt sind. Dafür spielen sie in einem leeren Stadion.

Die ganze Zeit blökt ein Schafbock neben dem Café. Morgen ist das Tabasti-Fest und er „genießt“ die letzten Stunden seines Lebens. Einige Kinder spielen direkt bei ihm Fußball, um ihn noch so richtig zu ärgern. Wie war das mit den Tieren in Afrika... ?

Am nächsten morgen wechseln wir das Zimmer. Es wird gebraucht. Danach müssen wir ohnehin ganz ausziehen. So machen wir uns auf die Suche nach Alternativen.

Es ist kühl und die Luft noch ganz angenehm. Aber es ist Tabasti. Alle 50m werden jetzt Kühen und Ziegen die Kehlen durchgeschnitten. Es ist ein einziges Schlachthaus. Einige Köpfe liegen schon rum und einige Felle sind schon abgezogen. Es sieht überhaupt nicht appetitlich aus.

In den Straßen ist sonst sehr wenig los. Die Läden sind geschlossen und es findet kaum Autoverkehr statt. Bamako, das sonst im Smog versinkt, könnte theoretisch mal kräftig durchatmen. So können wir ganz entspannt suchen.

 

Für die nächsten Nächte werden wir in die „mission libanese“ umziehen, eine, besonders bei Travellern beliebte, weil billige, Adresse.

Gleich in der Nähe sind Banken und Restaurants und eine Patisserie, mit einer tollen Auswahl von Croissants und Kuchen und einem leckeren Milchkaffee.  

Ich sehe mich noch nach einem passenden Hotel für Anfang März um, lasse mir aber Zeit für eine Entscheidung. Eine Gruppe junger Mädchen „umstellt“ mich und sagt einen Schüttelreim auf. So sammeln sie Geld für das Tabasti-Fest, was sie, bei so viel geballtem Charme, auch bekommen.

Um die Mittagszeit, es wird allmählich drückend heiß, werden in den Straßen immer noch die Schafe zerlegt. Anschließend werden die abgeschlagenen Köpfe verbrannt. Es riecht nicht sehr angenehm.

Das Tabasti-Fest findet hauptsächlich bei den Leuten zu Hause statt. Die Musik aus den Ghetto-Blastern ist natürlich überall gegenwärtig.

Ich kehre in die Mission zurück. Hier teste ich, nur aus Spaß, mein Handy und - juhuu, es funktioniert. Jetzt ist die SMS-freie Zeit vorbei.

In meinem „überflüssigen“ Gepäck finde ich noch eine von meinen Musikkassetten. Leider geht ausgerechnet jetzt der Walkman kaputt. Dieser China-Mist war wohl doch zu billig.

Abends essen Xavier und ich feist im „L’Olympien“, einer Pizzeria mit viel zu kalter Klimaanlage. Wer hier isst, sollte einen Pullover mitnehmen. Das sieht dann aber, so bald man das Restaurant verlässt, völlig bescheuert aus.

Die Nacht im anderen Zimmer ist nicht der Rede wert. Der Ventilator läuft die ganze Nacht und es ist fast zu kühl.

Morgens ziehen wir in die „mission libanaise“ um, einer ehemaligen katholischen Mission, die Georges, ein Libanese aufgekauft hat. Sie ist noch mehr „basic“ und heruntergekommen. Ich bekomme ein Zimmer mit Ventilator und zu kleinem Mosquitonetz. Dafür ist der Raum schlecht durchlüftet und wegen seines Wellblechdachs wie ein Backofen aufgeheizt.

Den Vormittag wollen wir dazu nutzen, das „Visum d’entente“ für Burkina, Benin, Togo, Niger und Côte d’Ivoire zu bekommen. Für mich ist das aber noch nichts, da es ab dem Ausstellungsdatum gilt, und das ist zu früh. Für Xavier kommt es gerade richtig.

Auf dem Rückweg gehen wir noch eine Runde surfen. Das lohnt sich dann gleich für 3 Stunden.

In der Mission treffen wir ein paar Deutsche, die Autos verkaufen. Jetzt kann ich endlich wieder deutsch sabbeln. Abends versuchen wir noch an der Straße „loco“, frittierte Bananen, zu bekommen, aber wir bekommen nur „riz gras“ - Reis mit Sauce.

Die erste Nacht in der „mission libanaise“ ist nervig, da das Netz viel zu klein ist, und Kopf und Füße laufend mit Mücken „Feindberührung“ bekommen. Außerdem schwirren und surren die Mücken die ganze Nacht pausenlos um mein Bett herum. (wie im Western die Indianer um die Wagenburg). Selbstredend, dass sie jedes mal beim Pinkeln über mich herfallen. Am nächsten Morgen bitte ich Ahmed, den guten Geist der Mission, mir ein neues Netz zu installieren. Er bastelt sich eine spezielle Lösung zurecht. Zwei Netze, teilweise übereinander. Es ändert zwar nichts am Problem, er freut sich aber diebisch und ist damit so glücklich, dass ich mich damit abfinde.

Ich frühstücke in der nahen Patisserie und gehe anschließend wieder surfen. Danach versuche ich eine Agentur mit Autovermietung ausfindig zu machen. Da ich noch ausreichend Zeit habe, möchte ich noch andere Ecken Malis erkunden. Das mit dem Auto ist nicht so einfach. Wenn überhaupt ein Auto vermietet wird, dann hauptsächlich mit Chauffeur.

Ebenfalls in der Nähe der „mission“ befindet sich eine Bank mit Geldautomat.

Klasse: Visa-card rein und fertig.

Nachmittags sitze ich dann meistens in der „mission“ im Schatten. Es ist in der Stadt unerträglich heiß in der Nachmittagszeit. Mit Mario, Ronald und Sören geht die Zeit aber schnell herum. Ronald fliegt heute ab, und so gehen die Freunde ins „Champs Elysée“, einem nahen Lokal mit regelmäßigem Kino, essen. Heute wird der Film „Titanic“ gezeigt. Und so sitze ich mitten in Afrika und sehe die Titanic im Atlantik versinken. Echt krass. Und dann noch mit so einer schlappen Handlung. Ich nerv ein bisschen rum und frag dauernd, wann der Kahn denn nun endlich absäuft.

Die zweite Nacht wird etwas besser als die erste.

 

Auch den Sonnabend beginne ich in der Pâtisserie und setze ihn im Internet-Café fort. Es gelingt mir, noch etwas Ausrüstung in Hamburg zu bestellen. Anschließend geht es weiter mit der Suche nach einer Autovermietung. Ich frage mich so durch, bekomme hier und da ein paar Tipps, latsche kreuz und quer durch die Stadt. Wenn, dann nur mit Chauffeur. Die letzte Hoffnung heißt „Hotel Salam“, dem teuersten Schuppen in Bamako. Alles nur vom Feinsten. In den Toiletten gibt es Lichtschalter zum Aufziehen - wie bei einer Eieruhr.

Es gibt hier zwar gleich zwei Büros von Autovermietern. Die sind aber unbesetzt und niemand kann mit Bestimmtheit sagen, ob sie dieses Jahr noch einmal geöffnet sind. Ich komme mit einem Angestellten eines Souvenirladens ins Gespräch. Wir reden über die Preise der großen Autoverleiher und den Wagen (klein, alt, billig und ohne Chauffeur) der mir vorschwebt. Er hat eine Idee. „Warte mal etwas im Foyer, ich glaube ich kann helfen“. Nach einer halben Stunde kommt er mit einem Mann im Schlepptau zurück. Dieser nimmt meine Wünsche auf, schüttelt den Kopf und meint, dass das mit dem „sans chauffeur“, also ohne Fahrer, sehr schwer ist. Also warte ich eine weitere halbe Stunde und diesmal erscheint ein anderer Mann und bietet mir „das Auto“ an: ein BMW-Schlachtschiff mit Klimaanlage und Benzinmotor. Viel zu groß. „Geht es nicht kleiner?“. „Ja, schon, aber es ist schwer, wegen dem „Chaffeur“. Das Monsterteil von BMW hätte ich also ohne Probleme selbst gegen einen Baum fahren können und bei kleinen Autos stellt man sich an. Logisch finde ich das nicht. Die Chauffeurlösung wird übrigens deshalb bevorzugt, weil die Versicherungen hier kaum etwas bezahlen, wenn der Wagen einen Unfall hat (besonders bei Europäern) oder  auch mal ganz verschwindet. Das ist aber eigentlich nicht mein Problem.

Nach einer weiteren halben Stunde erscheint der erste Mann wieder und bietet mir einen 190er Diesel an. Mit Beulen, die grob mit Spachtel kaschiert wurden. Er gehört einer Bekannten von ihm, die zufällig auch noch mit Versicherungen handelt. Die Vertragsgestaltung ist nicht ganz einfach. Die Leute haben keine Ahnung von Verträgen und ich muss ihn nicht nur selbst auf französisch schreiben, sondern auch darauf achten, was drinsteht, nicht nur zu meinen Gunsten. Als wir später die Versicherung geklärt haben und den Preis abgerechnet haben, schreibt der erste Mann den Vertrag ab, anstatt eine Kopie mit einem Kopierer zu machen. Stolz zeigt er mir das neue Exemplar. Es ist ein völlig anderer Vertrag - zwar mit ähnlichem Inhalt, aber eben anders. Ich erkläre es ihm, er kapiert es und stolziert zum Fotokopierer:

So tauche ich also unvermittelt mit einem Mercedes in der „mission“ auf. Hier sind inzwischen wieder neue Leute eingetroffen. Der Französisch-Anteil wächst wieder. Interessant ist mal wieder, das ich auf Reisen immer wieder Franzosen treffe, die sich auch mal Mühe geben, englisch und sogar auch deutsch sprechen.

Den letzten Abend verbringe ich mit meinen Freunden in einer Snack-Bar (mit Pizza), schräg gegenüber von unserem Internet-Café.

 

Frei, endlich frei. Jedenfalls gehe ich nach dem Frühstück noch schnell zum Geldautomaten, sag allen tschüß und rolle mit meinem Mercedes vom Hof.

Zuerst fahre ich tanken, um anschließend Bamako südwärts über die „Pont de Martyrs“, die den Niger überspannt, zu verlassen. Nahe dem Stadtrand teilt sich die Straße nach Sikasso und Ségou. Ich will es dem Zufall überlassen, welche Abzweigung ich zuerst sehe. Frohgemut fahre ich Richtung Sikasso. Die Straße ist klasse, kaum Löcher, gut geteert. Passieren tut eigentlich nicht viel. Die Landschaft ist flach, man kann weit gucken und die Straßenränder sind gleichmäßig rot, wie oft in Afrika. Für mich ist es nur wichtig, in Bewegung zu sein und mal wieder laut Musik zu hören.

Bei dem Mercedes-Modell wird mir aber so richtig klar, was der physikalische Begriff der „Trägheit der Masse“ bedeutet. Ehe die Automasse erst einmal auf Touren kommt...

Kurz vor Sikasso fällt mir plötzlich ein, dass ich in Bamako meine Zweitgarnitur mit ReisePass, Geld und Schecks unter dem Bett vergessen habe. - Scheiße -. Das ärgert mich so richtig und hindert mich auf den letzten 50km daran, die Landschaft zu genießen.

 

Nach insgesamt 375km erreiche ich Sikasso, steuere das erste Hotel an, das ganz gut aussieht und miete mich dort ein. Telefonieren kann ich dort leider nicht, da hier nur Ortsgespräche funktionieren. So gehe ich in ein Telecentre. In diesem Fall ist es eine Telefonzelle der staatlichen Telefongesellschaft SOTELMA, mit Kartentelefon für Leute ohne Karte. Der Kartenbesitzer verkauft, natürlich gegen Aufpreis, seine Einheiten von der Karte. Egal. Im Reiseführer steht leider nicht die Telefonnummer der „mission libanaise“ in Bamako. Dort aber hängt wiederum ein Kalender mit dem Konterfei von Georges, dem Besitzer des „Hotel les Cèdres“, der wiederum jeden Tag in der „mission“ auftaucht. Also ist er auch hier der Besitzer. So rufe ich im „Hotel“ an und frage nach der Nummer der „mission“. Die verstehen dann auch, was ich will (mit freundlicher Unterstützung des Telefonkartenbesitzers), geben aber leider nur die Faxnummer durch. Nach einem neuen Anruf bekomme ich die Handy-Nummer des Besitzers, der kann englisch und gibt mir dann die Nummer der „mission“. puuh. Dort rufe ich dann an und versuche meinem Gesprächspartner zu erklären, was mein Problem ist. Der sagt irgendwas, ich verstehe Bahnhof und frage nach Ahmed. „Ich bin doch Ahmed“. Alles klar. Er hat die Tasche gefunden und sichergestellt. Alles in Ordnung. Dankbar buche ich noch schnell ein Zimmer für nächsten Freitag und mir fällt förmlich ein Stein vom Herzen. Es wäre natürlich nicht viel passiert. Um das Bargeld wäre es dann aber doch schade. Ich bin also wieder nachlässig geworden. Auf so einer Reise fällt man entweder gelegentlich ein paar mal auf die Schnauze oder es gelingt einem, ebenso gelegentlich, die eigene Aufmerksamkeit zu überprüfen.

Es soll mir eine Lehre sein.

Abends esse ich im Hotelrestaurant. Ich erkundige mich nach zwei Sehenswürdigkeiten in der Umgebung, die sogar auf der Michelin-Karte zu finden sind. Für beide braucht man ein Auto, und genau darum habe ich eins.

Im Restaurant erbietet sich ein Mensch namens „Vieux“, das heißt „alt“, mir die Grotten von Missirikoro zu zeigen. Wir werden uns schnell einig - er besonders, darauf wette ich - und wir verabreden uns für den nächsten Morgen. Im Laufe des Abends fragt mich noch der Portier - er heißt „Samedi“, das bedeutet „Samstag“ - (wie war das: Am Samstag kommt das Sams?), ob er mitkommen könnte. Entweder war er noch nie da, oder er will mal im Mercedes sitzen.

An der Bar bestelle ich ein Bier. Das Mädel am Tresen pliert mich so merkwürdig an, hat aber nichts zu erzählen. Also quatsch ich sie über Musik voll und schenk ihr meine neue Kassette von Sikouba Bambino. Das hat dann zur Folge, das sie jedes mal, wenn ich auftauche, diese Kassette in ihren Ghetto-Blaster einwirft.

Ich bin in der Nacht, nach der Autofahrt, sehr aufgedreht und kann nicht gut schlafen. So gucke ich Fernsehen. Hier läuft aber der gleiche Mist, wie in den Nachbarländern.

Morgens, das Frühstück ist nicht doll, mache ich mich mit Vieux und Samedi auf den Weg. Die Grotten liegen ungefähr 12km außerhalb, Richtung Missirikoro eben. Es ist ausschließlich Sandpiste und ich hoffe, dass sie für das Auto kein Problem darstellt, was auch zum Glück so ist. Wir rollen gemütlich durch die Gegend.

Mittendrin taucht ein großer, zerfurchter Felsen auf. Hier sind unzählige Grotten, mit Abdrücken einiger Urmenschen, einer kleinen Höhlenmoschee und, gegenüber, einem animistischen Fetisch mit Opferplatz. Man kann auch auf den Felsen herumklettern und die Aussicht geniessen. Leider sieht das alles sehr wackelig und waghalsig aus, so das ich darauf verzichte. In der größten Höhle wohnt ein verrückter Alter, der wie zum Beweis aus einer flachen Seitenhöhle auf allen vieren, aus den Mundwinkeln sabbernd, herausgekrabbelt kommt.

Nachmittags überredet mich Vieux, noch einen kleinen Trip zu den „chutes des farako“, einem Wasserfall ca.15km in Richtung Burkina Faso, zu machen. Mein Einwand, die „chutes“ dürften wohl eher klein und unbedeutend sein, da ja keine Regenzeit ist, wird einfach weggewischt. „Die sind klasse, die musst Du sehen“. So fahren wir los, diesmal zusätzlich dabei: Jean, vorgestellt als Katholik. Ich weiß nicht, warum er mir so vorgestellt wird und was mir diese Information nützen soll. Er will wahrscheinlich wohl auch nur mal Mercedes fahren.

Es geht durch Sikasso. Am Stadtrand südwärts taucht urplötzlich ein großes Dromedar mit einem hoch aufrecht sitzenden und mich gütig anblickenden Alten drauf. Ich muss im Auto, den Kopf aus dem offenen Fenster gestreckt, den Mund offen, wohl komisch aussehen. Der Alte lacht.

Die Straße ist eine Baustelle und wird später einmal ein richtiger Highway. Wir fahren aber nur ein Stück, die „chutes“ sind nah an der Straße und - ich habe Recht. Es sind Mikro-“chutes“. Ein paar Jugendliche machen Picknick, baden etwas und albern sonst nur rum. Das war es also zum Thema „chutes“. Ich sollte so etwas in Zukunft meiden

 

Auf dem Rückweg hätte Jean gerne noch ein paar Säcke Holzkohlen gekauft. Leider verstehe ich plötzlich gar kein Französisch mehr und ich verstehe erst viel später sein Ansinnen. Zu gerne hätte ich mir das Auto mit Holzkohle eingesaut. So bleibt mir das erspart. Ich kann ja verstehen, dass man ein Auto nutzen muss, aber bitte nicht mit mir. Vieux lässt mich in Sikasso noch kurz an seinem Haus halten. Später, im Restaurant, beim schlechtesten Riz Cantonnaise das ich kenne, hält er mir seine Kontoauszüge vor die Nase. Was soll das? Ich verlerne auch ganz schnell das Zählen. Es passiert leider zu oft, dass ein freundlicher Kontakt, eine Geste oder so etwas, am Schluss in Geldforderungen endet. Das macht viel kaputt.  

Eigentlich wollte ich nachmittags noch etwas schreiben, aber das Hotelgelände wird - wie auch gestern - von Schwaden verbrannten Mülls eingedeckt. Das ist sehr unangenehm. Also gucke ich abends fern und mache mal bierfrei. Ich habe auch noch eine Erkältung und „freue“ mich schon auf die Nacht.

Morgens, das Frühstück ist fade und nur mit Mühe herunterzubekommen, fahre ich zeitig los, tanke die Kiste voll, checke das Öl und ab gehts.

Hinter Sikasso ist ein Polizeiposten. Anstatt die Polizisten wie üblich zu ignorieren und durchzufahren, werde ich tatsächlich aufgefordert anzuhalten. Der Posten will aber nur wissen, wohin ich fahre. „Nach San“. Ob ich nicht jemanden mitnehmen kann. Da kann ich schlecht nein sagen. Schon habe ich zwei uniformierte Polizisten im Auto. Na, klasse. Drei Stunden diese uniformierten Typen im Wagen, da muss ich zusehen, dass ich die Deppen schnell wieder loswerde.

Anstatt nun gemütlich durch die Landschaft zu zuckeln, kann ich es mir nicht verkneifen, mit dem Stern die Mittellinie anzupeilen und Gas zu geben. Irgendwann ist die Masse in Bewegung und schwebt zügig durch die Landschaft. Der eine Polizist, er heißt „Samba“, quatscht mich mit einigen Englischbrocken voll, der andere hält wenigstens seinen Mund. In Koutiala steigen sie beide aus und ich habe wieder das Auto und die Musik für mich alleine.

Die Landschaft verändert sich. Es geht nach Norden. Die Termitenhügel bekommen wieder ihre klassische Form - spitze kleine Berge bis zu 3m hoch und die Zahl der Baobabs nimmt mächtig zu. Man kann unter dem Laub der anderen Bäume durchgucken, weil die untere Laubgrenze absolut einheitlich und auschließlich von der Größe der Ziegen abhängt.

Der Blick geht weit in die Landschaft und auf verteilte Rinderherden im Schatten der Bäume. Es gibt wenig Büsche. An der Straße kommen mir Frauen entgegen, die ihre Fracht auf den Köpfen tragen. Zu dieser Fracht gehört zum Beispiel auch die hier übliche Hacke - sie sieht aus wie eine Keule mit angebauter Metallklinge. Diese Hacke tragen sie mit der Metallklinge auf den Kopf und den Griff schräg nach hinten hängend. Als ob die Metallklinge im Kopf steckt.

Die Hütten in den Dörfern werden zunehmend eckig mit flachem Dach und die Moscheen sind alle aus Lehm.

In Kimparana, etwas vor San, gabelt sich die Strasse. Ein Stück wird nach Burkina Faso fortgeführt. Deshalb ist auch hier ein Zoll- und Polizeiposten. Diesmal ist mal wieder einer scharf auf meinen Pass, bleibt aber sonst friedlich.

In San überlege ich mir, ob ich dableibe. Es gibt sicherlich ein paar ganz brauchbare Hotels, aber ansonsten ist hier der Hund begraben. Ich beschließe, weiterzufahren. Hinter der Stadtgrenze biege ich rechts ab und bin mir plötzlich nicht mehr sicher, in welche Richtung ich fahre. Ich bin aber zu faul zu fragen. Mal sehen, was passiert. Ich habe ja Zeit. Es ist dann schließlich die Straße südöstlich nach Bla und später nordöstlich nach Segou. Die Landschaft ändert sich wieder. Ich überquere den Fluss Bani und erreiche die Tiefebene des Niger. Es ist, als ob ich auf einem Damm fahre. Nach der Regenzeit ist hier alles nass. Kurz vor Segou sehe ich Schleuderspuren und eine eingefräste Rille auf der Straße. Da ist wohl ein Reifen geplatzt. An der Böschung sitzen ein paar Leute und gucken nach unten. War der Unfall etwa gerade eben? Ich wende etwas waghalsig, kehre zurück und stelle zum Glück fest, dass hier keine Verletzten herumliegen, der Wagen schon einige Tage unten liegt und nichts zu tun ist. Die Leute an der Böschung sind bloß neugierig und wundern sich nur, was ausgerechnet dieser Weiße hier will.

 

Etwas später kommt eine Stelle mit einer großen Zahl recht gut gewachsener Baobabs. Eine Gruppe europäischer Touristen macht gerade eine Besichtigung bei den schönsten Bäumen. Sie gucken etwas blöd, als ich mit meinem Mercedes vorbeirausche. Man sieht ohnehin wenig Touristen mit einheimischen Autos und ohne einheimischen Fahrer.

In Segou erreiche ich intuitiv das „Hotel Djoliba“. Ich bekomme ein preiswertes Zimmer und fühle mich hier ganz wohl. Segou ist sehr angenehm, sehr ruhig und auch etwas touristisch. Es gibt einige Hotels, teilweise mit viel Luxus und entsprechend teurer Küche. Ebenso in der Nähe befinden sich einige Souvenirshops. Nicht weit weg fließt ruhig der Niger dahin. Am Pier liegt eine Fähre, der Wasserstand lässt aber noch keine Querung zu. Am Strand, nahe bei den Abflusskanälen, leben und arbeiten Fischer.

Morgens gehe ich ein Stück den Niger aufwärts. Es gibt, nach einem Stück kürzlich abgebrannten Marktes, sogar eine Promenade. Jetzt verändert sich die Nigerböschung. Abgeteilt mit Strohmatten werden jetzt viele Gemüsesorten angebaut. Natürlich leben auch hier die Leute neben ihren Feldern.

So nach und nach erkunde ich die Stadt und laufe alle wichtigen Strassen des Stadtkerns ab. Viele Gebäude sind sehr alt und aus Lehm. Ob es hier auch ein Internet-Café gibt? Gegenüber meines Hotels lockt dafür eine grosse Reklame, der Laden ist aber leer. Beim „Hotel Esplanade“ gbt es auch eines, hier ist aber der PC kaputt und helfen soll ich auch nicht - schade. Zum Glück gibt es aber die staatliche Telefongesellschaft SOTELMA mit einem Internet-Café direkt unter der Antenne mit Supergeschwindigkeit.

In einer Hauptstraße hält ein Lastwagen eines Overland-Veranstalters aus UK. Ich komme mit ihnen ins Gespräch. Wir tauschen Erfahrungen aus (auch hier wird das feuchte Geschirr durch Wedeln, „flappen“, luftgetrocknet, weil Handtücher verboten sind und auch hier wird bedenkenlos mit Desinfektionsmitteln herumgeplanscht - siehe meinen Reisebericht über Marokko - die spinnen, die Briten) 

Den Nachmittag verbringe ich ruhig, weiche der Hitze im schattigen Hotelgarten aus und entspanne mich etwas.

Nach dem Frühstück checke ich aus, behalte mir aber vor, am Nachmittag wieder zu kommen. Ich weiß ja nicht, was passiert. Irgendwann muss ich wieder nach Bamako. Ich bin also wieder „on the road again“. Ich möchte die Gegend nördlich Segou und etwas nördlich des Niger erkunden. Bis Markala sind es nur 30km bester Straße. Es ist wenig Verkehr außer einer ganzen Reihe Busch-Taxis, die ich in dieser Menge nicht erwartet hätte. Außerdem fahren sehr viele Eselkarren, Rad- und Mopedfahrer herum. Ich muss also sehr wohl den Verkehr im Auge behalten.

Vor Markala kommen zwei Kontrollposten, an denen ich achtlos vorbeifahre, und zwei große Wehre, die große Bewässerungskanäle, schnurgerade und lang bis zum Horizont, überbrücken. Markala liegt direkt am Niger. Seine Bedeutung gewinnt der Ort durch ein imposantes Wehr, das hier einige große Stromschnellen des Niger entschärft. Der Fluss ist hier sehr breit und auf dem Wehr führt eine endlos lange, schon etwas ältere, Stahlbrücke hinüber. Hier gab es früher sogar eine Eisenbahn in deren Schienen ich dauernd hängenbleibe. Der Anblick des Niger, der mit seiner strahlend blauen Farbe mit dem satten grün der Gemüsefelder in seinen Niederungen konkurriert, ist wunderschön. Es gelingt mir aber überhaupt nicht, diesen Anblick auf einen Film zu bannen.

Die Straße nach Niono, dort hört nach Michelin die für mich befahrbare Straße auf, ist schnurgerade, gesäumt von Baumreihen und Zuckerrohrfeldern. Alle paar Kilometer kommen endlose Bewässerungskanäle, die zur Zeit im großen Stil erweitert werden. Nach etwa 20km wird die schöne Straße zur Baustelle, die Umleitung ist eine Sandpiste, die ab und an von Sprühwagen mit Wasser benetzt wird, um den Staub in Grenzen zu halten und den Mercedes vollends einsaut. Irgendwann lande ich auf der Trasse der alten Strasse, die von den Bautrupps noch nicht zwecks Modernisierung erreicht wurde und verliere jede Lust auf dieser Staub- und Schlaglochpiste weiterzufahren. Wäre es mein eigenes Auto, hätte ich kein Problem - aber ich muss den selben Weg ja noch zurück. So wende ich das Auto an einer Stelle, wo bis zum Horizont unendlich viele Baobabs stehen. Man darf sich das nicht wie einen Wald vorstellen, wo die Bäume dicht an dicht stehen. Die Baobabs stehen oftmals 20-30m auseinander. Trotzdem sieht das wahnsinnig imposant aus, da nichts anderes außer diesen dicken Bäumen da ist.

Gegen Mittag komme ich wieder in Segou an, werde im Hotel begrüßt, nehme diesmal ein besseres Zimmer (mit eigener Dusche) und gehe noch mal im Web surfen. Nachmittags klappere ich mal die ganzen Souvenirhändler ab. Es sind tatsächlich ein paar Sachen dabei, die mir gefallen. Leider sind sie zu groß.

Am Fluss ist bestes Fotolicht. Viele Menschen sind dort, einige waschen ihre LKW im Fluss und andere ihre Wäsche. Es ist kunterbunt. Ein Händler hat auf Plastikwannen einige Fernseher und Ghetto-Blaster drapiert und veranstaltet eine Tombola. In der Hoffnung, für wenig Geld einen Fernseher zu ergattern, kaufen die Leute Lose, die natürlich nur so gewinnträchtig sind, das der Losverkäufer auch einen Gewinn dabei hat. So bezahlen eben viele Leute für ein Gerät, was auch nur einer bekommt.

Viele Kinder tummeln sich herum, und werden aufdringlich. Hier sind sie mal wieder durch die Touristen versaut. Sie können noch nicht mal richtig französisch und wenn man, auf die Aufforderung, ein „cadeau“ zu schenken, fragt „pourquoi?“ (warum?), dann gucken sie einen groß an. Sie haben es nicht verstanden und wiederholen stereotyp ihre Forderung. Da muss man schon mal etwas böse gucken. Es geht hier aber noch.

In den richtigen Touristenhochburgen soll das ja angeblich noch viel schlimmer sein.

Die Nacht ist ganz angenehm im Zimmer mit Bad.

Morgens mache ich wieder einen Abflug. Auf dem Weg liegt noch das Internet-Café der SOTELMA. Kurz noch mal gesurft und schon liegt Segou hinter mir.

Es ist sehr heiß und die Sonne knallt die ganze Zeit auf der Fahrerseite rein. Die Strecke geht meistens schurgeradeaus und wird sehr stark von verschiedenen Linienbusgesellschaften frequentiert. Laufend kommen Reisebusse entgegen oder, da die Busse sehr schnell fahren, kommen sie von hinten angebraust. Die Landschaft wechselt mal wieder, die Pilztermiten haben wieder Oberhand. Es wird hügelig mit großen Felsen, die interessante Formen aufweisen.

Mit Schwung erreiche ich die Vororte Bamakos. Die Straße wird breit wie eine Autobahn. Ich verpasse die Abfahrt zur „Pont de Martyrs“ und muss später umkehren. Vor der Nigerbrücke halte ich noch an einem Schnellimbiss an, in dem fast nur Amis sitzen. Die ganze Geräuschkulisse ist erfüllt vom amerikanischen Wolldeckenenglisch.

Die „mission libanaise“ ist schnell erreicht. Mario und Sören haben noch immer nicht ihre LKW verkauft. Ich beziehe wieder eines der schmutzigen Zimmer. Aber lange will ich hier sowieso nicht bleiben. Ahmed erklärt sich bereit, gegen Entgelt, den völlig verdreckten Wagen zu waschen. Die Kiste ist, wie berichtet, beim Ausflug nach Niono auf der wasserdurchtränkten Piste total eingesaut worden. Ahmed macht seinen Job so gründlich, dass mein Gepäck, das noch im Kofferraum liegt, nass wird. Kann ja mal passieren.

Am Sonnabend nutze ich noch ein letztes mal das Auto. Erst setze ich noch kurz Ursula, eine ältere Touristin aus Trier am Markt ab. Sie will Andenken kaufen. Kaum ist sie aus dem Auto heraus, ist sie auch schon in der Menge verschwunden. Plötzlich schrillt eine Trillerpfeife und ein Polizist hängt halb im Beifahrerfenster. „Rechtsranfaaahrn-Papiere!“ Jetzt haben sie mich. Er nimmt meinen Führerschein und die Wagenpapiere an sich und geht zu seinem Kollegen. Für mich sucht er einen Platz zum Halten. Da stehe ich dann so richtig im Weg. Ich steige aus, gehe wieder in der Touriabzockeabwehrstellung, und versuche, zugegebenermaßen etwas aggressiv, meine Papiere zurück zu ergattern. „Was wollen sie von mir, warum behalten sie die Papiere?“. „Sie dürfen hier nicht anhalten“. „Erstens stand ich gerade mal 2 Sekunden und zweitens ist da doch gar kein Schild“. „Ist trotzdem verboten“. Ein anderer Polizist, der etwas besser französisch spricht, mischt sich ein. Ich frage ihn: „Was wollen sie von mir? Das ist doch reine Schikane, geben sie mir sofort meine Papiere“. „Geht nicht. Sie müssen erst zum Amt und dort eine Strafe bezahlen“. An dieser Stelle beginne ich mich aufzuregen. „Das gibt es doch nicht, dafür habe ich keine Zeit, das ist Schikane, was wollen sie? Wollen sie Geld? Dann sagen Sie wie viel!“. „Nein, wir kommen sie darauf, wir wollen doch kein Geld. Sie müssen zum Amt gehen und eine Strafe einzahlen.“ Wieder weise ich darauf hin, für so etwas keine Zeit zu haben, wieder frage ich, was sie wollen, wieder unterstelle ich Schikane und wieder frage ich, wie viel Geld sie wollen. Daraufhin bekomme ich immer wieder die selben Antworten. Das Spiel wiederholt sich wortgleich noch 5 mal. Dann mischt sich der erste Polizist wieder ein und meint „Ok, 10.000 CFA“. „Wie viel ?“, ich kann es kaum glauben. Erst spielen sie die scheinheiligen Unschuldsengel und dann kommt eine unverschämte Forderung. Es gelingt mir nur, sie leider nur auf die Hälfte herunterzuhandeln. Das war ein teurer Spaß.

Genervt verlasse ich die Stadt. Schnell brause ich die Straße nach Osten, nach Koulikoro, einer kleinen, nicht sehr schönen Stadt, am Niger, wo nach der Regenzeit die Schiffe nach Timbuktu abfahren. Die Strasse und die Landschaft versöhnen mich aber schnell wieder. Einen trillerpfeifenden Polizisten in Koulikoro ignoriere ich einfach.

Auf dem Rückweg schaue ich mir noch einige Hotels an, für die zwei Übernachtungen mit Ruth. Die „mission“, wo es nach Pisse stinkt, weil dort alles und jeder an die Außenwand pinkelt, und wo sich alles um die einzige dreckige Dusche tummelt, muss zu Beginn wirklich nicht sein.

Die Hotels in meinem Reiseführer gibt es zwar - die Standards und die Preise differieren aber sehr. So reserviere ich im Hotel „Les Cêdres“, das günstig, sauber und ganz brauchbar scheint, ein Zimmer für die nächste Woche.

Nachmittags muss ich das Auto  wieder abliefern und genieße wieder etwas die kühle Luft und die sauberen Klos im „Hotel Salam“. Die Rückgabe erfolgt völlig unspektakulär. So ein Geschäft bringt Spaß. Der Mann aus dem Souvenirladen, der den Deal damals vermittelt hat, bekommt noch sein „cadeau“ und schon scheiden wir als beste Freunde.

Zu Fuß gehe ich, immer am Niger entlang, zurück. An der Straße wird in großen Schalen Hirse verkauft, direkt daneben Fisch direkt aus dem Fluss. Eine Promenade gibt es hier nicht. Nur die Straße, die Abflusskanäle, die daran liegenden Gemüsefelder und den Fisch.

Es ist Sonntag und ich mache gar nix. Ist ja auch mal ganz nett.

Am Montag ziehe ich um. Kaum im neuen Hotel angekommen, muss ich allerdings noch etwas warten, weil eine französische Musikgruppe, die das ganze Hotel mit Beschlag belegt hat, noch spontan im Hof Musik macht und nur gaaaanz langsam fertig wird. Im Restaurant treffe ich noch einen Deutschen, der mir wichtige Tipps gibt und mir am nächsten Morgen noch einige deutsche, aktuelle Zeitschriften hinterlässt. Mein Gepäck darf ich derweil in einem Abstellraum unterstellen. Diese Möglichkeit werde ich auch für die nächsten 4 Wochen nutzen.

Heute Abend spielt Ali Farka Touré, „der“ afrikanische Bluesmusiker im „Carrefour de Jeunes“.  Karsten aus England meint, ich sollte besser vorher eine Karte kaufen - es könnte ja ausverkauft sein. Schließlich werben sie dafür sogar im Fernsehen. Also nutze ich die Wartezeit und erstehe 4 Karten für Mario, Sören, Fatima, seine Frau und mich. Anschließend bereite ich mich mental auf das abendliche Konzert mit Hilfe meines neuen Walkmans vor, den ich in Segou erstanden habe. Beim Hotelpersonal stoße ich dabei auf reges Interesse. Das Ding macht die Runde und alle wollen kurz mal reinhören.

Irgendwann kann ich dann mein Zimmer beziehen. Es ist nur als Übergang gedacht. Es hat nämlich kein Fenster. Es ist zwar sehr ruhig, aber ich brauch dennoch natürliches Licht.

Rechtzeitig mache ich mich auf den Weg zum „Carrefour de Jeunes“, dem Veranstaltungsort. Das Konzert ist nur zur Hälfte besucht und davon sind mindestens die Hälfte Weiße. Das liegt sicher am Eintrittspreis. Eine Karte kostet 2.500 CFA. Ich warte also und warte und keiner meiner Freunde kommt. Schon bereue ich, die Karten ausgelegt zu haben. Es ärgert mich sogar richtig. Ich hasse so was. Dann sehe ich Karsten mit Abbie, aus England, Fatima und zwei Franzosen im Schlepptau. Mario und Sören haben wohl einen Kunden, der einen LKW kaufen will. Jedenfalls werde ich zwei Karten an Abbie und Fatima los. Die letzte Karte verschenke ich spontan an die Kellnerin meines Hotels, die plötzlich neben mir steht. Die freut sich riesig und begrüßt mich seitdem per Handschlag.

Ali FarkaTouré ist ein sehr introvertierter Musiker, der die afrikanische Musik mit Blues verbindet. Er kommt leise auf die Bühne - in Comboystiefeln, Jeans und Hut. Völlig un- afrikanisch. Begleitet wird das Konzert von zwei Conférenciers, die zwischen den Stücken irgendwas in Bambara und superlaut von sich geben. Einer treibt es besonders toll. Ich muss mir jedes mal die Ohren zuhalten. Er brüllt ins Mikrophon und spricht abgehackt wie ein Maschinengewehr. Mehrfach erwähnt er den Namen des Künstlers. Das klingt bei ihm wie „allifakkkkatureee“. Total krank. Er himself  steht obercool auf der Bühne und macht den afrikanischen Blues. In den Brüllpausen dreht er sich einfach um, um seine Gitarre zu stimmen. Die ganze Zeit lächelt er, als ob er den Rummel um seine Person gar nicht mitbekommt. Richtig versunken im Blues.

Während des Konzerts erklimmen immer wieder Leute die Bühne um zu tanzen oder sich neben den Künstler zu stellen - für ein Foto.

Überhaupt sehen es die Afrikaner sehr locker. Oft steigt der Künstler hinab in die Menge um vielleicht einem Geburtstagskind vorzuspielen. Er unterbricht sich nicht, sondern stellt sich dazu und spielt lächelnd weiter, während die Verwandten die gewünschten Fotos machen. Während dieses Abends müssen hunderte von Filmen belichtet worden sein.

Später stoßen Mario und Sören mit Ahmed dazu. Der hat auch nichts besseres zu tun, als sich immer wieder auf die Bühne für ein Foto zu mogeln. Und er freut sich natürlich, wie immer, diebisch.

Die Nacht ist ganz angenehm. Das Frühstück ist ganz ok. Es gibt Croissants.

Heute will ich mal zur „Maison des Artisans“, dem Kunsthandwerkzentrum. Dort gibt es einen Querschnitt malischen Kunst-Handwerks. Natürlich sind hier viele Touristen und man wird oft angesprochen, einen Laden zu betreten. Dies geschieht aber auf eine angenehme und zurückhaltende Weise. Ich erstehe auch ein paar Kleinigkeiten. Später, auf dem Weg ins Internet-Café, muss ich über den normalen Markt. Hier stehen oftmals einige der maulaffenfeilhaltenden „bisinissman“ mit dem anbiedernden „hello, mei frännd“. Dann versuchen sie auch noch, nach mir zu greifen. Das macht mir normalerweise keine Probleme aber einer fängt sich trotzdem beinahe eine.

Manche kapieren einfach nicht, dass derlei Vertraulichkeiten bei den meisten Europäern nicht so gut ankommen. Außerdem möchte ich mir meine Freunde schon selbst aussuchen. Zum Glück passiert hier so etwas sehr selten - wir sind ja hier nicht in Gambia.

Abends treffe ich mich noch mit Mario in der „mission“. Wir gehen zusammen lecker Pizza im „L’Olymypien“ essen.

Jetzt ist es Mittwoch Abend - nur noch 3 Nächte. Ich freu mich diebisch auf Ruth.

Am Donnerstag fahre ich gleich nach dem Frühstück ins „Hotel Mandé“, einem etwas teureren Schuppen direkt am Niger. Der Weg dahin ist schon bemerkenswert. Er führt fast nur durch Armenviertel und Schrottplätze, um dann hinter einer Mauer im Wohlstand zu landen.

Die Lage des Hotels ist einmalig. Direkt am Niger - das Restaurant auf Stelzen im Niger. Der Blick geht auf die „Pont de Martyrs“ und auf markante Gebäude Bamakos.

Im Vordergrund ist der Niger mit seinem grünen Ufern und Menschen, die Wäsche waschen oder mit Pirogen Fische fangen. Der Fluss ist noch recht flach und voller grüner Inseln.

Mit einem anderen Taxi fahre ich auf Umleitungsstrecken, die uns durch Abbruchviertel,  Freiluftwerkstätten und verfallene Lagerhaüser führt zurück ins Stadtzentrum. Da ich den Weg kenne, werde ich nicht unruhig. Es gib noch etwas Geld zu holen und auf dem Markt auszugeben, sowie noch das tägliche Internet-Café. Für den Abend bin ich noch mit Mario im Restaurant „Champs Elysée“ verabredet. Xavier, der wieder da ist, und Fatima begleiten uns. Sie erzählen mir brühwarm, dass in der letzten Nacht der Patron der „mission“ und auch meines Hotels, Fatima, der Frau Sörens hinterher gestiegen ist. Karsten, der dazwischen ging, wurde daraufhin rausgeschmissen. Also, allen Leserinnen und Lesern als Hinweis: Nehmt Euch in acht, Georges, der Patron ist einfach nur ein Schwein.

Im Restaurant läuft  der Film „King Kong“ ohne Ton.

Da ich im „Hotel Les Cedres“ kaum Kontakt zu anderen Gästen habe, versuche ich häufig in der alten „mission“ reinzugucken. So laufe ich fast täglich die Straße runter durch das Zentrum, vorbei an quirligen Märkten und Haltestellen für Buschtaxis. Hier ist tagsüber die Hölle los und man muss sich seinen Weg bahnen. Abends, nach dem Essen, gehe ich den Weg allein zurück. Die Luft ist zwar kühler aber immer noch abgasgeschwängert. Die Autos sind weniger, die Stände verwaist oder die Leute liegen erschöpft, teilweise zusammengerollt, davor. Die seltenen Bewegungen macht hier und da eine Kakerlake oder eine Ratte. Alles ist ruhig und doch sind alle ständig auf dem Sprung beim ersten Tageslicht den täglichen Überlebenskampf wieder aufzunehmen. Als Weißer dort entlang zu spazieren ist schon merkwürdig. Es ist bestimmt sicher aber trotzdem fühle ich mich nicht gerade superwohl.

Es ist Freitag, noch ein Tag ohne Ruth. Mir fällt ein, dass ich noch mein Visum verlängern muss. Eigentlich wollte ich das am nächsten Montag vor der Abreise nach Segou machen. Aber vielleicht ist es heute besser. So gehe ich mit leerem Magen - in meinem Hotel gibt es leider keine Croissants - zur Surété, der Polizei. Man fragt sich so durch, um dann zu erfahren, dass mein Reiseführer da nicht mehr aktuell ist und ich zur „L’Immigration“ müsste. Ich frage „Wo ist denn das?“ - „Da müssen Sie ein Taxi nehmen“ - „Mag sein, aber wo ist das denn nun?“ - „Nehmen Sie ein Taxi, die wissen schon wo das ist“. Ich gucke schon leicht genervt, da nimmt mich ein Polizist (mit Uniform !) und geleitet mich hinaus und sagt. „Ich kümmere mich um das Taxi“ Ich staune !!! Er hält dann ein Auto mit einem - nicht uniformierten - Kollegen an und der bringt mich, kostenlos, zur „L’Immigration“. Das ist doch einmal eine gute Polizei-Nachricht, gelle.

Das Büro ist tatsächlich ziemlich abseits, an der Ausfallstraße nach Guinea. Dort nimmt man sich schnell meiner an. Das Visum kann ich schon heute wieder abholen. Mit einem akzentfreien „Auf Wiedersehen“ werde ich verabschiedet.

Mit dem Taxi fahre ich fix zurück ins Hotel. Dort nehme ich ein Taxi zurück in die Stadt. Ich möchte noch in der „Pâtisserie les Gourmands“ frühstücken. Es ist etwas schwer, dem Taxifahrer zu erklären, wo ich hin will. Die Leute kennen zwar ihre Stadt, aber selten die Straßennamen: So erkläre ich ihm den Weg. In der Patisserie treffe ich noch Fatima, Karsten und später Xavier. Anschließend geht‘s natürlich noch ins Internet-Café.

In der nahen BDM-Bank möchte ich gerne noch Geld mit meiner Master-Card holen. Leider macht man hier bereits Mittags zu. Ein Angestellter sagt, Master-Card wird nur noch bei Eco-Bank akzeptiert. Wo ist die denn? Er bringt mich mit seinem klimatisierten Auto fast bis vor die Tür. Heute ist wohl mein Glückstag. Die Bank hat zwar noch geöffnet - als ich mich in die Schlange einreihe, fällt mir aber gerade noch rechtzeitig ein, dass mein Pass bei der „L’Immigration“ liegt. Also verschiebe ich die Geldaktion auf Montag.

Sonnabend ist der Tag der Tage. Heute kommt Ruth.

Gleich nach dem Frühstück erkunde ich den „Point G“, einen Ort auf einer Anhöhe Bamakos. Dort liegt einem die Stadt zu Füssen. Sie sieht tatsächlich wie eine richtige Stadt aus. Um den Aussichtspunkt zu erreichen, muss man aber erst noch etwas laufen. Zuerst um ein Krankenhaus herum, dann um einen Müllplatz - jetzt spreche ich einen Jungen an „Wo ist Point G?“ - schon habe ich einen Führer, der mich gnadenlos nach Art der Leute ausquetscht. „Wie heißt Du, woher kommst Du, hast Du Kinder und Deutschland ist klasse“. Im Hintergrund ertönt noch das „Toubabu“ einiger Kinder. Ein Zeichen dafür, dass hier ab und an auch ein paar Touristen auftauchen. Mein Führer heißt Nahum und möchte mir am liebsten alle „Sehenswürdigkeiten“ Bamakos zeigen, auf die er sehr stolz ist.

Zurück gehe ich einen interessanten Weg über etwas Geröll hinab.

Jetzt habe ich noch den ganzen Nachmittag zu warten. Ruth kommt erst abends und ich weiß nicht, wie ich die lange Wartezeit herumbekommen soll.

Endlich ist es soweit. Ein Taxi bringt mich, nachdem wir lange über den Preis diskutieren, zum Flughafen, 17km südlich von Bamako. Zwischendurch versucht der Fahrer immer wieder vergeblich am Preis zu schrauben - ich drohe ihm jedes mal sofort auszusteigen.

Es ist schon dunkel und die Luft ist voller Abgase. Erst befürchte ich, wir bleiben stundenlang im Stau stecken. Wäre kein guter Anfang gewesen. Meine Angst ist jedoch unbegründet. Rechtzeitig sind wir da. Der Fahrer mault etwas, da ihm der Preis zu niedrig erscheint - sein Problem.

Ich bin natürlich zu früh. Aber lieber zu früh als zu spät. Das Flughafengebäude ist nicht groß aber für Mali angemessen. Links ist Ankunft und rechts ist Abflug und dazwischen ist eine Lounge mit Klimaanlage. Hier trinke ich teures Bier und vertreib die Zeit am Fernseher. Das Flugzeug hat Rückenwind und kommt 10 Minuten früher. Von der Bar im ersten Stock beobachte ich die Leute, die aus dem Flieger aussteigen und wundere mich, warum Ruth als eine der ersten das Flughafengebäude betritt. Sie wurde auf 1.Klasse gebucht und hat einen angenehmen Flug hinter sich. Aber jetzt greife ich vor.

Ich laufe schnell runter an den Ankunftsschalter und - tja - mir bleibt irgendwie das Herz stehen. Endlich ist sie da und nach kurzer - aber doch viel zu langer - Wartezeit können wir uns in die Arme schließen.

Mein Taxi hat natürlich gewartet - sicherer Kunde - und bringt uns nach Bamako und ins Hotel.

Es ist Sonntag morgen, wir frühstücken erst im Hotelrestaurant, holen anschließend den Schlaf der letzten Nacht nach und frühstücken noch ein zweites mal im Bett. Wie zu Hause.

Es ist, wie gesagt, Sonntag und ein guter Tag um Bamako mit wenig Stress zu erkunden. Es geht über die Märkte - Lebensmittel, Kunsthandwerk - zum Geldautomaten, zur „mission“ und anschließend zur Siesta zurück ins Hotel.

Abends treffen wir uns mit Mario, Sören sowie Pius aus der Schweiz im „Champs Elysée“. Lustig finde ich, dass ich am Tisch offenbar der Einzige bin, der die französische Speisekarte lesen kann. Mann, bin ich wichtig.

Im Hotel sortieren wir noch unser Gepäck nach mehr oder weniger notwendigen Dingen. Es gibt immer mal Sachen, die in Mali überflüssig sind. So bleibt der warme Pullover im Hotel. Auch viele Medikamente, Ruth hat eine ganze Tüte dabei, lassen wir erst einmal hier. Wir können die Sachen hier zwischenlagern, da wir in vier Wochen wiederkommen. Dann geht es als Spende weg.

Montag morgen, jetzt geht es richtig los. Ein Taxi bringt uns erst zur Bank und ein weiteres zum „gare routière“. Vorher gilt es aber noch ein paar wohlmeinende „guides“ abzuwimmeln, die immer dann besonders nerven, wenn man sie nicht braucht.

Außerdem läuft uns noch kurz Karsten über den Weg, der sich wundert, warum wir kein Sammeltaxi nehmen. Das ist doch so billig. Das Gewusel mit Sammeltaxen wollte ich uns erst später zumuten.

Ich frage den Fahrer, ob er weiß, wo in Solonke,dem „gare routière“, etwas außerhalb an der Ausfallstraße nach Segou, die Somatra-Busse, die Überlandbusse, halten. Genau den wollen wir nehmen, da er am nächsten zum Hotel Djoliba, in Segou hält.

„Ja, ja - kein Problem“ . Er gurkt kreuz und quer über den Platz, der groß, unübersichtlich und voller Menschen und Autos ist. Wir werden bereits von „guides“ umringt, die uns als Kunden für ihre Klein-Busse haben wollen. Er hält an und sagt: „Da ist es“. „Wo ist denn Somatra“. „Na hier“. Wir stehen vor dem Verkaufsschalter einer mir unbekannten Gesellschaft. „Hier steht aber nicht Somatra“. „Na ja, die haben doch auch kleine Busse“ „Ich will aber zu Sotrama. Die haben große Busse“. „Na ja, die haben doch auch kleine Busse“. „Ich will keine kleinen Busse - ich will die großen von Somatra. Gibt es hier niemanden, der Somatra kennt?“ „Ach so, Somatra, die sind da drüben, steigt wieder ein“. Wir fahren 50m, er hält an und sagt: „Hier fahren auch kleine Busse“. Langsam beginne ich mich aufzuregen: „Ich will zu den großen Bussen von Somatra. Kennt sich hier niemand aus?“ Der Typ hat keinen blassen Schimmer - ich schicke ihn weg. Es erscheint ein Mann mit Ausweis am Revers - sieht echt wichtig aus. Er schleppt uns 20m weiter. „Hier ist es.“ Ich sag: „Bist Du blöd, ich möchte die große Gesellschaft Somatra mit ihren großen Bussen. Ich kann es nicht glauben, dass ihr die nicht kennt.“ „Ach so“, rufen plötzlich 5 „guides“ im Chor, „Somatra, sag das doch gleich“. „Ach so, Somatra“, äffe ich nach, „seid ihr alle völlig bekloppt, ihr seid wohl nicht aus Mali. Ich wisst ja überhaupt nicht wo ihr seid“. Die „guides“ versuchen mich jetzt von einer Company zur anderen zu schleppen. Wir gehen einfach immer einen anderen Weg. „Ihr müsst hier entlang, da ist Somatra“ „Ach, Du hast ja keine Ahnung. Du bist verrückt und bestimmt bist Du Ausländer, auf jeden Fall nicht aus Mali.“ „Natürlich bin aus Mali“ „Ach Du spinnst ja, Du hast doch von nichts ‚ne Ahnung“ Die Sache macht mir irgendwie Spaß. Ein anderer „guide“ deutet jetzt auf die andere Straßenseite auf eine Ansammlung großer Reisebusse und meint „Da drüben, da ist Somatra“.

Das ist mir jetzt irgendwie zu weit. Ich entdecke in der Nähe zwei weitere Bus-Companys, steuere sie an und lasse die verdutzten „guides“ stehen. Ein Angestellter der Bittar-Trans übernimmt uns, und in Nullkommanix haben wir preiswerte Tickets, gehen durch einen Gang der schön schattig mit Grünzeugs überwuchert ist und landen im angenehm kühlen Warteraum. Die Wartezeit ist nicht lang Nach einer dreiviertel Stunde entern wir einen mittleren, bequemen Bus und befinden uns flugs „on the road“. Endlich. Für mich ist es wichtig aus Bamako herauszukommen und für uns beide ist es wichtig unsere gemeinsame Tour durch Mali richtig zu beginnen.

Die Fahrt ist sehr angenehm. Zwischendurch kann man immer mal kurz einschlummern. Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir Segou und lassen uns mit einem Taxi ins „Hotel Djoliba“ bringen. Hier bin ich bekannt, ein Zimmer reserviert und alles ist klasse. Außer meiner Erkältung, die mir sehr zu schaffen macht.

Den späten Nachmittag begrüßen wir trotzdem noch den Niger, gehen über den Markt, der heute stattfindet, lassen uns in einigen Läden deren Stoffangebot zeigen und gucken schon mal, wo wir, nach einer kleinen Pause im Hotel, heute abend essen gehen.

Gegenüber gibt es das Restaurant „Minuit de Soleil“, wo uns die Speisekarte mit Leckereien wie „Capitaine avec Banane frites ...“ lockt. Die Sache ist somit geritzt. Wie erwartet ist das Essen klasse und alles was anschließend passiert auch. Die Nacht über quält mich ein Reizhusten und macht mich irgendwie fertig.

Unser erster ganzer Tag in Segou beginnt mit einem leckeren Frühstück.

Heute ist es sehr dunstig. In der Luft ist viel Staub und es ist schwül. Man kann nur mit Mühe die andere Nigerseite erkennen. Markt ist heute keiner. Dafür werden wir Zeuge einer kleinen ausländischen Fernsehproduktion über malische Handwerkskunst. Zumindest interpretieren wir das so. Es sieht drollig aus, wenn ein Amerikaner, umringt von neugierigen Maliern deren Kunst im Fernsehen erklärt.

Wir sitzen an der Nigerpromenade vor dem Hotel Esplanade auf der Mauer, beobachten alles, albern etwas mit den stets präsenten Souvenirhändlern und genießen die ruhige Atmosphäre. Wir werden nicht bedrängt, ein „Nein“ wird akzeptiert und wir haben alle unseren Spaß.

Trotz der Schwüle gehen wir weiter, vorbei an den Gemüsegärten am Nigerufer, einer Pirogenwerft, wo Leute mit einer Hacke, die sie als Meißel benutzen, Tropenholz für den Rumpf herrichten. So von nahem kann man gut sehen, wir die Pirogen hier gearbeitet sind.

Wir schlagen einen Bogen zu den Regierungsvillen, trinken etwas gegenüber dem Cyber-Café und beobachten die Leute, die an unserem Restaurant vorbei gehen. Zurück gehen wir über den Rest-Markt, begutachten ein paar Perlen, bzw. Perlenketten, einige Stoffe, bzw. deren Muster und kaufen das eine oder andere Obst.

Nachmittags gehen wir in die andere Richtung und suchen ein Tele-Centre mit Fax-Gerät. Ruth hat einiges für zu Hause aufgeschrieben. Der Chef im Tele-Centre freut sich, er bekommt für vier Seiten sehr viel Geld und wir machen eine Erfahrung.

Wir erkunden jetzt die Seitenstrassen, fernab der Touristenwege. Hier gibt es keine Souvenirläden, sondern nur die üblichen Arbeits- und Marktstände der Normalbevölkerung. Die Leute sind freundlich und lassen sich durch uns nicht stören. Hin und wieder hören wir von Kindern vereinzelt „Toubabou“.

Die Straße endet am Nigerufer. Hier können wir verweilen und die Leute beim Wäsche- und Geschirrwaschen und der Gartenpflege beobachten. Einige Jungen spielen Fußball und die Mädchen bringen Geschirr zum Fluss.

Wir werden natürlich wahrgenommen, einige Mädchen rufen kokett „Toubabou“ und lachen. Die ganze Szene ist sehr entspannt und das Verhalten der Kinder ist spielerisch. Bestimmt laufen hier nicht oft Touristen herum. Später erreichen wir wieder die Stelle, wo die Strasse unseres Hotels an den Niger mündet. Nicht weit davon, beim Hotel Esplanade mit seiner Promenade setzen wir uns wieder auf die Mauer und beobachten den Niger. Ein Hotel-Angestellter will uns sogar Stühle bringen.

Auf der Mauer ist es aber am schönsten. Einige Jungen gesellen sich zu uns, wir unterhalten uns, albern herum und gelegentlich versuchen sie uns die Schuhe zu putzen oder uns etwas zu verkaufen. Einen langen Speer kann ich aber nicht gebrauchen - auch wenn man ihn rucksackgerecht zerlegen kann.

Einer der Jungen heißt Salif und stammt aus einer Kleinfamilie mit drei Kindern. Sein Vater ist Lehrer. Deshalb kann er auch gut französisch. Aus dem Hotel hole ich uns noch ein Bier und es ist so richtig nett.

Auf dem Rückweg begleiten uns die Jungs noch etwas. Plötzlich zücken sie einen Zettel, auf dem steht, dass für ein Fußballturnier Geld für Schuhe und Bälle gesammelt wird. Auf der Liste kann man dann seinen Namen und den Betrag eintragen. Dieser Masche begegnet man hier recht häufig. Ein bestimmtes „Non, Salif“, sehr persönlich gemeint, beendet diese Situation aber schnell. Vielleicht sollte man die persönliche Schiene öfter nutzen. Ich will versuchen, die nächsten male nach dem Namen zu fragen um damit eine Entscheidung persönlich zu machen - die Afrikaner machen es hier übrigens genauso.

Als krassen Gegensatz dazu nehmen wir das Abendessen im Hotel ein. Es ist lecker, nicht billig und es gibt einen sehr schmackhaften marokkanischen Rotwein. Die Nacht wird dafür nicht so gut - mein Husten nervt fürchterlich.

Es ist Mittwoch, für Ruth Lariam-Tag und für mich gibt es gleich vier Malariapillen.

Zu Fuß und mit dem Rucksack auf dem Rücken marschieren wir zum Busbahnhof der Somatra-Gesellschaft. An einer kleinen Durchreiche kaufe ich unsere Tickets und wir platzieren uns im Wartebereich. Sofort kommen Händler mit Ware und Kinder zum Geldsammeln vorbei. Sie beäugen uns interessiert. Als ich eine kleine Blase an meinem Fuß mit einem Blasenpflaster beklebe, beobachten sie neugierig jede Bewegung von mir.

Auf dem Platz werden immer mal wieder Busse beladen und bewegt. Um sicher zu gehen, dass wir unseren Bus auch erreichen, gehe ich immer mal wieder zum Fragen hinüber. Die meisten Busse fahren aber nach Bamako. Als unser Bus eintrifft, werde ich extra von der Ticketverkäuferin darauf hingewiesen.

Der Bus ist halbvoll, bzw. halbleer. Unser Gepäck sollen wir mit nach innen nehmen. Wir haben gute Plätze. Die erste Hälfte der Strecke nach Mopti kenne ich schon von meiner Autotour. Trotzdem ist es interessant die Eindrücke, die Ruth bekommt, mit meinen zu vergleichen. Das ist der Austausch, der mir auf einigen Teilen meiner bisherigen Reise so gefehlt hat.

Die Straße ist schnurgerade Die Vegetation wechselt ständig. Mal ist es karg, mal voller grünem Gebüsch, mal können wir unter den Bäumen tief ins Land hindurchgucken und mal füllt gelbes Gras diese Lücken auf. Da es dunstig ist, fehlt der farbliche Kontrast mit einem blauen Himmel. Gerade dann wirkt das Gelb besonders.

In San machen wir eine kurze Pause im „Betriebshof“ der Somatra. Hier gibt es ein Klo und etwas Bewegung.

Gegen Abend erreichen wir erst Sevaré und anschließend, über eine Art Damm, Mopti. Rechts und links sind sumpfige Flächen, die nach der Regenzeit vom Niger, bzw. dem Bani, aufgefüllt werden. Der Bus bahnt sich den Weg zum „Betriebshof“ der Somatra. Kaum ausgestiegen, werden wir schon von einigen „guides“ angesprochen, die uns ein Hotel zeigen oder eine Exkursionen anbieten wollen.

Irgendwie gelingt es mir, sie uns vom Leib zu halten. Nur einer, der den Namen des „Hotel Doux Rêves“ erwähnt, darf uns begleiten. Es hat damit sozusagen das Zauberwort benutzt. So brauche ich das Hotel nicht selbst zu suchen. Ein Taxi hätte es natürlich auch getan. Trotzdem ist es ganz angenehm.

Unser „guide“ heißt Joussouf und ist ganz nett. Mal sehen, wie wir miteinander auskommen. Den ganzen Weg quatscht er uns mit seinen Plänen, die er mit uns hat, die Ohren voll.

Der Marsch zum Hotel - mit Gepäck auf dem Rücken - dauert wohl so eine halbe Stunde. Am Schluss sind wir dann froh, das Hotel zu erreichen und haben uns unser Bier redlich verdient. Wir bekommen auch ein günstiges Zimmer für 9.500CFA mit Etagenklo und Dusche. Frühstück ist natürlich extra.

Ein Restaurant gibt es hier nicht. Dafür muss man 10 Minuten zu Fuß gehen. Joussouf zeigt uns den Weg und erkundigt sich beiläufig, wann er uns denn morgen früh für sein Besichtigungsprogramm abholen soll - vielleicht um 8 Uhr? Bloß nicht so früh - 9 Uhr.

Joussouf kann das kaum glauben und freut sich darüber, weil er endlich mal ausschlafen kann. 

Das Restaurant „Yermidami“, unser Ziel, wird von Frauen geführt. Es wird kein Alkohol ausschenkt dafür aber ein günstiges Essen serviert. Und es gibt „Dâh“, den hiesigen Bissap-Saft (Hibiskus). Süß, lecker - ich trinke gleich drei Gläser. Zu Essen gibt es „L’igname“, so heißt hier die Yam-Wurzel.

Abends bin ich so fertig, dass ich oben auf dem Hoteldach noch nicht einmal mein Bier zu Ende trinke.

Nachts komme ich wegen meiner Hustenanfälle kaum zum Schlafen.

 

Entsprechend bin ich morgens drauf. Ich brauche irgendwie etwas Schonung. Als wir beim Frühstück sitzen, kommt Joussouf schon vorbei. Ich erkläre ihm meine Lage, wir einigen uns auf eine abgespeckte Runde - glaube ich jedenfalls. Er führt uns auch sogleich durch Seitenstraßen in die Altstadt.

Hier sind auf beiden Seiten die Abwasserkanäle offen. Es riecht befremdlich. Wenn die Kanäle überlaufen, wird die feste Masse herausgeschaufelt und zum Trocknen daneben gelegt. Dazwischen findet dann das Leben statt, werden Dinge gehandelt, gefertigt und gespielt.

Joussouf führt uns zum „Marché Suguni“ auch bekannt als „Marché des Femmes“. Hier gibt es auf ebener Erde alles mögliche zum Essen und im ersten Stock jede Menge Antiquitäten und Kunsthandwerk. Es laufen jede Menge Touristen herum und - wie Ruth bemerkt - alle haben ihre „Joussoufs“ dabei. Das hat dann wirklich den Vorteil, dass man Mopti entspannt genießen kann. Wer sich vehement gegen einen „guide“ wehrt, hat nur Stress.

Joussouf führt uns zu seinem „Bruder“, der hier einen Stand hat. Leider hat er nicht das, was wir suchen. Genau genommen suchen wir auch gar nichts.

Ruth probiert interessiert einige Musikinstrumente aus und ich spiele den Kranken, der Ruhe braucht.

In einem anderen Stand sitzt eine gemütliche, freundliche Frau, die unaufdringlich und kompetent ihr Sortiment erklärt. Sie erklärt ihre Masken, aus welcher Region sie sind und welche Bedeutung sie haben. Ruth stöbert derweil bei den Ringen und Ketten. Auch hier erfahren wir, welche Materialien verwandt wurden und welche Bedeutung das eine oder andere Schmuckstück hat. Ruth interessiert sich für einen Anhänger. Dieser ist sehr schön und im richtigen Leben Zahlungsmittel der Touaregs gewesen. Wir beginnen zu handeln. Die Frau meint, ich handele wie ein Fischer - was immer das bedeuten mag. Wahrscheinlich, weil ich immer gleichmäßige, kleine Schritte verwende. Irgendwann kommt ein zweites Stück dazu und mein letzter Preis gilt. Weil ich trotz der Unmengen von Touristen, die nur gucken und nicht kaufen, ihr erster Kunde bin, bringe ich ihr Glück! Mir gelingen auch noch ein paar schöne Fotos. Joussouf scharrt schon mit den Füßen und weiter gehts.

Mopti hat eine hübsche Moschee. Nicht so hübsch wie die in Djenne, glaube ich erstmal. Sie ist ebenfalls im sudanesischen Stil aus Lehm gebaut, 70 Jahre alt und im oberen drittel aus Beton.

Hinein können wir nicht. Vom Dach eines anliegenden Hauses - wir latschen sozusagen durch deren Küche -  können wir ganz gut gucken. Der Hausherr hat zuuuufällig auch einen kleinen Laden mit etwas Schmuck und z.B. einem Stück Holz mit Termitengängen. Kaufen wollen wir aber nichts - ich hoffe, eine kleine „donation“ stellt ihn zufrieden.

Unsere Tour führt uns weiter zum Ufer des Bani. Hier liegen Pirogen und Pinassen am Ufer, auf dem Fluss wird gefischt und am Ufer wird gewaschen. Joussouf erklärt uns umständlich - es klingt in meinen Ohren zumindest so - sein Programm per Piroge, das wir dann lieber morgen machen.

Einige Pirogen dienen zur Überquerung des Bani. An einer Stelle waten die Leute aber locker zu Fuß durch.

Ein ganzes Stück weiter ist das Büro für Tourismus. Hier müssen alle Ausländer ihren Pass stempeln lassen. Wir sitzen beim Chef himself. Er freut sich, wir klönen etwas und er gibt uns Tipps für unsere Weiterfahrt. Er kann sogar etwas deutsch, was er vor über 20 Jahren mal in der Schule gelernt hatte.

Das Gespräch ist sehr interessant und wir sind sehr lange bei ihm. Joussouf scharrt schon wieder mit den Füßen.

Zurück geht es wieder am Bani entlang. Joussouf achtet immer darauf, dass wir nicht von Autos angefahren werden. Das hat er auch bereits gestern abend getan und einmal wurde es auch sehr eng, als ich mit meinem Rücksack etwas nah an einen Radfahrer und ein Auto geriet.

Joussouf zeigt uns eine Pôterie, eine Firma, die Tonwaren produziert. Allerdings macht er es nicht wir auf einer typischen Touri-Tour, sondern ganz harmlos so nebenbei. Wir sehen, wie Muster geritzt und gegenüber gemalt werden - mehr nicht und keiner will etwas verkaufen.

Auf dem Weg zum Hafen erkunden wir noch schnell den „Marché des Souvenirs“, mogeln uns durch, ohne Kaufabsicht und landen in einer Halle, wo all die Hosen und Hemden aus importierten „afrikanischen“ Stoffen von ausschließlich Männern zusammengenäht werden. Ein Umstand, für den Ruth ein Foto einfordert.

Der Hafen ist winzig, was auf den niedrigen Wasserstand des Bani zurückzuführen ist. Wäre das Wasser nicht so dreckig - man könnte auch hier zu Fuß hindurch. Rund um den Hafen ist Markt. Hier werden alle Waren gehandelt, die gerade aus den Pinassen - den richtig „großen“ Booten  - oder den Pirogen angelandet werden.

Hier gibt es Salz aus Timbuktu, verschiedene Tees, Tabak, jede Menge Kräuter, Gewürze, Konja (Bier), Carité-Butter (gut für die Haut) und vieles mehr.

Am hintersten Ende des Hafens ist die Bar Bozo, eher ein Touristentreff, wo zum Glück kein Platz für uns frei ist. Statt dessen gehen wir durch den Hafenmarkt zurück und essen etwas im Restaurant „Sigui“ mit Dogon-Motiven an der Terrassenwand im ersten Stock. Es gibt zwar eine große Speisekarte, aber in Wirklichkeit nur Reis mit Fisch oder Tomatensauce.

Der Weg zum Hotel ist der gleiche wie auf dem Hinweg. Ich habe den Nachmittag zum Erholen, Lesen und Schreiben. 

Es ist Freitag und Joussouf holt uns morgens wieder ab. Ich bin nicht so gut drauf und auch nicht zu wahnsinnig viel small-talk aufgelegt. Joussouf möchte uns am liebsten gleich zu sich nach Hause lotsen und uns afrikanischen Familienanschluss bieten. Ich halte wenig von derlei Häuslichkeit. So was ist meistens peinlich, da man sich nicht so viel zu erzählen hat und nur um der Höflichkeit willen Interesse heuchelt.

So rede ich es ihm aus „Nein, Joussouf“.

Wir gehen also direkt zum Hafen. Eine Piroge ist schnell geordert. Langsam stakt uns der Pirogenführer den Bani aufwärts auf das andere Flussufer. Hier ist ein Bozo-Dorf. Wir werden sofort von Kindern in Beschlag genommen, die alle unsere Hände halten und ein „cadeau“ wollen. Frauen fordern uns auf, sie zu fotografieren. Irgendwie merkwürdig. Touristen tauchen hier oft auf und darauf sind die Leute hier vorbereitet. Es ist wie im Zoo.

Wir staken weiter, Bani-abwärts zu einem Tuareg-Dorf. Auch hier das gleiche.

Architektonisch sieht es aber anders auch. Die Hütten haben Spitzdächer. Zuuufällig gibt es hier einen kleinen Laden. Der Betreiber ist gerade dabei, das Dach seines Ladens mit Lehm zu decken und sieht dementsprechend aus. Sein Sortiment ist nicht doll, dafür bekommen wir nach langem Suchen einen abgegriffenen Zettel, auf dem in deutsch steht, dass die Tuareg vor 31 Jahren (!) nach einer Dürre hier umgesiedelt wurden, alles verloren und seitdem auf Hilfe angewiesen sind. Datiert ist der Zettel von 1991. Ich finde es ja ziemlich dick aufgetragen. Einkauf unter moralischem Druck. Als Ruth dann noch zwei sehr einfache Kettchen haben möchte, kann man noch nicht einmal richtig handeln. Schließlich haben sie ja vor 31 Jahren ...

Egal, wir sind Touristen und können es ihm noch nicht einmal übelnehmen.

So staken wir weiter an die Stelle, wo der Bani in den Niger fließt - oder umgekehrt ? Es soll gut zu erkennen sein, da „das Wasser des Niger im Gegensatz zum Bani „supersauber“ ist“. Mir erscheinen die Unterschiede eher wie „total“ und „fast total“ dreckig. Trotzdem sind wir bei der Hitze schon neidisch auf die vielen Kinder, die nach Herzenslust im Wasser baden, herumtoben und sich super freuen. Das trauen wir uns natürlich nicht.

Rechtzeitig fragt uns Joussouf, ob wir umkehren oder eine Stunde für 2.500CFA ranhängen sollen. Da wir ja eventuell morgen mit der Pinasse nach Timbuktu wollen, kehren wir lieber um. Im Zweifel wäre ohnehin nur noch ein Dorf mehr drin gewesen.

Diesmal halten wir vor der „Bar Bozo“, dem Café, wo fast nur Weiße essen. Die Speisekarte ist afrikanisch begrenzt, das Essen geht so - ist aber völlig überteuert, und das Klo ist selbst für afrikanische Verhältnisse dreckig. Eigentlich weiß ich nicht, was man daran finden soll - außer, dass man hier von Unmengen von Andenkenverkäufern gefunden wird.

Da wir mit dem Boot nach Timbuktu wollen, diskutieren wir viele Möglichkeiten. Zuerst  heißt es: „Es fährt keine Pinasse, weil der Wasserstand zu niedrig ist“. Dann fährt sie doch, benötigt aber mindestens 6-7 Tage. Dann fährt sie wieder nicht, dafür organisiert uns Joussouf eine Piroge, die uns in zwei Tagen nach Konna bringt (inklusiver 2 stakender „Chauffeure“, ihm selbst und Nahrung für zusammen 50.000 CFA). Dann: „Wenn eine Pinasse fährt, dann fährt sie an Konna vorbei, da sie wegen dem Wasserstand dort nicht anlegen kann.“ Schließlich möchte ich dann doch einen Pinassenfahrer selbst sprechen, was bedeutet, dass Joussouf übersetzen muss. Diesmal: „Drei Tage bis Konna (55km) und einen Tag bis Timbuktu (250km) und natürlich kann er in Konna halten“. Wir müssen uns nur bis heute Abend entscheiden, da diese Pinasse morgen um 9.00 abfährt und auf Tage hinaus die einzige ist.

Wir wollen noch einmal darüber nachdenken, kaufen noch ein Tuch für Ruth, lassen für 300CFA die Ränder umnähen und fahren diesmal mit dem Taxi ins Hotel. Ich bin fertig und brauche etwas Ruhe. Ich schaue mir noch einmal die Angaben des Pinassenführers auf der Karte an und fühle mich doch reichlich verarscht. Ruth ist sich auch nicht mehr so sicher, ob die Pinassenfahrt wirklich der Hit ist. Wir denken alles noch einmal durch und entscheiden uns für einen Mietwagen. Joussouf, der eigentlich mit uns die Pinassenfahrt geschäftsmäßig unter Dach und Fach bringen will, wird mit der neuen Idee konfrontiert. „Mit dem Auto nach Timbuktu? Die westliche Route? Das geht nicht, das können nur einheimische Führer.“ Oh Mann ...

Trotzdem weiß er Rat und taucht wenig später mit einem Geschäftsmann auf. Der ziert sich, wie von mir erwartet, etwas wegen „sans Chauffeur“ - aber wir können beide gut fahren und wollen dabei auch nicht gestört werden. Es geht dann doch und er bietet uns einen Toyota Landcruiser an. Wir sollen aber nur auf befahrbaren Pisten bleiben.

Während Ruth sich das Gefährt anguckt - es steht gleich um die Ecke auf einem Garagenhof, was ich aber nicht wusste und mich wundere, wo sie bleibt - schreibe ich einen handschriftlichen, kurzen Vertrag und sammel das vereinbarte und etwas heruntergehandelte Geld zusammen.

Ruth kommt zurück, der Wagen scheint okay, das Geschäft wird abgewickelt und ... bye, bye, Pinasse. Joussouf fragt noch leise, ob er nicht mitfahren könne. Nee,nee.

 

Auf der Straßenkarte scheint es eine westliche Verbindung durch das Niger-Binnendelta, zu geben und so beenden wir den Abend voller Vorfreude.

Es ist Sonnabend und Ruth hat Geburtstag. Nach dem Frühstück bringt Joussouf die Fotokopien unseres Mietvertrages und wir holen den Wagen vom nahen Hof, wo er in der Nacht noch einmal überholt wurde. Unsere Sachen sind schnell eingeladen.

Durch die engen Straßen, mit den offenen Kanalisationsrinnen, bugsiere ich das wuchtige Gefährt heil zum Hafen, wo Ruth noch schnell zwei Schilfmatten ersteht, die uns als Schlafunterlage im Auto dienen können. Anschließend holen wir noch eine Kiste Wasserflaschen, Joussouf bekommt etwas Geld für seine treuen Dienste und ab geht’s.

In Sevaré tanken wir richtig voll - der Toyota hat einen großen Tank - und verlassen die Stadt nach Osten. Die Straße ist gut, die Landschaft ist interessant. Wir sehen jetzt aus der PKW-Perspektive, die ja bekanntlich etwas tiefer liegt als beim Bus, die Landschaft an uns vorbeirauschen.

In Konna biegen wir von der Strasse ab auf eine Piste. Ab jetzt wird es etwas schwierig. Am Wegesrand erstehen wir noch einige Tomaten und fettige Beignets bei einigen Kindern. Die gucken erst etwas ungläubig, verkaufen uns dann aber etwas. Unser Ziel ist Niafunké, ein Ort, direkt am Niger. Leider können wir nicht direkt danach fragen, weil die Leute, falls sie überhaupt französisch verstehen, oftmals nur den nächsten Ort kennen. So fragen wir uns von Konna nach Korientze und von Korientze nach Sarafére. Unsere Karten sind da sehr unvollständig und die Reiseführer kannst Du allesamt vergessen. Wir warten einfach etwas in den entsprechenden Dörfern, bis einer auftaucht, bzw. geholt wird, der französisch kann. Das funktioniert absolut immer, die Leute wollen helfen und setzen alles daran, Dich zu unterstützen.

Wir fahren durch eine, alle paar Kilometer sich völlig ändernde, Landschaft. Das Binnendelta besteht aus Marschland, Wüste, trockenen und feuchten Seen, Dünen, Sümpfen, Flüssen und einer Vielzahl von Dörfern aus Lehm, die sich Trutzburgen gleich aus der Landschaft erheben, großen Rinderherden an Seeufern, Zeltdörfern von Nomaden und Überschwemmungsflächen, die bereits jetzt für die Zeit nach der Regenzeit vorbereitet werden. Aus der Entfernung sehen die Dörfer sehr groß aus und werden kleiner, je näher man heranfährt.

Der Weg teilt sich oftmals und wir raten, welche Spur die richtige ist. Meistens führen die Wege später wieder zusammen, da es der gleiche Weg für verschiedene Jahreszeiten und Feuchtigkeitsstufen ist. Einmal landen wir in einem Dorf an einem Fluss, das wir für Sarafére halten. Ehe wir groß fragen können, taucht ein junger Mann mit Transistorradio um den Hals auf und sagt uns, wir wären auf der falschen Straße. Er will uns den Weg zeigen, steigt kurzerhand zu und nach einiger Zeit stehen wir am Fluss Konga an einer nagelneuen hellblauen Fähre. Die kommt auch prompt von der anderen Seite rüber und ich bringe den Wagen hinauf. Nun denke ich, unser Helfer will auch nach Sarafére und wir kamen ihm sehr gelegen, da sehe ich ihn sich winkend verabschieden und am Fluss zurück nach Hause gehen.

Mit so einer uneigennützigen Freundlichkeit können wir beide schwer umgehen und bekommen ein richtig schlechtes Gewissen. Der Fährmann, er heißt Adamo, bringt uns sicher hinüber und erklärt uns den weiteren Weg. Auch hier ist es nicht einfach.

Oft ist die Piste schwer zu erkennen, wird sehr schmal, teilt sich mehrfach und führt durch Gelände, wo wir vielleicht die ersten sind. In einem anderen Dorf fahren wir quer über den Markt - alles rückt zur Seite - und wir finden trotzdem nicht den weiteren Weg. Etwas planlos eiern wir vor dem Dorf herum, bis sich ein freundlicher Junge bereit erklärt, uns auf den richtigen Weg zu bringen. Einige Kinder fahren ein Stückchen auf der Heckstoßstange mit, was für ein Spaß. In Sarafére landen wir dann auch irgendwann. Es ist bereits später Nachmittag und wir haben uns reichlich in der Zeit verschätzt. Ein junger Mann will uns durch die Stadt zur Fähre führen. Ein Polizist stoppt uns und mahnt unseren Helfer den Ort nicht zu verlassen, da er keine Papiere hat. So lavieren wir durch die engen Gassen und stehen am Ufer des Bara-Issa - wenigstens dieser Fluss taucht auf unseren Karten auf. Die Fähre ist ebenfalls nagelneu und ich frage unseren Helfer nach dem Preis. Er guckt den Fährmann an und sagt 5.000CFA. Ich glaub ich spinne. Am Konga waren es nur 3.500CFA. Das sag ich dann auch und der Fährmann sagt ok. Man kann es ja mal versuchen. Auf der anderen Seite fordert unser Helfer dann ein cadeau ein. Na ja - 500 CFA.

Ab jetzt sollen es nur noch vier Dörfer vor Niafounké sein. Wir brettern also weiter, fragen jeden nach dem Weg, dem wir begegnen (manchmal laufen sie auch weg) und versuchen uns zu verständigen. Hier ist französisch eine echte Fremdsprache.

Die Sonne verschwindet allmählich, das Licht lässt nach und ich versuche mich an einer alten LKW-Spur zu orientieren. Wir zählen die Dörfer ab und fahren über Sandpiste mit Licht. Wir möchten schon ganz gerne wissen, ob die Straße am Niger zu Ende ist, oder ob wir den ganzen Weg mangels Fähre zurück müssen. Ich gebe Gas. Der Wagen wird reichlich durchgeschüttelt bis wir endlich Lichter erkennen. Unser Ziel auf der anderen Niger-Seite: Niafounké.

Am Ufer angekommen, sieht aber nichts nach Fähre aus. Sofort kommen ein paar Jungen und wollen uns zum Fährplatz führen. Alles klar, umsonst ist nichts, und bald stehen wir am Ufer und machen uns per Hupe bemerkbar.

Tatsächlich taucht aus dem Dunkeln eine moderne Fähre auf. Leider kann sie wegen des niedrigen Wasserstandes nicht direkt anlegen. Wir müssen durch das Wasser hinauf. Unser Toyota ist hoch genug und zerteilt mit einer kleinen Bugwelle den Fluss. Es klappt auf Anhieb. Nun stehen wir da und der Fährmann teilt uns mit, dass er eigentlich gerade Feierabend gemacht hat. (Kunstpause)

Für einen kleinen Aufpreis könnte er diesen aber ein wenig verschieben - dieser Gauner. Na ja, so teuer ist dann auch nicht und irgendwann setzt er auch mit uns über.

Niafounké ist auf der nördlichen Nigerseite. Auch hier kann die Fähre nicht anlegen und diesmal muss ich ca.15m mit Bugwelle durch den Fluss. Ich gucke die Fährleute zwar vorher fragend an, aber die nicken und meinen, das wird schon. Und sie behalten recht.

Niafounké ist nicht seht groß - es ist aber die Heimatstadt von Ali Farka Touré, den Musiker, den ich in Bamako gesehen habe. Dieser hat im einzigen Campment eine Kulturecke spendiert. In diesem Campment beschließen wir auch etwas zu essen und dann aber in der Natur zu übernachten.

Das Essen ist ok, wir haben ständig Leute am Tisch, die uns etwas verkaufen wollen aber es ist ganz ok so. Gut gesättigt richten wir uns am Stadtrand, abseits der Straße im Auto ein. Zwei Schilfmatten und unsere Iso-Matten als Unterlage und es ist nicht unbequem. Die Ladefläche ist vielleicht ein Stück zu kurz. In der Nacht werden wir von Mücken heimgesucht und so wissen wir wenigstens, was wir in den nächsten Nächten verbessern können.

Morgens besorgen wir uns in Niafounké etwas zum Frühstück, legen eine Matte an den Nigerstrand und versuchen ein nettes Picknick-Frühstück mit unserer mitgebrachten Bissap-Marmelade, welches durch den starken Wind, der viel Sand mit sich führt, vereitelt wird.

So sind wir wieder auf der Piste und peilen den Lac Fagubine an, eine große Oase in der Wüste.

Die Piste ist staubig und teilweise mit weichem Sand. Wir nehmen noch zwei junge Leute ein Stückchen (20km) mit, die am Straßenrand auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Die haben sich riesig gefreut. Zwar kommt immer mal ein Sammeltaxi vorbei, doch niemand weiß genau wann. Vor Tonka erschwert uns ein kleiner Sandsturm die Sicht und die Landschaft sieht aus, wie im Schneegestöber. Alle schützen sich und die Fenster sind geschlossen. Wir überholen viele Leute, zu Fuß mit Esel oder mit Kamel, die von der Kraft des Marktes in Tonka angezogen, aus allen Richtungen durch den Sandsturm zusammenströmen. Die Szene hat durchaus etwas biblisches und ist aus dem sicheren Auto heraus schön anzusehen.

Aus Tonka „fragen“ wir uns wieder hinaus - wieder wollen alle helfen. Die Piste geht an einer Stelle, die ich niemals alleine gefunden hätte, in alter Manier weiter. Oftmals ist es eine steinharte Wellblechpiste und das Auto wird stark beansprucht. Dann versuchen wir daneben auf Sandspuren zu fahren und können rallye-mäßig durch den Sand brettern. Das bringt Spaß - strengt aber auch ganz schön an.

An einem der vielen Dörfer auf dem Weg hält uns ein Touareg an. Er fragt, ob er bis Goundam mitkommen kann - ok - verabschiedet sich kurz von seiner Familie und steigt ein. Er erklärt uns, dass er krank ist, eine Erkältung habe und in Goundam zum Arzt will. Zum Beweis schnieft und rotzt er die ganze Zeit laut vor sich hin. Trotzdem hat er ein warmes sympathisches Wesen und tiefbraune Augen. Sie verströmen Vertrauen und Ruhe. Dass er mich noch um Geld für den Doktor bittet, nehme ich ihm nicht krumm. Außerdem hört dann auch endlich das Schniefen und Rotzen auf.

Die Umgebung Goundams besteht aus dem „Lac Fatil“ und einigen Erhebungen drum herum, die recht imposant aussehen. Goundam selbst ist ein etwas größerer Ort mit vielen „festen“ Häusern, also nicht aus Lehm. Die Straße nach Timbuktu führt über eine Brücke. Als ich sie sehe, rufe ich nur noch „Stopp, fahre bitte sofort zurück“. Angesichts einer Brücke mit Holzbalken, die lückenhaft und morsch aussehen, wo ganze Teile fehlen, habe ich echt Schiss. Ich steige aus, um die Festigkeit zu prüfen. Erst, als ein gelangweilt dreinblickender Junge meint: „Klar, das hält“,  steige ich wieder ein und wir fahren rüber.

Hinter Goundam machen wir eine Pause unter einem Baum. Dies geht Anfangs ganz gut, bis ein Buschtaxi vorbeikommt und uns alle einnebelt. Wir fahren weiter und mein Vorschlag, lieber nicht zum, bestimmt knochentrockenen, Lac Fagubine, sondern gleich nach Timbuktu durchzufahren, wird angenommen.

An der Straße sitzen drei Tuaregs und wollen mit. Ok. Sie würden gerne noch vorher Tee mit uns trinken, doch wir lehnen freundlich ab - warum eigentlich, fragen wir uns später? So laden sie ihre Säcke und Beutel ins Auto. Aus einem Beutel dringen Tierlaute und aus einem anderen laufen unzählige Ameisen heraus. Einer der drei ist plötzlich verschwunden und taucht später mit einem großen Stapel Feuerholz wieder auf. Als alles drin ist und ich mich frage, wie wir jemals all die Fliegen und Ameisen aus dem Auto herausbekommen, fahren wir weiter und die drei Tuaregs erfreuen sich daran, wie wir über die Piste brettern. Und gerade das bringt wieder so richtig Spaß.

Kurz hinter dem Ortseingang von Timbuktu lassen wir sie vor dem Haus eines Verwandten heraus, vor dem ein Rind, an einem Pfahl angebunden, liegt. Ich frage: „Das Rind ist tot, nicht wahr?“ Darauf einer unserer Fahrgäste völlig gelangweilt „Jooah, kann sein, es ist wohl tot“.

Timbuktu hat nur eine Teerstraße. Die führt vom Flughafen zum „Place d’Independence“, einem Kreisverkehr aus weichem Sand, ideal für Rallyefahrer. Eigentlich wird mit dem Stück Teerstraße nur die Wüste unterbrochen. Die ganze Stadt, und somit die Straßen, sind in den Sand gebaut. Wir entscheiden uns nach Aktenlage für das „Hotel Bouctou“, welches wir auch sofort finden und wo wir für 18.000CFA ein komfortables Zimmer in einem kühlen Gebäude, einer Karawanserei nachempfunden, bekommen. Auch hier gleicht die Anfahrt einem Schleuderkurs mit Allrad.

Ehe wir uns im Zimmer etablieren, essen wir etwas im Hotelrestaurant und schütten einige Biere in uns hinein. Dann heißt es den Staub der letzten beiden Tage wegduschen. Ach, ist das schön.

Nach einer kleinen Siesta wache ich auf und ich habe einen Nachmittagskater. Das Bier war zu viel. Ich schaffe es tatsächlich bis zum nächsten Morgen im Bett zu bleiben. Timbuktu fängt schon ganz gut an.

Der Montag bringt uns zuerst zur Polizei. Hier in Timbuktu muss man sich bei der Polizei melden und sich einen „Tampon“, einen Stempel, für den Pass geben lassen. Vorher allerdings gehen wir durch Seitengassen, vorbei an Wohnhäusern aus Lehm und der „Djinger-Ber“-Moschee. Auf der Polizei geht alles glatt. Leider scheitert der Versuch, das Büro zu fotografieren, am „Commissaire“. Der findet das nicht witzig, weil es verboten ist. Vor der Polizei läuft uns wieder Karsten aus Bamako über den Weg, mit blütenweißem Hemd, perfekt aussehend, wie es nur ein Engländer kann. Wir klönen eine Runde.

An der Teerstraße gibt es das einzige Internet-Café, wo wir dann auch satte zwei Stunden zubringen. Gegenüber gibt es eine Pâtisserie, mit einer warmen Mahlzeit und dann wieder Siesta im Hotel. Es ist sehr heiß. Nachmittags machen wir uns auf die Suche nach dem „Kleinen Markt“.

Jetzt werden wir mit der Tatsache konfrontiert, dass Timbuktu eine Stadt ist, die hauptsächlich in den Köpfen der Menschen existiert und alles dran setzt sich nicht greifen zu lassen. So ist die Stadt in europäischen Köpfen ein Mythos, etwas Magisches, ein Name, der viele Geschichten im Kopf entstehen lässt. Trotzdem ist jeglicher Versuch, einen Plan dieser Stadt zu machen, zum Scheitern verurteilt. Die Pläne in unseren Reiseführern sind allesamt voller gravierender Fehler und nur bedingt zu gebrauchen.

Kurzum: Wir haben uns verlaufen. Andererseits haben die Leute hier die Stadt ebenso im Kopf, sie brauchen keine Pläne. Wenn sie dann doch mal den Versuch dazu machen, wie die Leute in der Touristeninformation, dann können sie selbst nichts damit anfangen. So ist ein Gang durch die Stadt - ohne Führer - eine superspannende Angelegenheit und man muss immer damit rechnen mit ungewöhnlichen Dingen konfrontiert zu werden. An der Peripherie, wenn man sie so nennen will, gehen wir an den Lehmhütten vorbei, wo die Leute den Abend einläuten. Dies geschieht in einer ruhigen, angenehmen Atmosphäre. Lediglich einige Kinder nehmen uns lautstark wahr und sind dann auch kaum noch abzuschütteln. Das ist lustig.

Kurz um die Ecke tanzen Frauen auf der Straße - eine Frau wird in die Ehe verabschiedet - und so manche Frauen kommen an uns vorbeigetänzelt und laden Ruth ein, mitzumachen. Direkt daneben wird sie in einen Hof gebeten, wo eine kranke Frau liegt. Mit dieser Situation sind wir überfordert. Wir wissen nicht, was man von uns erwartet. Medikamente, Zuneigung, Zuspruch? Verwirrt gehen wir weiter, immer noch Trauben von Kindern dabei, die uns führen wollen.

Eher zufällig finden wir den Kleinen Markt, der ein kleiner Kunsthandwerkmarkt ist. Hier kann man sehen, wie so manches Stück produziert wird. Natürlich sollen wir überall die Läden leer kaufen. Zum Glück haben wir kein Geld dabei. Im letzten Laden kommen wir mit dem Inhaber, Abdul, ins Gespräch. Er hat schönen Schmuck und er zeigt uns, wie die Tuareg ihre Augen vor dem Sand mit Ruß schützen. Wir verabreden uns für den nächsten Tag.

Abends essen wir im „Hotel La Colombe“. Hier kann man nett auf einer Dachterrasse sitzen und den Tag so richtig auf sich wirken lassen.

Am heutigen Dienstag bin ich irgendwie nicht so supergut drauf. Kommt schon einmal vor.

Da wir ja am Nachmittag ein Verkaufsgespräch führen wollen, brauchen wir noch mehr Geld. Also suchen wir erst eine Bank, die auch Reiseschecks annimmt. Das geht dann ganz fix.

Beim Postamt gibt es Postkarten und Briefmarken. In der nahen Pâtisserie essen wir eine Kleinigkeit, schreiben die Postkarten und werden Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen dem Chef und einem farbigen Engländer, der in fürchterlich distinguiertem Englisch etwas an der Rechnung auszusetzen hat.

Heute wollen wir in eine Oase. Vorher fragen wir herum. Unser Portier weiß nichts. Das Büro, welches im Reiseführer als Touristeninformation verkauft wird, ist dafür gar nicht zuständig. Die gucken uns komisch an, wollen trotzdem helfen und verweisen uns weiter. Im nächsten, richtigen, Büro weiß auch keiner so recht. Dafür bekommen wir Angebote über Führungen in Timbuktu oder tolle Kamelritte zu den Tuaregs, die uns aber nicht interessieren.

Wir wollen einfach mit unserem 4x4 eine Straße nach Norden in die Wüste fahren und irgendeine Oase ansteuern. Die nächste ist 200km entfernt, für uns zu weit, und somit reicht uns auch ein Dorf. Wir lassen uns auf einem dieser unmöglichen Stadtpläne den Stadtausgang zeigen. Es bleibt also spannend. Na ja, wird schon irgendwie.

Also an der „flamme de la paix“ rechts vorbei und geradeaus. Zuerst verfahren wir uns, weil wir die „flamme“, ein typisch afrikanisches Monument des „guten“ Geschmacks, nicht finden. Dann sehe ich es zufällig, golden leuchtend, irgendwo herausragen. Als wir dann in die entsprechende Richtung fahren, verfahren wir uns wieder. Timbuktu macht es einem manchmal schwer, sich zurechtzufinden. Diese Stadt spielt mit den Fremden und beweist seine Freiheit und Unabhängigkeit. Sie bleibt für uns Europäer schwer greifbar und das macht sie so sympathisch.

Nach dem x-ten mal Durchfragen landen wir dann doch noch an der „flamme“ und befinden uns auf einer „Straße“, eher einer 200m breiten Sandpiste, in die Wüste.

Es geht über Dünen, sandige Wege, mehr oder weniger fruchtbare Senken und fast unter jedem Baum liegt ein grinsendes, ausgebleichtes Skelett eines Tieres -  Rind, Ziege oder Kamel. So geht das eine lange Zeit. Manchmal sehen wir etwas entfernt die Zelte einiger Tuaregs oder einen Tuareg auf seinem Kamel.

Nach einer Stunde erreichen wir ein kleines Dorf. Wie wir so unentschlossen mit laufendem Motor so herumstehen, taucht ein Tuareg auf und fragt, wohin wir wollen und ob wir seinen Bruder mitnehmen können. Klar. Wir entscheiden uns also dafür, dass es nun der Wüste genug ist. Der Tuareg steigt ein und mit Schwung geht es zurück, den staubigen Weg, nach Timbuktu.

Einmal treffen wir auf eine Kamelkarawane, die Salzplatten aus der Wüste transportiert. Für ein Foto sind die Karawanenführer nicht zu haben, das Bild aber behalte ich in meinem Kopf. Es hätte Postkartenqualität gehabt.

Wir machen Fahrerwechsel und als Ruth hinter dem Lenkrad sitzt guckt unser Gast etwas finster. So etwas kennt er wohl nicht. Schleuderkursmäßig kommen wir später in Timbuktu an.

Eine Siesta ist jetzt angesagt, die wir recht lange ausdehnen.

Gegen 17.00, eine Stunde später als geplant, tauchen wir bei Abdul auf. Der macht daraufhin sogar eine Bemerkung darüber. Wir sehen das ja eher afrikanisch aber er kommt augenzwinkernd mit deutscher Pünktlichkeit. So sitzen wir in seinem Laden, trinken Tee und lernen einiges über Tuaregs. Abdul erzählt viel über Wasserversorgung und Brunnenbau in der Wüste, Kamelkarawanenrouten anhand der Brunnen durch Nordafrika, verschiedene Dialekte und Tuareggruppen, Aufwachsen der Kinder und Schulbesuch und der Situation der Tuareg nach der großen Dürre von 1973.

Das Gespräch ist sehr anregend und mit meinen Französischkenntnissen gut zu machen. Der Handel geht nach dem Prinzip „marché touareg“. Es werden kleine Pakete geschnürt über deren Umfang und Preis immer wieder neu diskutiert wird. So ändert sich permanent die Ausgangssituation und man verliert leicht den Überblick. Wir schaffen es immerhin, uns auf eine Menge Schmuck zu einem akzeptablen Preis zu einigen. Das ganze dauert über zwei Stunden und ist leichter, als ich dachte.

Dafür müssen wir morgen noch einmal zur Bank. Abends essen wir aber lecker in einem Restaurant bei der „flamme“. Leicht angetüddelt geht es im Auto geradewegs durch die Gassen zurück.

 

Meine Mutter hat heute Geburtstag. Also fahren wir - fahren bringt uns nämlich Spaß - zuerst zur Pâtisserie, etwas zu frühstücken um gleich dort zu telefonieren und dort gegenüber zu surfen.

Ein Tuareg spricht uns hier an, ob er uns etwas von der Stadt zeigen kann. Wir wollen aber noch nicht.

Die Bank rückt wieder entsprechendes Geld heraus und wir sind wieder liquide. Im Hotel ruhen wir uns etwas aus, heute ist Ruth nicht so fit. Es ist sehr heiß und windig. Die Stadt liegt unter einem Staubfilm und es ist manchmal schwer, den Sand in den Zahnlücken zu verhindern.

Als wir unser Hotel verlassen, um die Stadt so richtig zu besichtigen, suchen wir uns ausnahmsweise einen Führer - diesmal wollen wir nämlich wirklich einen - und zuuuufällig taucht der Tuareg aus der Pâtisserie auf. Hier wirst Du vom Führer gefunden, nicht umgekehrt. Er heißt Tamballah und wir einigen uns auf 2.000 CFA für die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Dann taucht noch ein anderer Führer auf - vielleicht arbeiten sie auch zusammen - der gut reden kann und mit seinen zwei Krücken schneller läuft als wir. Er hat nämlich höchstens ein gesundes Bein. Dies scheint ihn aber nicht sonderlich zu stören. Er heißt Bareck.

Die beiden ergänzen sich sehr gut. Während Tamballah mit uns die „Djinger-Ber“-Moschee besichtigt, übrigens die einzige, die man besichtigen kann, passt Bareck auf unsere Schuhe auf. Und im nahen Museum übernimmt Bareck die Erklärungen, die er mit bildhaften und amüsanten Geschichten unterstreicht.

Wir sehen die Häuser in denen berühmte Entdecker gewohnt haben, bevor sie irgendwann mal in der Wüste geköpft wurden. Wir besichtigen das Haus Heinrich Barths, einem Deutschen, der wohl am bedeutendsten war und seiner Zeit mit seinen Ansichten selbst heute weit voraus war. Als Tamballah uns in ein weiteres Museum lotst und dafür Extrageld haben will, gibt es Mecker und die Situation klärt sich zu unserer Zufriedenheit rasch.

So haben wir die „wichtigsten“ Dinge auch gesehen und sind eigentlich froh, sie an das Ende unseres Timbuktu-Aufenthalts gesetzt zu haben. Überhaupt haben wir, wie wir abends im Restaurant des „Hotel La Colombe“ resümieren, einen denkbar guten Eindruck von dieser Stadt und seinen Menschen. Die Horrormeldungen von Nervereien mit „guides“, aufdringlichen Kindern und ähnlichem, die wir von anderen Reisenden gehört und auch in vielen Reiseführern gelesen hatten, können wir zum Glück nicht bestätigen. Vielleicht geht es darum, dass es so aus dem Wald schallt, wie man vorher hineingerufen hat und / oder mit welchen Erwartungen man hierher kommt. Wir haben bestimmt viel von Timbuktu gesehen, konnten uns absolut frei bewegen und hatten überhaupt keinen Stress. Die Leute, die sich vor den Hotels postieren und sich als „guide“ anbieten, waren schnell und freundlich abgewimmelt.

Nachmittags füllen wir unsere vielen leeren Wasserflaschen, die im Auto herumkullerten, mit Timbuktuwasser mit Hilfe eines Trichters, bestehend aus dem Hals einer Plastikflasche, unter der Dusche auf.

 

Unser allerletzter Tag in Timbuktu ist sehr windig und alle müssen gegen den Flugsand ankämpfen. Es ist unangenehm, da man kein Fenster öffnen kann. Wir müssen zur Bank, da unser letztes Geld zur Begleichung der Hotelrechnung draufgeht. Zusätzlich ist unser Tank schon auf dem letzten Viertel. Die einzige Tankstelle, die wir entdecken, scheint leider außer Betrieb. Bestimmt kommt noch eine andere an der Straße zum Niger. Aber, Fehlanzeige.

Auf schneller Straße erreichen wir Koriomé, einem der beiden Häfen Timbuktus. Weit und breit keine Tankstelle. Etwas ratlos sitzen wir nun so da.

Jetzt erleben wir wieder das, was man das „afrikanische Wunder“ nennen kann. Ich sehe einen Mann, der zufällig am Wegesrand sitzt und frage ihn, ob er weiß wo eine Tankstelle ist - „na ja in Timbuktu“ - oder woher man hier Diesel bekommt. „Na, klar, frag mal da vorne in der Boutique“. Tatsächlich treffe ich dort einen Mann, der mich nur fragt: „Wieviel?“. „50 Liter, was kostet der Liter?“. „450CFA“. Er schickt uns 20m die Strasse runter, wo auf einem kleinen Hof ein altes, verbeultes Ölfass steht. Mit Hilfe eines Schlauches saugen drei fleißige Helfer daraus Diesel in einen 20l-Militärkanister und anschließend selbiges mit Hilfe eines improvisierten Trichters in unseren Tank. Das dauert  etwas, weil das Ölfass ziemlich leer ist und einer es etwas kippen muss.

Mit ordentlich Sprit im Tank lassen wir uns dann noch schnell die Anlegestelle der Nigerfähre zeigen.

Am Anleger stehen drei Männer, zwei Turaeg in ihren klassischen Gewändern und ein Songhai mit Baseballkappe. Eigentlich will ich, wie bisher, zwei Leute auf der Ladefläche unterbringen, da unser Gepäck auf der Rückbank liegt. Einer der drei meint aber, die Strecke sei so schlecht, dass man es nur auf einem richtigen Sitz aushalten kann. Ein Gendarm notiert sich schnell unser Kennzeichen und die Anzahl der Passagiere und für 7.500CFA überqueren wir ein weiteres und letztes mal den Niger.

Auf der anderen Seite kommt dann auch die angedrohte Piste, weicher Sand, so weit das Auge reicht. Es holpert und schüttelt, stößt und rüttelt. Unsere Passagiere wussten natürlich, was auf sie zukommt und sind froh auf der Rückbank zu sitzen. Mehrmals wechseln Ruth und ich uns ab, da das schlittern im Sand wahnsinnig anstrengend ist. Neben der Straße überholen wir die Salzkarawane, die wir einige Tage zuvor nördlich von Timbuktu gesehen haben. Etwas später sehen wir noch eine Salzkarawane mit Eseln und eine entgegenkommende Kamelkarawane aus Burkina Faso. Einer unser Mitreisenden Turaregs, ein würdevoller Mann mit schönen Augen und Brille mit Goldrand, die er aus seinem Beutel herausfischt, klärt uns über die Karawanen auf. Das Salz kommt aus Touadenni, weit im Norden Malis - fast in Algerien. In Platten à 40kg (ca. 7.500CFA/Stück) und 4 Stück pro Kamel wird es nach Burkina Faso gebracht. Dazu braucht die Karawane 3 Wochen bis Timbuktu und weitere 2 Wochen bis Burkina. Flüsse müssen die Kamele durchschwimmen, da eine Fähre zu teuer ist. Ein Kamel schafft bis zu 50km am Tag und kostet zwischen 250.000 und 450.000CFA. Er sorgt übrigens noch dafür, dass wir eine Karawane fotografieren können.

Nach über zwei Stunden, in der Nähe von Bambara-Maoúnde, wird die Piste fest und einige Baumaschinen weisen darauf hin, das bald eine große, breite Straße nach Timbuktu führt. Die Straße fährt sich schnell, bis sie durch eine große Senke führt, die nach der Regenzeit voll Wasser ist. Zu- und Ablaufendes Wasser haben die Straße an einigen Stellen durchbrochen, so das jedes mal eine Ablaufmulde entstanden ist. Das heißt also alle 100m Vollbremsung, durch die Ablaufmulde und weiter geht es.

Am Antennenmast, der in allen größeren Ortschaften steht, erkenne ich Douentza. Hier endet die Piste und hier verläuft die Nationalstrasse von Mopti nach Gao. Unsere Mitreisenden verabschieden sich und bedanken sich überschwänglich mit allen erdenklichen Wünschen und Allahs Segen.

 Nach einer kurzen Pause mit „riz gras“ in einem kleinen Restaurant machen wir uns wieder auf den Weg. Es ist höchste Zeit, da hier die Kinder sehr aufdringlich sind. Der Wind treibt immer noch etwas Sand mit sich herum. Die Sicht ist nicht doll und nahe Berge sind kaum zu erkennen. So können wir die Besonderheit dieser Strecke, riesige Tafelberge, nur schemenhaft ausmachen.

Einige Kilometer vor Hombori, an einer stillgelegten Polizeikontrolle, werden wir gefragt, ob wir jemanden mitnehmen können. Daraus werden dann 4 Leute, die sich auf die Rückbank quetschen. Einer von ihnen, Abu, ist Musiker, frech und laut und macht mit Ruth, die ihre Flöte auspackt eine kleine Session. Die Stimmung ist klasse. Abu textet sogar ein Lied auf uns - wir verstehen natürlich kein Wort - wo er an jedem Strophen-Ende unsere Namen nennt und immer nach Tuareg-Art zu „jodeln“ anfängt. Der Wehrmutstropfen ist - und darüber ärgert sich Ruth besonders - , dass uns Abu noch beim Aussteigen um Geld anschnorrt. Das ist das Auf und Ab mit den Leuten hier.

Ich frage nach der „Hand Fatimas“, einem großen Felsen, der schon Heinrich Barth fasziniert hat. „Da seid ihr doch gerade vorbeigefahren“. Mir dämmert, im Dunst etwas gesehen zu haben. Also umdrehen und zurück. Nun sehen wir es deutlich: Eine grandiose Felsformation. Ideal für Kletterer. Im Reiseführer steht etwas über ein Campement am Fuße des Felsens. Natürlich gibt es kein Hinweisschild und wir fragen uns durch.

Es gelingt uns tatsächlich das Campment zu finden. Es liegt traumhaft unterhalb der „Hand“, hat einige Strohhütten und einen Chef, Uzman, der auch etwas zum Essen kocht und ewig lange zum Bringen einer Cola benötigt. Das schont den Geldbeutel, weil ich in der Zeit, die er dafür braucht, drei getrunken hätte. Aber Uzman lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Drei Kinder aus dem nahen Dorf kommen zu uns und versuchen uns scheußliche Untersetzer zu verkaufen. Wir können so etwas leider nicht gebrauchen, verstehen uns mit ihnen aber trotzdem prächtig.

 

Wir etablieren uns in einer Hütte, montieren ein Mosquitonetz und gehen früh schlafen. Für mich ist das die erste Nacht seit langem ohne Schweißausbrüche. Ruth ist es allerdings zu heiß.

Der nächste Morgen ist schön - die Sonne bestrahlt die „Hand“. Es sieht absolut imposant aus. Aus unserer Strohhütte heraus lauschen wir einem Gespräch zwischen Uzman - rechts von uns - und Ada, einem der Mädchen, die gestern Abend bei uns saßen - links von uns. Wir denken, die beiden sind verwandt, vielleicht Onkel und Nichte. Wir verstehen natürlich kein Wort, aber die Art des Gesprächs ist sehr interessant. Es ist das, fast emotionslose, Sprechen der Afrikaner. Sie können sich über einige Meter unterhalten ohne die Stimme zu erheben. Das klingt sehr monton und beruhigend. Als Uzman etwas länger spricht, quittiert sie seine Worte mit dem hier üblichen „Aha .... aha ....aha“.

Beim Bezahlen erwische ich Uzman bei einer allzu großzügiger Auslegung der Rechnung. Das Schlitzohr macht es aber mit einer gehörigen Portion Charme. Dafür verkaufen wir ihm unsere Schilfmatten.

Als wir aufbrechen will Ada ein Stück mitfahren. Sie sitzt mit ihrem Eimer auf der Rückbank, freut sich diebisch und versteckt sich immer, wenn andere Kinder auftauchen.

Sie kann kein französisch und wir wissen daher nicht, wo sie hin will. Sie zeigt immer nur nach vorne - geradeaus. Wir sagen: „Mopti?“. „Non, non“, sie will dann tatsächlich nur bis zur nächsten Wasserstelle kutschiert werden.

Es ist der letzte Autotag. Heute müssen wir unseren lieb gewonnenen Toyota in Mopti wieder abliefern. Leider vergessen wir, in Hombori zu tanken und hoffen, dass unser Sprit bis Douentza reicht. Nach kurzer Zeit hält uns ein Toureg an, und fährt bis nach Douentza mit. Er ist schweigsam und will uns am Ende bezahlen, was wir selbstverständlich ablehnen. Das versöhnt Ruth nach dem gestrigen Erlebnis mit Abu.

 

In Douentza bekommt unser Auto wieder Diesel und wir in einem Hotelrestaurant ein Frühstück. Das ist lecker und erstaunlich billig. Die Leute sind supernett und lesen uns fast alle Wünsche von den Augen ab. Kurz hinter Douentza nehmen wir einen jungen Mann mit, der nach Bamako will. Nach einem weiteren Drittel der Strecke nach Mopti hält uns ein weiterer Mann an, der fragt, ob wir ihn und seinen Bruder nach Mopti mitnehmen.

„Wo ist denn Dein Bruder?“ Unter einer Decke liegt zusammengekauert ein junger Mann. „Er ist ’malade’“. „Was hat er denn?“. Der Mann spricht fast kein französisch und klopft dafür auf seinen Lunge. Also rein mit ihm. Der Mann schleppt den Jungen ins Auto. Der kann nicht alleine laufen, bekommt seine Augen nicht richtig auf und ist völlig fiebrig und hilflos. Wenn das mal gut geht.

Zuerst unterhalten sich die beiden gesunden Männer noch ganz angeregt während der Junge unter einem Tuch vor sich hin dämmert. Das beruhigt mich - kann dann wohl doch nicht so schlimm sein. Dann fängt der Junge an zu husten, verkrampft sich, verdreht die Augen, starr aufgerissen und bekommt sie alleine gar nicht mehr zu. Ruth macht Taschentücher voll Wasser, um die Stirn zu kühlen. Er beruhigt sich etwas und bekommt wieder das Tuch über den Kopf. Im Rückspiegel beobachte ich den Bruder. Ein Gesicht voller Angst. „Kerl, gib Stoff“, sagt Ruth. Also brause ich mit Höchstgeschwindigkeit los. Der nächste Ort mit Krankenhaus ist Mopti und über 100km entfernt (!!!). Trotzdem versuche ich so schnell es geht, Mopti zu erreichen.

Dies geht oft nur mit gewagten Überholmanövern. Polizeikontrollen umfahre ich haarscharf  - kurz runter von der Straße - schnell wieder rauf auf die Straße. Zwischendurch versuche ich aus dem Gesicht des Bruders etwas über den Zustand des Jungen zu erfahren. Aber es ist jetzt völlig ausdruckslos und in sich gekehrt. Mir scheint es fast so, als ob es zu spät und der Junge schon tot wäre. Viel zu schnell, andere Autos mit der Hupe an die Seite drängend, fressen wir die Kilometer. Die Zeit kriecht und mir kommt es vor, als kommen wir kaum voran. Die Landschaft ändert sich kaum und ich fühle mich ohnmächtig, behalte aber die Ruhe. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht schon seit einiger Zeit eine Leiche durch die Gegend fahren.

In Sévaré steigt unser erster Passagier schnell aus und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit fahren wir in Mopti rein. Der Bruder lotst uns - aber nicht, wie wir zuerst annahmen in ein Krankenhaus, sondern zu seinen Leuten in einen abgelegenen Stadtteil Moptis. Er trägt seinen Bruder aus dem Auto ins Haus (das Tuch fällt runter - ein Auge ist geschlossen - das andere weit aufgerissen). Er ist so steif, dass mit dem Kopf am Türrahmen stößt.

Wir stehen ziemlich hilflos da und wissen nicht so recht, was das alles soll. Ich versuche herauszubekommen, ob der Junge lebt und wir mit Medikamenten oder Geld helfen können. Aber kaum einer spricht hier französisch um uns die Situation zu erklären. Endlich kommt jemand, zuerst abweisend und anschließend zugänglicher, der uns wenigstens sagt, dass der Junge noch lebt, hier gut aufgehoben ist, man die Medizin der Franzosen ablehnt und auf die Medizin der Bambara vertraut. Ab jetzt können wir nichts mehr tun. Der Junge ist bei seinen Leuten, die würden ihn niemals herausgeben und das ist ja auch vielleicht besser so. Es kann doch niemand sagen, dass die im Krankenhaus besser helfen können. Aus dem Haus ist dann aber schon Klagegesang zu vernehmen. Spätestens jetzt wissen wir, dass er bereits tot war.

Nachdem wir unsere Wasserflaschensammlung bei den Leuten gelassen haben, fahren wir ziemlich verstört - und langsamer - nach Sévaré. Hier wollen wir uns im „Mankan Te - Bred und Breakfast“ einquartieren. Das Auto lassen wir gründlich waschen und bringen es nach einer unruhigen Siesta zurück nach Mopti, um es einfach nur abzugeben. „Hier ist das Auto ... und tschüß“ - ich hätte auch sonstwas in irgendeinem Zustand bei denen abgeben können.

Mit einem völlig kaputten Taxi, das maximal Schritt-Tempo erreicht, und fast unserem letzten Geld fahren wir zurück, machen Kassensturz und werden bis Montag in Sévaré bleiben, da wir beinahe Pleite sind und vorher keine Bank erreichen.

Mit Jutta, unserer Gastgeberin, trinken wir noch einige Bier auf Pump, essen preiswert in ihrem Restaurant und freuen uns auf ein Wochenende absoluter Erholung, Buch lesen und mal wieder ins Cyber-Café. Das braucht man schon einmal und außerdem kann ich auch noch Jutta etwas bei ihrer WebSite helfen. Es ist überhaupt sehr schön mit und bei Ihr und ihr „Hotel Mankan Te“ ist unbedingt zu empfehlen.

Montag früh wollen wir nach Mopti, neues Geld holen. Auf dem Weg zum Platz, wo die Taxis halten, kommt plötzlich ein junger Mann auf uns zu gewankt, ist aggressiv und greift nach uns. Ich stelle mich ihm in den Weg, fühle mich aber nicht so recht wohl dabei. Der Junge hat einige blutige Kopfverbände, bewegt sich in Trance und sabbert herum. Wer weiß, womit der einen ansteckt. Ich bin froh, als mir an paar Leute zur Hilfe kommen.

Ein Taxi bringt uns anschließend nach Mopti. Bei der Bank BDM kennen sie Visa und Master-Card. So bringen wir einen großen Batzen Geld ins Hotel zurück.

Dienstag morgen schnappen wir uns unsere Rucksäcke, mieten uns einen Mann mit der hier üblichen „Schubkarre“ und trotten gemütlich zum „gare routière“.

Mit einem „Baché“, einem Peugeot-Pickup, wo man auf der überdachten Ladefläche auf harten Bänken sitzt, fahren wir nach Bandiagara. Hier mieten wir uns für eine Nacht im „Hotel de Village“ ein, einem billigen (4.000CFA) und netten Schuppen mit Gemeinschaftsplumpsklo und -dusche. Das Zimmer ist ganz ok, leider wird hier nachts der Strom abgestellt und somit wird es entsprechend heiß.

In dem Hotel werden wir natürlich erwartet. Zum einen von einigen „guides“ und zum anderen von Leuten, die Notwendiges und Nützliches für eine Wanderung verkaufen. Nach einiger Diskussion, immer mit Hinweis auf unsere knappe Kasse, werden wir mit Adjouro Dolo handelseinig, der mit uns vier Tage unterwegs sein wird. Ich setze für unsere Tour einen Vertrag auf. Langsam habe ich ja Übung mit französischen Verträgen.

Ein anderer organisiert für uns Kolanüsse, die hier nur sein Großvater - ein anderer Kautabak, den nur seine Großmutter verkauft. So werden wir doch mehr Geld, als geplant, los. Das Abendessen nehmen wir feist bei Rotwein im Hotel „Cheval Blanc“ ein. Die Nacht wird, wie schon berichtet, hart.

Früh morgens, nach dem Frühstück, holt uns Adjouro mit einem Taxi ab. Die Strasse nach Sanga geht berg- und talmäßig zum Rand der „Falaise de Bandiagara“, einer Abbruchkante eines Hochplateaus. Dauernd durchqueren wir Furten, die ganze Gegend wird nach der Regenzeit völlig überschwemmt.

In Sanga trinken wir kurz etwas in einem Restaurant und Adjouro beginnt mit seiner Führung. Er ist sehr nett und zuvorkommend, spricht aber ein etwas undeutliches Französisch und schafft es leider nicht, einen Satz, von dem er weiß, dass ich ihn nicht verstanden habe, neu zu bilden. Das erschwert die Kommunikation.

Er zeigt uns seine Stadt - Sanga - die verschiedenen Viertel, die Opfer und „Orakel“-Plätze, eine Grotte, die man durchqueren kann und in der man uns tourimäßig ein Ständchen bringt, und er erzählt uns wann und wieviel Kolanüsse man wem gibt. Am Rand der Falaise haben wir einen sagenhaften Blick bis nach Burkina Faso. Wir steigen hinab, die Sonne knallt und wir bekommen eine gewisse Vorstellung der nächsten Tage. In Banani, etwas unterhalb machen wir eine ausgedehnte Mittagspause. Jedes Dorf hat ein oder zwei kleine, einfache aber gemütliche Campments. Hier kann man gut relaxen, wenn der Wind weht und abends etwas Kühlung bringt.

Ein „guide“, der mit uns mitgelaufen ist, und den ich für einen Partner Adjouros gehalten habe, erschleicht sich von mir Geld, worüber ich mich ärgere.

Wir laufen noch ganz hinunter in die Tiefebene bis Ireli. Hier ist das Campment auch nett, wir sind die einzigen Gäste und wir schlafen auf dem Dach. Es bläst ein stetiger, staubiger, trockener und warmer Wind - aber es geht. Im Morgengrauen werden wir von rebellischen Hähnen und ekstatischen Eseln aus dem Schlaf gerissen. Zebu-Rinder laufen aus allen Ecken des Dorfes ins Tal auf eine ihnen bekannte Stelle zu, von der sie dann auf die Weide getrieben werden.

Ich muss kotzen, habe Durchfall, das Bisap-Marmeladenglas in meinem Rucksack läuft aus und die Batterie meiner Kamera ist leer. Kurz: Es ist nicht mein Tag - obwohl das mit der Batterie zum Glück nicht so schlimm ist.

So ist die heutige Etappe besonders hart für mich. Adjouros Erklärungen gehen oft an mir vorbei und entsprechend einsilbig fallen die Übersetzungen für Ruth aus. Zumindest kann ich jetzt Erfahrungen über das eine oder andere Plumpsklo sammeln. Diese sind eigentlich gar nicht so schlimm. Es ist ein dachloser Raum - Scheißen unter Sternen - mit einem Loch in der Mitte, auf dem ein Holzdeckel liegt. Also: Nase zu und durch.

Die Hitze macht mir schwer zu schaffen und ich bin froh, wenn ich meinen Kopf unter eine Wasserpumpe halten kann und als wir nach 2-3 Stunden Tireli, unser Pausen- und Nachtdomizil erreichen. Zwischendurch „besichtigen“ wir noch ein Becken mit „heiligen“ Krokodilen. Es sind tatsächlich ein paar zu sehen. Sie sollen sehr groß sein - für mich haben sie aber eher das Format für Handtaschen.

Auch in Tireli ist es nett - wir logieren auf dem Dach (die Treppe hat kein Geländer und man kann leicht ins Leere fallen). Es ist aber sehr heiß und die Luft bringt auch ohne Sonne kaum Abkühlung. Ich mache mir darüber Gedanken, ob es nicht die falsche Jahreszeit für diese Gegend ist und mache mir ernsthaft Sorgen über mein weiteres Fortkommen. Wird es in Burkina auch so heiß? Soll ich nicht lieber doch woanders hinfahren? Fragen über Fragen. Ich denke alle möglichen Alternativen durch.


Ich bin ungnädig und Adjouro und ich reden oftmals aneinander vorbei. Wir sind dann beide miteinander ungeduldig. Leider kann Adjouro auch nicht seinen Teil mit anderen Worten bringen - mein Wortschatz ist einfach eingeschränkt. Das bringt so manchen überflüssigen, weil stets wiederholenden, Wortwechsel hervor.

Zum Beispiel bitte ich ihn, für den nächsten Tag einen Esels- oder Ochsenkarren zu organisieren und er liegt mir in den Ohren, das es natürlich kein Problem ist, der Weg durch den Sand aber schwerer ist. Die Antwort habe ich zwar verstanden, bloß nicht sein Problem. Also frage ich noch mal und bekomme die gleiche Antwort. Oh Mann, wen interessiert das? Als er es dann endlich kapiert, dass ich es ja schließlich auch bezahle, organisiert er alles  für uns.

Abends sitzen wir wieder auf unserem Dach und beobachten, wie die Rinder, wie nach Schichtende, gemeinsam zum Dorf zurückkehren - als wären sie mit dem selben Bus gekommen - und einzeln und alleine zu ihren Ställen zurückkehren.

Die Nacht wird angenehm kühl aber ich kann bzw. will keine Plumpsklos mehr riechen.

In den Abendstunden werden wir noch Ohrenzeuge, wie ein Mann lautstark, für jeden im Dorf hörbar, am Versammlungsplatz eine Klage vorbringt. Für die Zeit seiner Ansprache hören auch bei uns alle Privatunterhaltungen auf.

Nachts erschüttern Sprengungen die Abendstille - für neue Steine zum Hausbau. Hierzu wird Schwarzpulver in vorgebohrte Löcher geschüttet und mit einer Lunte versehen. Die Sprengungen werden schon tagsüber vorbereitet - wir selbst hätten, so nebenbei, eine auslösen können. Die Lunten sind öffentlich.

Morgens ist es mit den Rindern übrigens umgekehrt: Die Rinder laufen jedes für sich zu einem Unterstand - einer Bushaltestelle gleich - um von dort gemeinsam zur Weide - zur Arbeit - zu gehen. Diesmal bringt ein Rind diesen Unterstand mit seinem Hintern zum Einsturz.

Der anschließende Tag wird sehr nett. Adouro organisiert einen Ochsenkarren und fährt sogar ein Stück mit. Dieser Schlumpf. Gestern hat er sich noch strikt geweigert. Es bringt Spaß, sich durch die Gegend kutschieren zu lassen.

Die Falaise zieht in Cinemascope an einem vorbei und man hat ein Auge für Details, wie z.B. die kleinen Höhlen in der Felswand, die früheren Behausungen der Telem, einem Pygmäenvolk, das von den Dogon vertrieben wurde. (Hierzu haben sie einfach den nahen Wald mit Stumpf und Stiel abgeholzt und den Telem die Lebensgrundlage entzogen).

In Tireli müssen wir ein kleines Stück zu Fuß zum Campment hinauf. Das ist für mich sehr anstrengend und ich komme völlig fertig oben an. Das Campment ist ebenfalls sehr nett. Ein junger Mann stellt seinen Kassettenrekorder auf und spielt uns traditionelle Dogon-Musik vor. Ruth hört interessiert zu. Es scheinen hier drei verschiedene Rythmen gleichzeitig zu laufen. Das klingt hochkompliziert. Bei näherem Hinhören ist zumindest ein Rhythmus ein Defekt im Gerät. Passt aber irgendwie.

Sonst ist es hier wie fast überall: Der Boden ist beheizt, die Wände und Möbel ebenso und die Luft kommt aus einem Heißluftföhn. Von Erfrischung keine Spur. Außerdem bekomme ich seit gestern, unter den strengen Augen Adjouros nur noch trockene Nahrung zu essen. Er ist rührig besorgt um mich und nennt mich, etwas frech, „Grandpère“.

Gegen Abend bewölkt sich der Himmel und wird alle paar Minuten von Blitzen durchzogen, die aber zumindest himmelsmäßig keine Konsequenzen nach sich ziehen. Der einzige der antwortet, wie in einem eingespielten Team, ist mein Verdauungstrakt. Nach jedem Blitz folgt ein Grummeln - die ganze Nacht.

Zuerst liegen wir unter einem Strohdach. Ruth ist es zu heiß und sie zieht auf ein Dach um, was mir, wegen meiner Plumpsklo-Ausflüge, zu haarig ist. Dann fängt es auch noch an zu regnen - erst ein wenig und dann etwas mehr. Wir müssen in ein überdachtes Zimmer umziehen, wo die Luft noch stickiger ist. Der Regen erfrischt die Luft nicht wirklich.

Ziemlich gerädert stehen wir morgens auf, frühstücken, ordern einen Träger und machen uns auf den Aufstieg auf die Hochebene, nach Douro.

Jedenfalls ist jetzt mein Durchfall vorbei. Bye bye, Plumpsklo !!!

Der Weg ist klasse, unserer Träger trägt beide Rucksäcke. Als ihm seine Badelatschen(!) kaputt gehen, schenke ich ihm meine (die aus dem Senegal).

Der Weg führt stetig aufwärts durch lange Kamine und Schluchten. Über eine weite, felsige, aber glatte Hochebene erreichen wir Douro. Ruth handelt und kauft noch eine hübsche Indigo-Decke und ich mache jede Menge guter Fotos, wobei uns Adjouro immer sagt, wo gute Motive sind und es keiner von den Leuten hier mitbekommt - das spart echtes Geld.

Er verteilt dafür großzügig die mitgeführten Kolanüsse und Kautabak-Bällchen.

In Bandiagara holen wir kurz unser deponiertes Gepäcke aus dem „Village“ und checken im komfortableren „Cheval Blanc“ ein. Hier gibt es sogar ein kleines Schwimmbad. Abends treffen wir uns kurz mit Adjouro, der uns nicht nur Geschenke mitbringt, sondern uns für Sonntag noch einen Ausflug nach Songho andreht.

Die Nacht ist erst, wegen der Aircondition, sehr schön und später, nachdem der  Strom abgestellt wurde, bescheiden. Besonders weil ich die Zimmertür öffnen muss, um Frischluft hineinzulassen, vor der ein Mückenkommando auf mich lauert. Das ist endgültig zuviel für mich. Ruth hat die Situation im Griff und wir kommen unter einem Mosquitonetz zum Schlafen.

Den nächsten Tag nutze ich mal wieder zum Schreiben. Ruth geht es diesmal nicht so gut und so beschließe ich den Ausflug nach Songho abzusagen. So verbringen wir einen Tag im kühlen Zimmer. In der Hotellounge läuft jetzt permanent der Fernseher. Der Irakkrieg ist in vollem Gange.

Nachts, wahrscheinlich habe ich schlecht geträumt, bin ich völlig verpennt im dunkeln zum Klo gelaufen, habe die drei Stufen vergessen und bleibe mit der Hacke an der Kante der untersten Stufe hängen, als ich auf das Waschbecken zustürze. Unter der Hornhautkappe entsteht ein blutender Riss. Scheiße !!! Ruth muss mal wieder die Situation retten und mich verarzten. Mir wird beim Anblick meines Fußes sogar etwas schlecht.  Ruth verbindet mich, ich humpel zum Bett und schaffe es dann doch noch etwas zu schlafen. Am meisten ärgere ich mich über mich selbst. Soviel Dummheit gehört wohl bestraft. Die Wunde sieht schlimm aus und ich hoffe, dass sie gut verheilt. Als wir noch etwas Desinfektionsmittel auf die Wunde tun, gehe ich kurz an die Decke. Nun weiß ich: Sie wird verheilen. In meinem Kopf spielen sich aber trotzdem verschiedene Panikszenarien ab und ich stelle alles mögliche in Frage.

So bin ich ab jetzt leicht gehbehindert, spekuliere im Hotel auf Mitgefühl („Ach, wie ist denn das passiert? - bestimmt am Pool ausgerutscht“) und wir bleiben noch einen Tag länger. Wir verpassen jetzt zwar den Markttag in Djenne, aber ich kann mich wenigstens noch etwas schonen und mich mit meinem Fuß arrangieren. Ruth kommt es auch nicht ungelegen. Wir haben jetzt noch ausreichend Zeit um noch etwas im einzigen, kleinen Cyber-Cafe in Bandiagara zu surfen. Hier steht ein einsamer PC in einem einfachen Haus und die Verbindung ist grottenlangsam. Wenigstens können wir die Informationen über den Krieg, den wir bisher nur im französischen Fernsehen verfolgen konnten, auf deutsch nachlesen. Jetzt sind wir wieder up to date.

Vom Hotel aus gelingt es mir noch - mehr schlecht als recht - in Djenne ein Hotelzimmer zu reservieren.

 

Die dritte und letzte Nacht ist sehr angenehm. Seit gestern läuft nachts ein Aggregat.

Unsere Sachen sind schnell gepackt und ich schaffe es sogar, meinen lädierten Fuß vorsichtig in einen Wanderschuh zu stecken. Jetzt fühle ich mich sicher.

Der Patron des Hotels nimmt uns mit seinem Range Rover zum Gare Routière mit. Er ist überhaupt sehr freundlich.

Dort angekommen stehen keine wartenden Leute rum. Man bietet uns an, für etwas mehr Geld ein eigenes Taxi zu mieten. Ich willige ein, da ich sonst mit langer Wartezeit rechne. So zuckeln wir gemütlich nach Mopti, die Landschaft ist schön und die Straße ist leer. In Mopti bringt uns der Fahrer bis zur Bank. Er möchte gerne auf uns warten und uns noch bis nach Djenne bringen (zu was für einen Preis?) und er behauptet, heute fährt dahin gar kein Busch-Taxi. Darauf lasse ich mich aber nicht ein und lasse ihn ziehen.

In der Bank dauert es recht lange und ich bin froh, die schnelle Lösung nach Mopti genommen zu haben. Mit dem regulären Busch-Taxi wären wir noch gar nicht da.

Wir gehen zum Gare Routière und werden wieder von Leuten bearbeitet, die behaupten es gibt keine Busch-Taxis nach Djenne und wir sollten für 25.000 CFA ihres nehmen. Ich glaub es nicht und suche auf eigene Faust weiter. Natürlich gibt es eines bzw. mehrere. Man muss nur Ruhe und Geduld haben. Für zusammen 7.000 CFA inklusive Gepäck, erstehe ich den Beifahrersitz. Dieser wird immer mit zwei Personen belegt. Wir warten zwar ungefähr noch eine Stunde, bis das Taxi mit 9 Fahrgästen belegt ist, haben dafür aber ne Menge Geld gespart. Die Wartezeit überbrücken wir mit Obstessen und T-Shirt-Kauf. Meine T-Shirts haben nämlich in der letzten Zeit sehr gelitten und schreien danach, ausgesondert zu werden. Das Taxi wird derweil beladen. Auf das Dach werden lange Stahlbänder geschoben, die vorn bis zum Bug und hinten ein ganzes Stück rausragen. Die Ladefläche bleibt einem Volk Perlhühner vorbehalten.

Der Motor wird angelassen. Dafür braucht man zwei Leute, weil immer einer den Anlasser am Motor direkt einschalten muss. Bis zum Anlasser reicht das Zündschloss nicht mehr. Spätestens nach dem dritten mal geht das aber auch nicht mehr - die Batterie ist alle. Drei Männer von der ersten Rückbank müssen schieben. Die Motorhaube muss trotzdem dauernd geöffnet werden, da der Kühler leckt. Dazu hält der Fahrer einen ehemaligen Ölkanister - mit Wasser gefüllt - abwechselnd über den Kühler und sich an den Mund - als Trinkwasser. Auf der hinteren Rückbank sitzen drei Frauen mit zwei Kindern. Eines schreit und unser Fahrer regt sich darüber auf und fordert Ruhe. Dafür fängt er sich fast eine.

Die Fahrt ist sonst eintönig, abgesehen von einigen Stopps. Bei einigen solcher Anlässe wären gerne einmal die Leute auf den Rückbänken ausgestiegen. Leider gelingt es mir nicht die beiden hinteren Türen zu öffnen. Dies geht nur bei einer und nur mit Trick.

Wir fahren in langsamen Tempo, weil das Auto eine kaputte Kupplung hat und bei jedem der vielen Orte mit den Tempo-Drossel-Bodenwellen fast zum Stillstand kommt. Nach ca. 70km erreichen wir endlich die Kreuzung nach Djenne. Hier taucht wieder eine Uniform auf und kassiert von uns, also ausschließlich von den Weißen, eine Tourismus-Förderungs-Gebühr von jeweils 1.000CFA. Na ja, dafür bekommen wir wenigstens eine Art Eintrittskarte mit einem Bildchen drauf. Die Knete wird die Uniform wohl für sich behalten.

Eine Frau steigt wenig später aus und nach einigen Kilometern haben wir einen Platten.

Es gibt zwar ein Reserverad und einen Wagenheber, es fehlt aber die Kurbel dazu. Da der Wagen völlig verrostet ist, fehlt auch ein geeigneter Punkt zum Ansetzen. Die einzige Möglichkeit ist hier die Achse selbst. So versucht unser Fahrer den Wagenheber unter dem Wagen mit einer Flachzange hoch zu fummeln. Das kann Stunden dauern, zumal sich das Ding kaum bewegen lässt. Die Passagiere warten derweil im Schatten oder stehen doof herum. Einige Autos kommen vorbei. Warum hält unser Fahrer denn kein anderes Auto an. Als ein Mercedes stoppt, lassen die sogar ihren Wagenheber samt Kurbel da und fahren weiter. Jetzt geht es schneller. Dafür ist jetzt die Luft aus dem zweiten Hinterrad heraus. Ein Mofafahrer fährt vorbei und muss eine Luftpumpe holen. Wieder zurück wird dann der Reifen aufgepumpt, wobei erst die Pumpe repariert und das Reifenventil mit Tesafilm abgedichtet werden muss.

Es gelingt, etwas Druck auf den Reifen zu bekommen. So wird schnell der Kühler, der jetzt gänzlich leer ist, mit Wasser aufgefüllt, der Wagen angeschoben und weiter geht es.

Ein rhythmisches Geräusch klingt nicht so gut. Wir fahren besser noch langsamer. Wir erreichen einen Damm über den Bani und ruckeln nach kurzer Pause langsam rüber. Das Geräusch wird lauter und lauter. Kurz hinter dem Ortseingang von Djenne gibt es einen Knall und der Wagen sackt hinten links weg. Mitten auf der Straße bleiben wir stehen und das linke Hinterrad liegt etwas abseits. Aus der Radhalterung sind zwei von vier Bolzen herausgerissen und in der Felge sind alle Löcher herausgefräst. Schrott !!!

Da steht das Auto da, wie ein gestrandeter Wal. Der Fahrer guckt höchst unglücklich, kann aber trotzdem bald schon wieder lachen.

Zum Glück sind wir ja fast schon da. Glücklich erreichen wir Djenne und das „Campment Hotel“. Auf dem Weg dahin fragen wir uns etwas durch und sind auch schon bald in Begleitung einiger „guides“. Einer bleibt irgendwie dabei und so finden wir unser Hotel. Ehe ich sagen kann was ich will und wer ich bin, werde ich schon mit „Bonjour Monsieur Kolläär“ begrüßt.

Die haben sich meine gestrige Reservierung gemerkt. Es ist schon witzig von allen Leuten hier mit Namen begrüßt zu werden. Mit unserem „guide“, er heißt Doura Cissé, verabrede ich mich kurzerhand für eine Führung am morgigen Tag

Das Zimmer ist klimatisiert, hat ein Bad und eine (oder mehrere?) Maus. Diese hat sich bereits an verschiedenen Stellen ködelmäßig verewigt. Im Restaurant „Le Fleuve“ essen wir etwas zu Abend. Es ist nicht so doll, ein Generator macht zu viel Lärm und die Straße riecht nach Fäkalien. Wir schaffen gerade noch ein Absacker-Bier und gehen ins Zimmer. Ruth kontrolliert noch meinen Fuß, der diese Nacht mal im Freien, also ohne Verband, schlafen darf.

Das Frühstück ist ganz ok. Doura ist pünktlich und wir machen unsere Runde durch Djenne. Wir sehen viele Seitengassen, vorbei an den Abwasserrinnen und stets auf der Hut, mit irgendwelchen Fäkalien von oben beglückt zu werden. Abwassertechnisch ist das hier Mittelalter. Wir sehen die berühmte Moschee von allen Seiten mit detaillierten Informationen über die Beschaffenheit des Lehms (melange avec de riz = Lehm mit Reis) und wie sie einmal im Jahr von tausend und mehr fleißigen Leuten repariert wird. Vor allen Eingängen, mehrere an allen Seiten, stehen Metall-Schilder - einige halb verrostet und schwer lesbar - auf denen Nichtmoslems der Zutritt zur Moschee verweigert wird. Doura zeigt uns Werkstätten, Haushalte, ganze Manufakturen, wo die Dinge des täglichen Bedarfs produziert werden. Ruth darf in diesem Zusammenhang auch mal kurz den Hirsestampfer schwingen. In einer Seitenstraße zeigt uns Doura eine Metallwerkstatt mit dem stolzen Hinweis, dass hier die „verrosteten“ Blechschilder rund um die Moschee hergestellt wurden. Na ja. Und hier treffen wir unseren Fahrer von gestern wieder. Er repariert sein Auto - oder Teile davon - und begrüßt uns wie alte Freunde.

Später sehen wir Kinder, die in einer der vielen Koranschulen, für jede Ethnie eine, irgendwelche Suren auf einem Holzbrett abmalen und den Bürgermeister, der mit einigen Getreuen unter einem schattigen Baum seinen wichtigen Geschäften nachgeht. Na ja, er ist zumindest wach.

Von einem Dach haben wir einen schönen Blick über die Dächer von Djenne; wir erkennen jetzt „reiche“ Häuser von weitem an seinen vielgezackten Dächern und in einer Schmuckschmiede und einer Stoffmanufaktur kaufen wir das eine oder andere Andenken.

Anschließend im Hotel haben wir noch eine kleine Diskussion über das Schulsystem in Mali, wobei mir dann doch aufstößt, dass die Kinder länger in der Koranschule sind, als in der „normalen“ Schule, wo sie Lesen, Schreiben, Rechnen und vieles mehr lernen können. Aber da habe ich natürlich wieder europäische „Vernunft“-Maßstäbe. Für so viel Religion habe ich einfach kein Verständnis

Den Rest des Tages erholen wir uns und schreiben etwas. Doura sagte uns, dass am späten Nachmittag ein Buschtaxi in Djenne ankommt und am nächsten frühen Morgen wieder nach Segou abfährt und, dass wir schon heute dafür Karten kaufen können. Also befinden wir uns schon wieder auf dem Markt, direkt an der Moschee, und suchen das Auto. Es kommt erst am Abend und einige freundliche Helfer bieten uns an, uns Bescheid zu sagen, wenn es ankommt, was sie auch tun - natürlich für ein kleines cadeau. Am Abend haben wir dann unsere Tickets für einen Kleinbus.

Leider wird der Abfahrtstermin auf 7.00 Uhr festgesetzt. Dies ist  natürlich fiktiv, wir wissen aber leider nicht wieviel später der Wagen losfährt. Also stehen wir früh auf, drängeln beim Frühstück und begleichen die Hotelrechnung, wobei es ein Missverständnis mit dem Preis gibt, weshalb ich mich etwas aufrege. Auf dem Markt dürfen wir dann 2,5 Stunden warten, ehe das Taxi endlich losfährt. So haben wir noch ausreichend Gelegenheit, das morgendliche Treiben zu beobachten. Einige Straßenjungen betteln nach Nahrung. Als eine Frau eine große Reisschüssel bereitstellt, stürzen sie sich darauf wie eine Meute hungriger Raubtiere. Doura kommt noch vorbei um uns zu verabschieden.

Ehe wir aber richtig losfahren wird das Taxi so richtig voll gestopft und die Passagiere dürfen in der Enge warten, bis die letzten Formalitäten erledigt sind. Man lässt sich Zeit, es muss erst einmal eine Passagierliste kontrolliert und lange herumlamentiert werden. Ehe man uns weich kocht, nerve ich etwas herum, um ein bisschen Schwung in die Sache zu bringen. Leider komme ich nicht an die Hupe.

Wir sind dann 20 Erwachsene, ca. 4 Kinder plus 1 Fahrer in einem Toyota Kleinbus. Der Packer muss aufs Dach und gesellt sich zeitweilig, wenn Polizei in Sicht ist, als fünfte Person in unsere Reihe. Dafür bezieht er fast Prügel von einem Mitreisenden, der wenig Lust hat, einen Mann auf seinem Schoß zu ertragen. Es ist also supereng, man sitzt immer nur auf einer Backe und für jede Pause sind wir dankbar. Jetzt weiß ich, warum so viele Leute in Mali einen Hüftschaden haben: Sie fahren zuviel Buschtaxi.

Vorgestern haben wir den Bani noch über einen Damm überquert - heute müssen wir eine Fähre nehmen, die nur mühsam ablegen kann. Zu wenig Wasser unter dem Rumpf. Alle Leute nach vorne und los geht es.

Gegen Mittag erreichen wir Segou und lassen uns per Taxi zum Hotel „Djoliba“ bringen, das wir ja schon gut kennen. Als wir nach einer Erfrischung etwas Siesta halten wollen, klingelt das Zimmertelefon und ein Angestellter teilt uns mit, das unser Taxifahrer von eben noch einmal zurückgekehrt ist, weil wir unsere Strohhüte vergessen haben, die er dann an der Rezeption abgab. Er ist tatsächlich anschließend weggefahren ohne dafür etwas haben zu wollen. Kaum zu glauben, aber wahr.

Nach einer besonders guten Siesta gehen wir noch einmal shopping. Ruth möchte sich aus einem der hier üblichen Stoffe einen Satz Bettwäsche nähen lassen.

Beim Verlassen des Hotels lauern uns schon Moussa und Abubakar, zwei kleine Schuhputzer, auf und schaffen es tatsächlich mit viel Charme und Creme meine Schuhe zu putzen. Ich war doch so stolz auf den Wüstenstaub. Ruth sucht derweil nach Stoffen. Später, in einem anderen Geschäft, werden wir fündig und treten wieder einmal in eine lange Verhandlungsphase, die wir mit beiderseitigem Spaß hinter uns bringen. Man muss einfach immer reden, viel Übertreiben (wir haben angeblich 5 Kinder zu ernähren) und Unsinn erzählen, dass alle etwas zum Lachen haben. Das lockert die Atmosphäre und man kann sehr persönlich („mon ami“) den Preis diskutieren. Der Patron verschiebt dafür sogar seinen Feierabend.

Schräg gegenüber ist noch eine Schneiderwerkstatt offen, es ist ja schon recht spät, aber der Schneider spricht keine Silbe französisch. Er holt sich Hilfe in Person eines stattlichen, gut situierten Mannes, der uns wie sein Lehrmeister vorkommt - zumindest seinen Respekt abverlangt. Der hört sich unsere Vorstellungen an - die Stoffe müssen noch aufwändig umgearbeitet werden - und erklärt sie ruhig und kompetent dem Schneider. Von Ton und Gestik ist es für uns die Lehrstunde eines Schneidermeisters. Die Anweisungen kommen detailliert und er sagt dem Schneider auch, welchen Preis er dafür verlangen soll. Wir werden uns einig und begleiten dem Herrn ein Stück. Auf meine Frage, woher er denn seine Kenntnisse hat antwortet er: „Gar nicht, ich bin nur der Chef vom Restaurant ’Le Golfe’“, vor dem wir gerade stehen. Verblüffend, ich hatte ihn tatsächlich für seinen Meister gehalten.

Den Abend lassen wir mit einem leckeren Essen und etwas zuviel Alkohol ausklingen.

Morgens kommen wir etwas schwer hoch, genießen trotzdem das Frühstück und machen noch etwas Souvenir-Shopping. Das eine oder andere finden wir noch, trinken noch etwas am „Hotel L’Esplanade“ am Niger, der sich heute in schönstem Licht präsentiert. Ich beschließe, einen Friseur aufzusuchen und bekommen einen superkurzen Korea-Sturmschnitt verpasst. Echt schnittig. Beeindruckend ist, dass der Friseur das Ganze mit einer Handschneideschere, ganz akkurat, hinbekommt.

Beim Schneider holen wir noch die Bettwäsche, die tatsächlich beinahe unseren Vorstellungen entspricht und gehen dann noch eine Runde im Internet surfen. Es ist mal wieder ein Rundbrief fällig und der braucht immer sehr viel Zeit. Dieses mal sitzen neben mir zwei Japaner, die lautstark über das Internet telefonieren. Der Café-Betreiberin erkläre ich wie man die PC-Mäuse gelegentlich mal reinigt, damit die Freude am Surfen noch größer wird. Die Verbindung ist hier nach wie vor die beste Afrikas.

Abends suchen wir eine Galerie im Souvenirviertel auf, wo preiswerte Stoffmalereien mit traditionellen und modernen Motiven zu erstehen sind.

Eigentlich wollten wir noch den Sonnenuntergang am Niger erleben - durch den ausgedehnten Besuch der Galerie schaffen wir es nur im dunkeln. Wir trinken noch ein Absackerbier beim „L’Esplanade“, klönen noch etwas mit den Leuten dort, wie z.B. den Portier des Hotels, der sich sehr gut mit deutscher Rockmusik der 70er auskennt, den namenslosen Schuhputzer, der dann auf das Putzen meiner Schuhe verzichtet und auch nur reden möchte und Abdullay, der sich mit uns für den nächsten morgen, zwecks Spezial-Souvenir-Einkauf verabredet. Die Gespräche sind zwangslos, Ruth verteilt großzügig Zigaretten, wir geben eine Runde Getränke aus und schließlich landet auch noch eine superkleine Katze bei uns, der wir etwas Milch spendieren. Dafür rennt Abdullay los um eine Tüte Milch zu kaufen, die dann in Wasser aufgelöst wird.

Das Abendessen nehmen wir im Restaurant „Le Golfe“ ein. Hier treffen wir den netten Mann von gestern Abend, den patron, wieder, der uns mit großem Hallo begrüßt.

Da wir uns morgens mit Abdullay verabredet haben, müssen wir zeitig los. Leider kommen wir nach dem Frühstück nicht in unser Zimmer, da das Schloss klemmt. Alle versuchen, die Tür zu öffnen - Alli, dem deutsche Patron, gelingt es schließlich. Trotzdem haben wir Verspätung.

Beim „L’Esplanade“ werden wir mit Handschlag begrüßt und unser Spezial-Einkauf mit Abdullay geht reibungslos über die Bühne. Jetzt, wo alles erledigt ist, duschen wir kurz noch mal, packen unsere Rucksäcke und werden von Alli zum Terminal der Bittar-Trans gefahren. Der Bus fährt sofort los, wir sind die letzten auf der Liste und bekommen auch die „letzten“ Plätze. Sie befinden sich auf der Sonnenseite und sind sehr heiß.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Bamako, nehmen ein Taxi zum „Hotel Les Cedres“ und genießen als Erstes ein Bier, ehe wir Siesta machen. Gegen Abend nehmen wir ein Taxi und fahren in die Stadt. Es ist eines der kaputteren Sorte. Als der Motor an einer Straßeneinfahrt absäuft, bekommt der Fahrer es nicht ohne Hilfe hin. Die erstbesten Leute müssen das Taxi anschieben und der Fahrer bringt uns auf absoluten Umwegen in das Restaurant „L’Olympien“, wo es die beste Pizza Bamakos gibt. Ein letztes mal gehen wir den Weg zu Fuß durch die nächtlichen Straßen Bamakos. Die Luft ist heiß und abgasgeschwängerter denn je - es ist nur mit Mühe auszuhalten.

Unser letzter Tag beginnt mit einem leckeren Frühstücksbuffet im „Hotel Mandé“, direkt am Niger. Hier kann man stundenlang sitzen und den regen Pirogenverkehr auf dem Fluss beobachten.

Ein letztes mal fahren wir mit dem Taxi in die Stadt zurück, holen noch etwas Geld aus dem Automaten und gehen noch ein letztes mal über die Märkte. Da wir gestern probegepackt haben und noch etwas Platz in Ruths Gepäck entdeckt haben, kaufen wir noch ordentlich ein. Die anschließende Siesta behalte ich inhaltlich für mich. Nur soviel sei gesagt, dass ich wahrscheinlich meine „Tour d’Afrique“ im Sommer unterbrechen werde. Die Zeit ohne Ruth wird mir sonst einfach zu lang. Mit dieser Perspektive ist der Abschiedsschmerz nur noch halb so schlimm.

Die Zeit bis zum Abend bekommen wir dann auch gut herum. Wir essen noch etwas im Hotel-Restaurant - wie in einem Film fahren zwei Sammeltaxis mit offenen Türen und Djembetrommlern vorbei.

Ich habe nachmittags noch ein Taxi bestellt, welches pünktlich kommt und uns zum Flughafen bringt. Ich begleite Ruth in den Abfahrtsbereich - das Gepäck kostet nichts extra - und wir gelangen beide problemlos in den Duty-Free-Bereich. Hier trinken wir noch etwas, lassen die letzten Wochen Revue passieren und haben die Hoffnung auf eine gemeinsame Zeit im Sommer im Herzen. So verabschiede ich sie und warte noch, bis die Maschine abhebt.

Die erste Nacht alleine seit langem bedrückt mich natürlich.

Morgens mache ich mich gleich auf den Weg zur Botschaft von Burkina Faso um dort festzustellen, dass das „Visa d’Entente“ gerade nicht zu bekommen ist. Also beantrage ich das Visum nur für Burkina, fahre anschließend mit einem Taxi in die Stadt und schlage die Zeit mit Geldholen, in der Pâtisserie und im Cyber-Café tot. Schon morgens bekomme ich die erste SMS von Ruth - darüber freue ich mich. 

Für den nächsten morgen bestelle ich schon mal ein Taxi, besorge mit etwas zum Frühstück - ich muss seeehr früh los - und bezahle meine Rechnung.