Guinea-Bissau

 

Am Sonntag schaffen wir es bis 11 Uhr an der "garage", dem hiesigen "gare routière" zu sein. Für 4500 CFA finden wir ein PKW-Buschtaxi. Es ist rappel-voll, ich habe den dämlichsten Platz auf der hinteren Rückbank in der Mitte und kann mir alle 5 Minuten überlegen, welchen Knoten mit meinen Beinen ich jetzt gerade ausprobiere.

Jeder, noch so unfreiwillige, Stopp kommt mir da natürlich sehr entgegen.

Das Taxi holpert also los um kurz darauf erst einmal zu tanken. Das machen hier nämlich alle so und es wird natürlich nur soviel Diesel getankt, wie notwendig ist um gerade mal anzukommen. Es könnte ja sein, dass das Auto zusammenbricht und dann ist der volle Tank verlorenes Geld. Diesmal allerdings tankt er voll und der ganze Wagen stinkt nach Heizöl.

Die Strasse bis zur Grenze ist ganz gut. Auf dem kleinen Stück bis zur Grenze kommen wir auch hier an einem Massengrab für die "Joola"-Opfer vom letzten Jahr vorbei.

Die Grenzkontrollen auf senegalesischer Seite gehen schnell und reibungslos. Nur auf der Guinea-Bissau-Seite müssen alle ihr  Gepäck ausladen, vorzeigen und teilweise auspacken. So wuchte ich also meinen schweren Rucksack zu den Kontrolleuren, sehr jungen Soldaten, und einer will tatsächlich gaaanz tief reingucken. Ich verfluche ihn - zum Glück versteht er mich nicht. Die Verständigung ist hier ohnehin problematisch, da man hier entweder portugiesisch oder creole spricht.

Wir haben den Vorteil, dass wir nur eine PKW-Besatzung sind. Ein großes Mercedes-Busch-Taxi benötigt wohl mehr Zeit, ehe alles vom Dach gewuchtet ist. In Ingore kommt eine zweite Kontrolle mit der gleichen Prozedur. Diesmal bin ich richtig genervt. Die Jungs haben hier augenscheinlich nix zu tun. Es gibt zwischen den beiden Kontrollen für uns nicht den Hauch einer Chance irgendwas zu schmuggeln. Die machen sich nur wichtig, weil sie eine Uniform tragen wobei einige sogar Zivilklamotten tragen. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich noch die Erfahrung machen, dass man hier den meisten Menschen trauen kann - außer sie tragen eine Uniform.

Guinea-Bissau erscheint von Anfang an anders als der Senegal. Es liegt weniger Müll rum, was auch bedeuten kann, dass sie vielleicht noch nicht so viele von den berühmten Plastiktüten haben, die seit Marokko in fast ganz Afrika herumliegen. Jens erzählte mir die Geschichte, dass es oft üblich ist, Orangenschalen fein säuberlich in eine Plastiktüte zu stopfen, ehe man sie aus dem Fenster schmeißt.

Als nächstes fällt auf, dass man hier offenbar auch nicht das nervtötende "toubab, toubab" kennt. Es kann also ganz nett hier werden. Und schließlich riecht es hier anders. Jedes mal, wenn wir durch ein Dorf fahren oder auch später in der Stadt, riecht es anders als im Senegal. Hier wird zwar auch der Müll verbrannt, wo er gerade hinfällt, aber hier mischt sich etwas schweres hinein, das auf nicht unangenehme Weise riecht wie Mottenkugeln.

Und dann gibt es nur wenige Moscheen mit ihren Muezzinen, weil dieses Land erst so nach und nach durch Zuwanderer aus dem Senegal muslimisch wird. Mir stehen also nach dem Krach in Zuiginchor, angenehme Tage bevor.

Die Straßen sind ganz gut. Es gibt auch mal ein paar ausgebesserte Stücke, die aber gut befahrbar sind. Landschaftlich ähnelt es sehr der fruchtbaren Casamance im Senegal, mit seinen Mangrovensümpfen und Reisfeldern. Nur ist es dünner besiedelt. An Plätzen, wo Durchfahrende halten, tauchen wieder die üblichen wilden Müllkippen mit ihren Plastiktüten auf.

In São Vicente, dies soll ein richtiger Ort sein, ist aber nur eine Aneinanderreihung von einem Dutzend kleiner Hütten und Restos für Geschäfte mit Durchreisenden, kreuzt die Straße den Rio Cacheu. Gegenüber wartet die Fähre. Leider hat sie Pause und fährt erst in 1,5 Stunden. So richtet man sich ein und versucht die Zeit in einer der Hütten, die seeeehr flach sind, sagt mein Kopf, totzuschlagen. Jens bestellt einen Kakao. "Mit Butter oder Mayonnaise?" "Wie bitte?" Na ja, es gibt halt immer etwas Brot zum Getränk dazu. Der Kakao besteht  dafür hauptsächlich aus Zucker und kann anschließend noch beliebig nachgesüßt werden. Der erste und einzige Typ, der mich voll quatscht, ist natürlich aus Gambia und war sogar schon in Deutschland (alles sssuper dort) wo er schon mal in Hannover in Abschiebehaft saß, weil er seinen Pass weggeschmissen hat - schön blöd.

Die Fähre kommt gaaanz langsam rüber. Leider kann sie nur in einer Richtung fahren. Also dreht sie im Fluss und die Autos müssen rückwärts von Bord, was sehr abenteuerlich aussieht.

Wir schaffen es dann endlich rüber zu kommen und heizen weiter im Tiefflug durch die Landschaft. Die Straßen werden kurzzeitig mal schlechter aber alles in allem kommen wir gut voran - unser Fahrer kennt sich ganz gut aus. Ein ghanaischer Mitreisender meint allerdings, wir fahren viel zu langsam - finde ich überhaupt nicht.

Es ist schon nach 17.00 als wir die letzte Kontrolle vor Bissau passieren. Natürlich sitzt auch hier wieder ein uniformierter Wichtigtuer und erzählt davon, das Berlin so reich ist und dort das Geld auf der Straße liegt - er weiß das ganz genau - bekommt trotzdem nichts - bleibt aber trotzdem friedlich.

Wir fahren noch ein Stück weiter in die Hauptstadt. Am Rand der Hauptstrasse erinnern ausgebrannte und verrostete Panzerwracks an den letzten Militärputsch und der entsprechenden Intervention Senegals und Guineas im Jahre 1998.

In der Nähe vom Flughafen ist Schluss. Wir fahren mit dem Ghanaer und einem Nigerianer, die beide bei uns im Busch-Taxi saßen, ins Zentrum auf der Suche nach Hotels. Die Straße geht am Flughafen mit seinem teuren und hässlichen "Bissau-Hotel" vorbei, entlang der wichtigsten Einfallstraße, wo an der Peripherie, im Stadtteil Belem, tausende von Menschen auf den Beinen sind. Wir klappern mit unserem Taxi das eine oder andere Hotel ab. Es ist nicht einfach, der Standard ist schlecht und die Preise hoch. Mein Magen-Darm-System ist immer noch malade und ich würde mich gerne auskurieren. Deshalb möchte ich ein eigenes Klo mit Spülung. Ich mache die Erfahrung, dass es nicht beides zusammen gibt. Entweder geht der Wasserhahn - oder die Dusche - oder das Klo - oder die Spülung.

Bissau hat eine marode Wasser und Stromversorgung und niemand hat hier offenbar die Kraft und das Geld, daran etwas zu ändern. Die politische Kaste ist durch und durch korrupt und vergrault eventuelle Investoren. So sieht man öfter einen Minister vor einem Restaurant vorfahren, dort etwas essen um dann ohne zu bezahlen zu gehen. Anderenfalls könnte ihm auffallen, dass vielleicht die Deckenhöhe um 4mm zu niedrig ist und die Konzession entziehen.

"Sie haben zu überhaupt nichts die Macht, außer etwas zu stoppen", sagen die Leute - und "sie sind deshalb so dick, weil sie Geld essen".

Der Präsident, ein kleiner Despot, gehört einer Gruppe an, die zur Erkennung eine knallrote Pudelmütze trägt. Das sieht beim Staatsgründer Amilcar Cabral noch ganz gut, beim jetzigen Präsidenten aber einfach nur albern aus.

Nach langem hin und her und Verhandlungen (dank Jens) landen wir im "Aparthotel Jordani". Dies macht zwar einen äußerlich passablen Eindruck, funktionieren tut aber auch hier kaum etwas. Es ist höllisch laut, weil die nahe Straße stark befahren ist und vor meiner Tür das Personal des Restaurants "Monte Carlos" bis in die Nacht seinen Plausch hält. Hier schläft man wohl nie.

Die Air-Condition bläst einem, wenn sie dann mal funktioniert, den Kopf weg und wenn sie aus ist, ist es unerträglich heiß. Ich beschließe, am nächsten Morgen auszuziehen. Verstärkt wird mein Entschluss durch das plötzliche Auftauchen eines Soldaten, der 5000 CFA zum Betanken seines Fahrzeugs verlangt. Ansonsten würde er mal mein Gepäck genauer unter die Lupe nehmen. Für Diskussionen ist hier kein Platz. Er lässt sich nicht abwimmeln und das Hotelpersonal guckt einfach weg. Außerdem bin ich alleine mit ihm und hätte niemanden, der bezeugen könnte, wenn er mir etwas wegnehmen würde. Ich bekomme allerdings eine handgeschriebene Quittung - natürlich nur über 500 CFA! Er könnte sich eigentlich ja auch sein Gehalt bei der Pudelmützenmafia holen. Traue also keinem Uniformierten.

Dafür hat das Hotel ein klasse Restaurant mit leckerer portugiesischer Küche. So hat wenigstens mein Gaumen seinen Spaß.

Ich sehe mich also am nächsten Morgen nach Ersatz um und gucke mir die eine oder andere Katastrophe zu überhöhten Preisen an, die alle in meinem Reiseführer als richtig gut empfohlen werden. Diese Empfehlungen stammen wohl noch aus der Zeit vor dem Putsch. Die Probleme sind aber überall gleich und zwar egal welcher Nationalität die Betreiber sind. Ich entscheide mich für die "Pensão Central", einem einstmals gediegenen Laden an einer der "Prachtstraßen" Bissaus mit Terassengang vor den Zimmern und mit Gemeinschaftsbad. Hier geht als einziges die Dusche - der Rest wird über einen großen Bottich erledigt.

Die Pensão wird von einer resoluten alten Dame namens Berta geführt, die am Eingang ihres kleinen Restaurants im 1.Stock sitzt, die Pensão regiert und mit gütigem Blick das Geld einkassiert (15000 CFA).

Das Zimmer hat drei Betten und einen kleinen Ventilator. In ganz Bissau gibt es aber keine zentrale Stromversorgung. Die meisten großen Häuser haben einen eigenen Dieselgenerator, der in den Abendstunden von 19.00  bis 23.00 Uhr und Vormittags von 9.00 bis 14.00 Uhr Strom erzeugt. Damit man nachts das Klo findet, werden auf dem Flur alle paar Meter Kerzen aufgestellt.

Zwischen den Ventilatorperioden wird es sehr heiß und ich schwitze literweise. Die Nächte werden hart und ich fühle mich gar nicht gesund. Meine Magen-Darm-Geschichte wird auch nicht besser.

Es gibt hier ansonsten nicht viel zu tun. Die Stadt ist nicht besonders groß, zu sehen ist nicht viel und wenn doch, dann ist es ziemlich kaputt, was hier mit dem entsprechenden Fatalismus hingenommen wird. Das meiste Leben findet am Vormittag statt. Dann ist die Hölle los, der Markt platzt vor Menschen, alle machen ihre Geschäfte, man wird tatsächlich direkt angesprochen (idR von Schwarz-Tauschern, da die Bank hier in Bissau kein Geld hat). Mittags versinkt Bissau in eine seltsame Schläfrigkeit  und ich mache Siesta bis der Strom wieder abgeschaltet wird und sich der Propeller nicht mehr dreht.

Der Rhythmus in dieser Stadt wird immer langsamer. Mir fällt das anfangs ziemlich schwer und ich muss mich wirklich daran gewöhnen.

Wenn ich also Vormittags durch die Straßen gehe, bin ich Mittags so fertig, dass ich fast zwei Stunden schlafe, um mich dann mühsam wieder in Gang zu bringen. Dann gehe ich ins Internet-Café, Post erledigen oder Zeitung lesen (hier arbeitet Fatima, die an der Dresdener TU studiert hat und gut und gern deutsch spricht) und dann in die "Gelateria Baiana", eines der wichtigsten Straßencafés am "Praca Che Guevara" um einen leckeren Galão zu trinken.

Den Che haben sie aber abmontiert, wie fast alle anderen Standbilder und durch eine Eisenstange ersetzt - der einzige der bleiben durfte, ist Amilcar Cabral, der Staatsgründer. 

Hier trifft man sich, wird gesehen und sieht zu, wie Straßenhändler ihre Ware präsentieren. Es ist fast wie im Kaufhaus, man kann hier neben den üblichen Erdnüssen, Orangen und Bananen auch Kleidung und Haushaltwaren kaufen, während man sich die Schuhe putzen lässt - mehr oder weniger überzeugend vom Gelände geschickt durch das Cafépersonal. Man sieht auch die vorbeifahrenden schicken Autos, von denen viele den ebenso vielen UN- und auch privaten Hilfsorganisationen gehören, die hier tätig sind. Dicke, neue, teure Allradfahrzeuge mit allen Schikanen und fetten Kurzwellenantennen am Bug. Die haben wohl ganz gute Konditionen bei den Herstellern. Bei den anderen, privaten Fahrzeugen fragt man sich aber, wer hier überhaupt und womit so viel Geld verdienen kann (vielleicht mit der einen oder anderen Hilfsorganisation ?). So vergeht also die Zeit mit Sitzen, Trinken und Essen um bis vielleicht 20.00 oder 22.00 durchzuhalten. Im einen oder anderen Café läuft Musik - meistens eine fröhlichere Variante der Kapverden-Musik oder Angola-Rap.

Wieder in der Pensão hänge ich dann das Mosquitonetz wieder auf und versuche zu schlafen. Man sollte nur darauf achten, dass man erst Abends mit Alkoholgenuss beginnt (z.B. 18.00) um nicht vollends zu verbuschen bzw. zu versauern.

Manche Stunden des Tages verbringe ich damit, auf meinem Terrassenplatz in der 2.Etage zu sitzen und zu ermitteln, wie viele Autos mit Anhängerkupplung herumfahren. Es sind ca. 90 %. Wenn ich vor der Gelateria sitze, ist das Verhältnis seltsamerweise umgekehrt.

Donnerstag Abend fahren wir, diesmal in Begleitung von Jens neuer Flamme Helena, die vorgibt 25 Jahre alt zu sein und meistens tödlich gelangweilt aus der Wäsche guckt, an die Peripherie. An einer Häuserzeile steht "Acordo de Abuja", was bedeutet, dass in Abuja, der Hauptstadt Nigerias, ein Abkommen für Guinea-Bissau ausgehandelt wurde und Nigeria die Häuser bezahlt hat. Zu kaufen gibt es ausschließlich Alkohol mit einigen kleinen Fressständen davor an der Straße. Wir treffen Olu aus Nigeria, der mit uns im Buschtaxi nach Guinea-Bissau gekommen ist. Er winkte mir  zu - ich habe ihn erst gar nicht erkannt, weil für uns Europäer doch die meisten Schwarzen gleich aussehen. Außerdem ist hier Eliza, der für eine nigerianische Kirche tätig ist und Predigten im Radio hält. Olu leiht sich von mir noch 1000 CFA - ich weiß allerdings nicht mehr wofür.

Am Freitag geht endlich die Fähre nach Bubaque, einer Insel im Bijagos-Archipel vor der Küste Guinea-Bissaus.

Schon am Tag zuvor versuche ich meinen Rucksack vernünftig zu packen, was mir nur bedingt gelingt. Er ist und bleibt zu schwer. Nun schleppe ich mich also damit ab - zum Hafen ist es zum Glück nicht weit. Jens kommt, mit seiner Helena im Schlepptau, im letzten Augenblick, bis pünktlich um 10.00 Uhr die Passagierliste geschlossen wird. Jetzt geht es auf die Hafenmole, wo bereits etliche Menschen mit Sack und Pack geduldig in der prallen Sonne warten. Hier liegen viele mehr oder weniger seetüchtige Schiffe, oder was man dafür halten soll - manche sind bereits im Hafen gesunken. Jedes mal, wenn durch Wellen einer dieser Seelenverkäufer leicht gegen die Mole dengelt, wackelt die ganze Betonmole. Von unserem Schiff, der "Venezuela", einem kleinen Küstenkreuzer ist lediglich der Bug zu sehen, es liegt versteckt hinter diversen Schleppern und Fischtrawlern, sieht aber ganz passabel aus. Der Eigner, ein Portugiese, hat sein Schiff eigenhändig vom Mittelmeer heruntergeschippert. Gegen 11.00 wird das Schiff an eine andere Stelle verholt. Alle Passagiere schnappen sich ihre Fracht und laufen hinterher. Jetzt wird es mal getankt, die Ladung und das Gepäck eingeladen und anschließend eingestiegen. Irgendwie finden alle ihren Platz und nach einer weiteren Stunde legen wir endlich ab. Das ganze hat nur deshalb so lange gedauert, weil irgendein Minister sich nicht entscheiden konnte, ob er nun mit will oder nicht. So lange wird eben alles gestoppt.

Wir tuckern gemütlich, vier Stunden in der prallen Sonne (nächstes mal sitz ich drinnen) nach Bubaque. Die Fahrt verläuft recht ereignislos. Ich komme ins Gespräch mit Nicolas, einem arbeitslosen Franzosen, der die Zeit des Müßiggangs mit Reisen nutzt und sich monatlich per Internet beim Amt meldet; mit Paul, einem Australier, der seit 1999 mit dem Fahrrad unterwegs ist und Alain, einem Physiklehrer aus La Reunion im indischen Ozean, der hier nicht nur portugiesisch lernen, sondern auch möglichst viele Mädels flachlegen will.

In Bubaque, dem gleichnamigen Hafen zur Insel, angekommen, legen wir erstmal an der viel zu großen und zu hohen Hafenmole an und klettern mühsam an Land. Da ich diesen sauschweren Rucksack auf dem Rücken trage, hat es auch etwas mit Akrobatik zu tun. Ich muss mich auf die Bordkante stellen und mich gegen eine Metallleiter an der Hafenmole fallen lassen, während sich das Schiff wieder etwas von der Mole fortbewegt. Zum Spagat kommt es zum Glück nicht. Hilfreiche Hände zerren mich rauf.

Bubaque ist ein kleiner Ort mit kleinem Fischereihafen und kleinen Bratküchen, einer Disco und einen kleinen Anzahl von Hotels und Campments. Die Wege dahin sind allerdings etwas beschwerlich; die Straßen sehen aus, als ob gerade am Ende der Regenzeit die Wassermassen durch den Ort gestürzt sind.

Die anderen Suchen etwas billiges - ich suche etwas Komfort. Jens hat eine Hütte über eine Bekannte in Bissau gemietet (noch billiger) - hier wohnt er mit seiner Helena.

Das Hotel Canoa, das erste was ich besichtige, wird von Dora, einer Portugiesin geleitet. Es ist auch sofort meine Wahl. Eine Hütte in einer schönen Anlage, sauber und voll funktionsfähig für 10.000 CFA.

Den restlichen Nachmittag besichtige ich den Ort, suche die anderen in deren Campment auf und gehe mit Alain ein Restaurant suchen. Es gibt ein paar, nicht alle haben genug zu essen da - es ist keine Saison und es wird nur soviel gekocht, wie vorher bestellt wird, eine hier übliche Methode. Wir finden schließlich direkt am Hafen ein Resto mit Ghetto-Blaster und mit akzeptablen Preisen. Hier werden wir wohl noch öfter auftauchen. Wir holen noch Paul und Nicolas und gehen Bier trinken, draußen vor einer Kneipe am Hafen und anschließend in die Disco.

Guinea-Bissau hat, wie andere Länder Afrikas auch, ein großes AIDS-Problem - hier und in den frankophonen Ländern heißt es SIDA - und deshalb ist fast jede Kneipe mit kleinen Fähnchen, mit einem schwarzen Panther drauf, geschmückt. Hier war der Kondomhersteller "Panté" auf Werbetour. Das ganze Land kennt die Marke. Hoffentlich wird sie auch benutzt.

Der Abend ist sehr nett und die Nacht in meinem Zimmer sehr angenehm. Ich habe lange nicht so gut geschlafen, es ist ruhig und kühl. Ich werde wohl eine ganze Woche hier bleiben.

Es ist Sonnabend. Den Morgen beginne ich gegen 9.00 Uhr, setze mich dann in den Schatten und beschäftige mich mit meinem Reisebericht. Gegen frühen Nachmittag mache ich mich auf die Suche nach dem Strand. Es ist anders als in Europa. Hier sind nicht die schönsten Strände, wo die Menschen sind. Es gibt auch keine Promenaden und wenn, dann wären sie längst im Meer versunken. Es gibt zwar einen kleinen Strand am Hafen, aber der ist nur bei Ebbe benutzbar. Man muss etwas aus dem Ort raus, auf die nördliche Inselseite. Der Weg führt durch das originale, koloniale Ortszentrum, was auf einer Anhöhe liegt (wo auch sonst). Hier verrotten, teilweise unbewohnte Kolonialstilhäuser vor sich hin. Leben findet hier kaum noch statt - außer im verbliebenen Postamt. Straßen und Plätze sind kaum noch zu erkennen, weil sich die Wege überall hin ausgebreitet haben. Wenn zum Beispiel in Afrika eine Piste Probleme, wie Löcher, aufweist, fährt man einfach drum herum oder daran vorbei und die Straße wird immer breiter. Trotzdem bekommt man eine Ahnung von dem was hier einmal los gewesen sein muss.

Auf dem weiteren Weg kommt man an kleinen, teuren modernen Hotels für hauptsächlich Sportfischer vorbei und steht dann plötzlich mitten in der verlassenen Anlage des Bijagos-Hotel, einer ehemals richtigen kleinen Stadt mit Bungalows, Restaurants und kleinen Geschäften. Etwas dahinter hat man sogar einen Weg zu einer Landepiste (mit eigenem schattigem Wartehäuschen) erweitert. Hier war man früher wohl völlig autark und brauchte keinen Kontakt mit Einheimischen zu befürchten. Jetzt ist die Anlage verlassen - eine Geisterstadt - und verfällt. Irgendwo klappern Fensterläden und der Hotelbus rostet am Straßenrand vor sich hin, so als wartet er auf Passagiere, die niemals mehr kommen.

Diese Hotelanlage war noch bis vor 5 Jahren voll in Betrieb und wurde beim Abzug der senegalesischen Besatzungstruppen von selbigen regelrecht zerlegt.

Gleich darauf ist eine kleine Bucht mit einem kleinen Strand. Das Wasser ist nicht nur bei Ebbe flach und piwarm. Einige Leute machen hier im Schatten Siesta. Der Strand wird durch die Ebbe immer breiter und viele kleine Krebse in unterschiedlichen Größen wuseln herum. Eine Rinderherde kühlt sich im nassen Sand ab. Zwei junge Mädchen, durch "Vinho de Palmo", Palmwein, angeschickert, setzen sich zu mir und albern rum. Sie haben mich gestern in der Disko gesehen und sich sogar gemerkt, wie ich tanze. Eine Konversation kommt aber nicht zustande. Ich will ohnehin weiter und verlasse die Szene in Richtung Landepiste.

Der Weg zweigt ab in die Pampa. An einer Abzweigung frage ich einen Jungen, wohin es hier geht - es geht zum Friedhof. Er kann nicht so recht verstehen, was ich dort will und hält mich womöglich für verrückt. Friedhöfe sind für mich meistens ein interessantes Besichtigungsobjekt, da man daran etwas von der Wertschätzung gegenüber den eigenen Leuten auch im Tode erkennen kann. Na ja, aber so schön ist der Friedhof dann auch wirklich nicht.

Einen Bogen schlagend erreiche ich wieder Bubaque und lande im ehemaligen Zentrum. Ich höre zum ersten mal das Wort "branco", was "Weißer" bedeutet, aus Kindermund. Es ist aber noch bei weitem nicht so viel, wie das "Toubab" im Senegal oder in Gambia - zumindest kommt es mir noch so vor.

Abends esse ich "brochettes", (seeehr verkohlte) Fleischspieße voller Knochen, am Hafen und beobachte die Szenerie. Einmal tragen einige Frauen lautstark eine Auseinandersetzung aus - ein anderes mal balgt sich die Resto-Chefin, vor dessen Laden wir das gute Christal-Bier in uns reinschütten, mit ihren 6 Kindern. Alle liegen wie ein Knäuel am Boden und lachen sich tot. Anschließend legen sich die Kinder auf den Kühltruhen zum Schlafen. Es ist recht angenehm, obwohl der nahe Brochettes-Stand uns voll räuchert. Hier lässt es sich gut aushalten. Danach geht es wieder in die Disko. Heute habe ich aber weniger Lust - die Musik gefällt mir auch nicht - hab’ ja keinen zum Schmusen.

Der Sonntag wird noch ruhiger. Mittags mache ich Siesta und gehe anschließend Richtung Hafen. Man trifft sich hier und dort und schlägt die Zeit tot.

Der Versuch ein Fahrrad zu leihen ist mir geglückt - es ist im Prinzip ganz einfach. Man fragt einfach irgendjemanden und fast jeder, der ein Rad hat, ist bereit, es für ca. 500 CFA die Stunde,  herzugeben. Das erste Fahrrad hat keine Bremsen, das zweite hat eher angedeutete Bremsen und verliert alle 50m die Kette. Etwas genervt und mit schwarzen Fingern gebe ich es zurück. Wenigstens hatten alle, die mich sahen ihren Spaß daran, wie der blöde "branco" mit dem Ding zurechtkommt. Ich versuche, das Thema auf den nächsten Tag zu legen und mir im Campment von Laurent, einem der vielen hier lebenden Franzosen, etwas Richtiges zu leihen.

Ich gehe noch etwas rum, mache Fotos. Der Mensch beim Postamt glaubt, ich hätte sein kleines, hässliches Postamt fotografiert, was natürlich verboten ist und nervt fürchterlich. Ich versuche ihn in allen mir geläufigen Gesten und Sprachen zu beleidigen, aber er kapiert es nicht. Also lasse ich ihn einfach stehen.

In die Pensão Cruz Pontes würden Jens und ich, sollten wir doch noch länger bleiben, am nächsten Morgen umziehen. In seinem Haus ist es nicht so doll und mit seiner kleinen Helena hat er nur Stress. Sie denkt nämlich überhaupt nicht daran, dauernd zu Diensten zu sein und nebenbei noch für die Küche, inklusive Wasserschleppen, zu sorgen. Irgendwann holte sie sich wortlos die Schlüssel und zieht aus. Sie hat nämlich gestern Abend in der Disko einen netten Jungen kennen gelernt und Jens ist eifersüchtig.

Unter der Woche werden die meisten Hotels billiger. Wir bestellen erstmal ein Abendessen - Fisch mit Maniok und Bananen. Was interessant klingt, entpuppt sich als ein sehr enttäuschendes, trockenes, nur gekochtes Essen. Danach gehe ich noch über den Hafen in mein Hotel zurück, trink noch ein Christal und sehe etwas fern.

Es wird doch langsam langweilig und Jens und ich beschließen, am nächsten Morgen abzureisen.

Jens meint, das Schiff geht erst gegen Mittag - also kann man ja beruhigt ausschlafen. Als ich um 8.30 frühstücke, macht sich der Kapitän, der ebenfalls hier wohnt, gerade auf den Weg zu seinem Schiff. Er legt pünktlich um 9.00 Uhr ab. Dumm gelaufen - jetzt muss ich noch 6 weitere Tage ausharren.

Die Hotelwirtin beruhigt mich aber, da noch eine Piroge am Mittwoch fährt.

So habe ich wieder ausreichend Zeit, Berichte zu schreiben und etwas zu planen. Es bringt mir wieder richtig Spaß, auf die Karten zu gucken und mir eine neue Route auszudenken.

Im Campement von Laurent tauchen Nicolas und Paul wieder auf. Sie waren gestern Abend mit einem Motorboot auf die nahe Insel Soga gefahren, weil hier irgendeine Zeremonie (vielleicht ein Initiationsritual) stattfinden soll. Leider war dort überhaupt nichts los (vielleicht morgen, übermorgen oder überhaupt nicht) und dann fuhr das Boot noch nicht einmal zurück. Sie mussten dort im Freien übernachten und hoffen, dass am nächsten Morgen etwas fährt. Am Nachmittag haben sie dann eine Piroge genommen, auf der sie auch noch selbst rudern mussten. Das war ein Abenteuer. Die beiden sahen wirklich verhungert und reichlich verdurstet aus.

Wir fangen also schon Nachmittags mit dem Bier an und gehen dann auf einen Snack und einem weiterem Bier an den Hafen. Abends essen wir superlecker bei Dede einem weiteren Franzosen und seiner senegalesischen Frau Kumba. Am Tisch sitzt dann noch einer - auch Franzose - der ohne Punkt und Komma redet, nebenbei raucht, wie ein Schlot und dauernd husten muss. Sehr appetitlich.

Am nächsten Tag starte ich Fahrradleihversuch Nr.2. Damit möchte ich mit Paul an das andere Ende der Insel zum Bruce Beach zu fahren. Das gemietete Fahrrad von Laurent ist klasse, der Trip macht Spaß. Paul ersteht unterwegs noch bei einem beinahe zahnlosen Mädchen namens Anita eine Flasche Palmwein und schafft es, sie fast ganz alleine auszusüffeln. Wir reden lange - Paul ist wohl einer der wenigen Australier, die ein richtig gutes Englisch sprechen.

Leider setze ich mich unglücklich auf meine Brille, die daraufhin in der Mitte durchbricht.

Der Strand ist legendär, schön, einsam und wird nur von einem einzigen Einheimischen genutzt. Er taucht laufend in der Szenerie auf, mal mit einem Fischernetz, mal mit Palmnüssen, mal mit Palmwedeln. Er kommt scheinbar aus allen Richtungen und hat überall seinen Kram verteilt. Baden kann man hier auch. Während ich einfach so arglos reingehe, fallen Paul sofort einige Stachelrochen auf, die mit ihrem Gift imstande sind, einen Menschen umzubringen - oops. Später wird mir noch einmal von Einheimischen bestätigt, dass sie hier eine große, bekannte Gefahr darstellen.

Abends essen wir wieder bei Kumba und Dede - es gibt superleckeres Fischsteak.

Heute ist Abfahrtstag. Nicolas, der noch für eine Nacht zu Jens ins Haus eingezogen ist, kommt mit ihm um 7.30 Uhr vorbei, um mich abzuholen - sie wollen eine 8.00 Uhr-Piroge bekommen. Ich bin im Hotel als einziger wach und habe noch nicht gefrühstückt und bezahlt. Also lasse ich sie ziehen, warte bis meine Leute aufwachen und stelle mich auf eine 10.00 Uhr-Piroge ein. Erst fährt tagelang nix und nun diese Auswahl.

Beim Frühstück komme ich mit Anna aus Portugal ins Gespräch, die für eine NGO im Archipel bilingualen Schulunterricht einführen soll. Sie erzählt mir so einiges über die Insel. Es gibt hier ein großes Malariaproblem, an dem jedes Jahr viele sterben, aber niemand dichtet die Fenster ab oder benutzt Mosquitonetze. Selbst Dora, die es sich leisten könnte, hat lieber 1x im Jahr Malaria. Und bei offenen Fenster ordentlich Licht an.

Anna nimmt mich mit dem Organisations-Range-Rover zum Hafen zur Organisationspiroge, die ihr Laden zusammen mit der Mission Catolica betreibt.

Im Hafen liegen drei Pirogen. Eine große Piroge, mit der Frauen der Insel den Fang nach Bissau bringen (auch ein NGO-Projekt), die normale, öffentliche Piroge mit Jens und Nicolas und die Katholische mit mir. Wir fahren kurz nach 10.OO Uhr ab. Erst kurz davor hat die Piroge mit Jens uns Nicolas abgelegt. Man hatte wohl etwas Mühe zwei Rinder in die Piroge zu wuchten. Wir überholen sie kurzerhand und sind in weniger als drei Stunden in Bissau. Die Fahrt finde ich aber nicht so ganz angenehm, weil die See sehr kabbelig ist, dauernd der Motor stottert und wir Wasser nehmen, was eigentlich völlig normal ist, nur nicht gerade vertrauenserweckend wirkt. Außerdem durchstechen wir so manches Wellental, sodass alle recht nass werden. Trotzdem kommen wir in Rekordzeit in Bissau an.

Auf der Piroge von Nicolas und Jens kam es sogar zeitweilig zum Totalausfall, weil der Motor kaum lief und der Reservemotor gar nicht. Ohne Motor ist so ein Schiff nur schwer beherrschbar. Als dann auch noch die dritte Piroge auf offener See längsseits ging und die Leute planlos umstiegen, muss es wohl ganz schön gefährlich ausgesehen haben. Das alles blieb mir erspart - trotzdem habe ich erstmal genug - Wasser hat eben keine Balken. 

Ich buche mich wieder im "Jordani" zum selben Preise wie letztes mal ein und gehe noch ne Runde surfen. An der Straße gebe ich meine Armbanduhr zur Reparatur. Die Batterien sind fast alle. Beinahe bereue ich es, als ich sehe, wie dem Problem beigekommen wird. Es ist ein wahnsinniges Gefummel und mehr als einmal habe ich die Uhr abgeschrieben.

Abends gehe ich früh ins Bett. Ich habe irgendwie keine Lust auf jeden Abend Bier reinschütten, bis in die Puppen.

Am Donnerstag, endlich, geht es weiter. Jens holt sich noch schnell ein laissez passage für Guinea in der Botschaft. An der garage trennen sich unsere Wege. Ich setze mich in mein Taxi nach Bafatá und warte, bis es voll wird. Nach einer Stunde wird der Wagen angeschoben - ab hier gibt es offenbar keine Anlasser mehr - und es geht endlich los. Wir passieren die Kontrolle an der Stadtgrenze - dort treffe ich Jens, der noch mal eine Zwangspause hat - und weiter geht es. Unterwegs fällt ein paar mal die Benzinpumpe aus. Mit einem Stück Draht wird das repariert. Während der ganzen Fahrt muss man darauf achten, dass einem keine Ziege oder ein Rind vors Auto läuft. Die laufen nämlich überall frei rum, als wenn sie keinem gehören. Man trifft sie auch dort, wo man niemals einen Menschen vermutet.

Die Landschaft wechselt von weiten Reisflächen in ein Hügelland, von Flüssen durchzogen, besonders vom Rio Gèba, an dem auch mein Ziel Bafatá liegt. Hier wird der Reis, in einem gemeinsamen Projekt mit China, auch in Terrassen angebaut.

Bafatá erschließt sich einem erst, wenn man ein bestimmtes Hotel downtown sucht. Zuerst sieht die Stadt so aus, wie jede andere Stadt Afrikas. Links und rechts an der Straße sind flache Hütten mit kleinen Restaurants. Davor, teilweise schon auf der Fahrbahn, etliche kleine Stände mit Bananen, Orangen und Beignets  - das alles aus kleinen Blechschüsseln. Daneben Stände mit Haushaltsartikeln, wie Zahnpasta aus China und Seife in Kiloblöcken. Zwischen allem liegt der Müll, laufen Rinder, Hühner, Ziegen, Hunde und Geier herum - ausnahmsweise hier in Guinea-Bissau auch Schweine. Die fressen dann alles organische weg, wie Bananen- und Orangenschalen. Hier und da eine Bretterbude für Alkoholverkauf und das eine oder andere Billighotel. Überall wuseln Menschen rum. An der Garage starten und halten mehr oder minder fahrtüchtige Autos.

Ich biege ab in Richtung Fluss. Die Häuser bekommen jetzt den alten Kolonialstil. Es gibt eine Kirche, einen alten Palast, einige Verwaltungsgebäude, ein altes Bekleidungsgeschäft oder ein altes portugiesisches Café. Alles mehr oder minder verfallen oder kurz davor - aber mit Stil. Ziemlich weit unten, Richtung Fluss, versuche ich das Maimuna-Hotel zu bekommen, was mir Paul empfohlen hatte. Es ist belegt und ich nehme ein Zimmer im Aparthotel Terrango, gegenüber - noch billiger. Es ist einfach, aber ausreichend. Im Maimuna trinke ich eine Coke und versuche mit einem 500 CFA-Schein zu bezahlen, an dem eine Ecke fehlt. Das ist mir mit meinem Portemonnaie passiert. Einige Male sind mir Geldscheine im Reißverschluss hängen geblieben. Nun ist eine Ecke ab und keiner will den Schein mehr haben. Zum Glück finde ich die Ecken, nur nix zum Kleben. Das Mädel vom Hotel kommt also sofort hinterher, ich tausche den Schein natürlich um und überlege, wem ich ihn als nächstes andrehen könnte.

Mit Dila, einem netten Angestellten des Hotels, der etwas französisch spricht, versuche ich einen Transport nach Gèba, einem verfallenen portugiesischen Handelsposten, etwas den Rio Gèba rauf, zu bekommen. Es ist schwer und wenn nur für viel Geld. Ich möchte lieber morgen Busch-Taxi-mäßig fahren - das ist billig und mit 500 CFA, angemessen. Ich zahle nicht 10.000 CFA ohne zu wissen, was und ob, etwas zu sehen ist. Ich lasse noch die alte Stadt auf mich wirken und überlege mir, was ich hier  weiter tun könnte. Damit ich etwas zum Frühstück habe, gehe ich hinauf in das afrikanische Bafatá.

An der Garage treffe ich Nicolas, der eine kleine Odyssee hinter sich hat. Er hat auch Interesse an Géba und sucht sich ein billigeres Hotel, welches er auch findet, nachdem er einem Hotelier auf den Preis für seinen Laden im Reiseführer aufmerksam gemacht hat. Wir gehen wieder downtown, um den Sonnenuntergang über dem Rio Géba zu bewundern. In einer Badeanstalt, die gerade Wasser für das Wochenende aus dem Fluss reinpumpt, haben wir einen tollen Blick und etwas Bier. Wir gehen im stockdunkeln wieder rauf. In einem Straßenresto essen wir etwas, bestellen aber viel zu viel. Wie es dann üblich ist, geben wir den Rest den Armen, die alles ratzfatz aufessen. Beim Bezahlen vermisst Nicolas seinen Geldbeutel. Er bekommt schlechte Laune. Er ärgert sich, weil er mühsam ein billiges Hotel gesucht hat um anschließend einen höheren Betrag zu verlieren. Wir gehen den Weg zurück. Er meint, er hat sein Geld verloren, nachdem ich irgendwann mitten auf die Straße gepinkelt und er später auf seine Uhr gesehen hat. Mit meiner Taschenlampe scanne ich den Weg zurück ab - er ist übrigens ganz schön lang - und finden tatsächlich den Beutel im Dunkeln auf der Strasse. Ich habe den kleinen Lederbeutel erst für einen Kuhfladen gehalten. Andere wohl auch. Es ist sogar noch alles Geld drin.

Morgen wollen wir gleich los, um einen Transport nach Géba zu bekommen. Aber - keiner fährt. Wenn, dann nur für 10.000 CFA. Es ist zum Auswachsen. Ein Busch-Taxi-Fahrer will uns für 2.000 CFA fahren, wir steigen ein und an der Tankstelle will er plötzlich 5.000 CFA pro Nase - Idiot. Nicolas nimmt wortlos sein Geld zurück und wir steigen aus. Leider fällt mir nicht rechtzeitig ein, was ich dem Blödmann an seinem Auto kaputtmachen kann. Wir gehen zurück und nach einiger Zeit schnappen wir uns unser Gepäck und nehmen ein Busch-Taxi nach Gabú.

Es ist ein kleiner Bus, voll gestopft mit Menschen. Ich sitze in der hintersten Reihe, reingequetscht zwischen zwei Mamas. Ich werde solche Plätze noch zu schätzen wissen. Es geht zumindest schnell und Gabú ist fix erreicht.

Ursprünglich hatte ich ja eine Nacht hier eingeplant. Es ist aber noch früh und Nicolas will weiter. Zu sehen gibt es hier auch nix. Nach einem schnellen Essen am Busbahnhof bekommen wir noch zwei Plätze auf einem Bus zur Grenze.

Es ist eng, zugig und das Gepäck eher lustlos auf das Dach gebunden. Wir verlieren es auch fast, weil die Strasse eine schlimme Piste ist und wir ordentlich durchgeschüttelt werden. Zum Glück sehe ich rechtzeitig einen Tragegurt von Nicolas Rucksack vorm Fenster baumeln. Leider habe ich dem Fahrer vorher das Geld - leider nicht passend und daher zuviel - gegeben. Während der Fahrt wird das Fahrgeld eingesammelt - ich hoffe jetzt mein Wechselgeld wieder bekommen. Jetzt stellt sich heraus, dass der Fahrer gar nicht daran denkt. Ich frage andere Passagiere und es stellt sich heraus, dass der Fahrer innerhalb einer Tour - natürlich nur für einige Passagiere - die Preise erhöht hat. Große Aufregung, alle reden laut durcheinander und auf den Fahrer ein. Solche Späße werden hier von niemandem geduldet. An der Grenze geht es weiter und während ich die Szene eher amüsiert beobachte, regt sich Nicolas so richtig auf und schafft es alles restliche Geld zu erkämpfen. Klasse.

Beim Zoll, oder was auch immer, müssen wir unser Gepäck vorzeigen und werden dann leise zur Kasse gebeten. Na ja - 500 CFA sind nicht die Welt.

Jetzt müssen wir das Taxi wechseln. Wir sind in Guinea-(Conakry) und hier werden wir Zeuge eines Wunders. Wir wundern uns nämlich, mit wie viel Klebstoff, Spachtelmasse und Rost ein PKW mit 10 Personen zuzüglich Ladung (hier fahren mindestens 2 Personen mehr mit als in Guinea-Bissau) sich fortbewegen kann, nachdem er allein von einem halbwüchsigen Jungen angeschoben wurde. Ein weiteres Wunder, dass wir über eine schlimme Piste den Grenzposten von Guinea überhaupt erreichen.

 

 

Guinea-Conakry

 

Hier müssen wir die Pässe zeigen und anschließend auf die andere "Straßen"-Seite zum "Zoll". Sah der Passkontrolleur von eben noch halbwegs ordentlich aus, so ist der hiesige Zöllner ein Jungspund mit Muskelshirt, der aussieht, als wäre er gerade aus der Disko geflogen. Er fragt uns, wie viel Devisen wir einführen. Nicolas meint 40.000 CFA und ich meine, soll ja niemand glauben, dass ich mir Guinea nicht leisten kann, 100.000 CFA. Der Jungspund schreibt auf einen weißen, leeren Zettel unsere Namen und die Zahlen und behauptet, es gäbe ein Gesetz, welches besagt, dass bei Einfuhr ab 100.000 CFA eine Steuer von 10% fällig ist. "Wie bitte?" - Ich glaube ich höre nicht recht. Jetzt bin ich so richtig geplatzt und habe den Spinner angebrüllt, dass er diese Steuer gerade erfunden hat, dass er lügt, dass es ihm wohl Spaß macht Leute zu schröpfen - soll er doch arbeiten gehen und, dass ich nicht bereit bin, seine Parties zu finanzieren. Non, non, non. Darauf kommt er auf die amtliche Tour und will mein Gepäck sehen. Wenn er Krieg will, dann kann er ihn haben und ich zeige ihm Unterhose für Unterhose bis er selbst merkt, wie blöd das ist. Das Geld will er aber immer noch. Ich werfe ihm 10.000 CFA verächtlich und hasserfüllt vor seiner Nase auf den Tisch. Auf die Art will er das Geld nun aber auch nicht und er weiß gar nicht, warum ich mich so aufrege, er befolgt doch nur ein Gesetz. Jetzt gebe ich Nicolas vor den Augen des "Zöllners" 30.000 CFA, so dass wir beide 70.000 CFA haben. Wat nu? Jetzt ist doch wohl keine Steuer mehr fällig. Der Idiot besteht trotzdem darauf, weil er die Zahlen doch auf seinen formlosen Zettel gekritzelt hat und meint ihn nicht mehr ändern zu können. Er versucht das noch irgendwie zu erklären aber jetzt brüll ich ihn nieder und lass ihn nicht mehr zu Wort kommen. Wieder und wieder frage ich ihn, worin er jetzt ein Problem sieht und ob ich sein Gekritzel etwa selbst ändern soll. Er gibt schließlich auf, blickt hilflos zu Nicolas und ich gehe zufrieden zu unserem Taxi. Es ist immer wieder schön, so einen Idioten zusammenzuscheißen.

Die Ruckelfahrt geht weiter, bis wir den Flecken Saréboido erreichen. Hier werden alle ausgeladen und hier wechseln wir Geld etwas abseits am Straßenrand. Dies geht nicht nur recht reibungslos - es ist einfach die einzige Möglichkeit.

Ein amtlich, seriöser Mann, so richtig ernst mit Brille, läuft hier herum, kritzelt Zahlen auf irgendwelche Papierfetzen, die er dann verteilt, und addiert Phantasiezahlenkolonnen an Häuserwänden. Es ist der Dorfverrückte, den alle gewähren lassen. Alle bedanken sich auch artig für die gekritzelte Zahl auf dem Fetzen Papier und schmeißen ihn weg.

Es ist schon spät und es fährt nur noch ein Taxi weiter nach Koundâra, der nächst größeren Stadt, wo auch die Autos aus dem Senegal entlangkommen. Irgendwie glaubt der Fahrer, 8 Leute in seinen kleinen Peugeot zu bekommen (in den Kombi gehen gerade 10). Das kann nicht funktionieren. So werden unsere Rucksäcke kurzerhand wieder abgeladen und das Taxi fährt ohne uns ab.

Nun stehen wir da wie blöd. Nicolas, der die ganze Szene verpasst hat, weil er sehr lange auf dem Klo saß, fühlt sich verantwortlich und findet zwei freundliche Leute in einem heilen Privat-PickUp, mit viel Platz und für den gleichen Preis. Die Fahrt ist saubequem und geht über schlimme Piste bis nach Koundâra, was wir noch vor der Dunkelheit inklusive einem schönen Sonnenuntergang - durch die Wolkenbildung hat die Sonne schicke Querstreifen - erreichen.

Wir haben also die Strecke von Bafatá nach Koundâra in einem halben Tag geschafft - das ist schnell. Wir finden schnell eine Unterkunft, das Hotel Nafaya. Ganz schön heruntergekommen - ohne fließendes Wasser, aber mit Strom. Wir teilen uns ein Zimmer und ein Bett für 10.000 FG (hier gilt der Franc Guinée), weil der "patron" des Hotels uns sonst nur zwei Zimmer (eines für 5.000 und eines für 10.000 FG) gegeben hätte, und bekommen kühles Bier. Da es mit dem Essen Probleme gibt, lege ich mich mit dem Koch an - bin heute wohl irgendwie auf Krawall gebürstet - Nicolas kann aber, da er Franzose ist, vermitteln, und ich entschuldige mich ausdrücklich - Missverständnis.

So trinken wir noch friedlich Bier und versuchen in dem stickigen Zimmer zu pennen.

Im Hotel ist noch länger etwas los - es ist nämlich ein Puff.

Wir frühstücken morgens eine Cola auf nüchternem Magen und erreichen frühzeitig den "Gare Routière", den Busbahnhof. Ein Buschtaxi ist schnell gefunden, wir treffen auch Reisende von gestern wieder. Das Taxi, ein Peugeot 504-Kombi wird mit 10 Erwachsenen und 4 Kindern überfüllt - die spinnen hier völlig. Dazu muss man erwähnen, das ein hiesiges Auto mal gerade die Primärfunktionen erfüllt. Das bedeutet, es hat vier Räder, die meistens gleichzeitig den Boden berühren und mit der Mindestanzahl Schrauben befestigt sind, einen Motor, der es meistens antreibt, bei Fahrten bergab aber oftmals abgestellt wird, ein leidlich funktionierendes Lenkrad und etwas Bremsen. Die Türen lassen sich zum Beispiel überhaupt nur von außen öffnen. Auf die mittlere Sitzbank passen 4 Leute und ich habe gerade einen viertel Platz und leide. Gelegentlich sitzen vorne ebenfalls 4 Leute und auch schon einmal ein paar auf dem Dach.

Nächstes mal kaufe ich zwei Plätze im Auto. Unsere Tour dauert über 8 Stunden und geht über 300km. Bei einer Pause taucht ein Schild auf: Labé 159km - na klasse, nur noch 2-3 Stunden in dieser Sardinenbüchse. Hier kaufe ich dann Beignets, kleine runde Pfannkuchen. Da ich die Währung "Franc Guinée" noch nicht drauf habe (1000FG=0,5€) werde ich missverstanden und bekomme eine ganze Tüte voll. Ich versorge damit unser ganzes Auto. Daraufhin kotzt sich eines der Kinder voll.

Als wir nach 3 Stunden noch immer nicht angekommen sind, heißt es: Noch ca. 120km. Wie das? Eine Mitreisender meint dazu, auf dem Schild war wohl Luftlinie gemeint und auf dieser Piste mit seinen Kurven ist es doppelt so lang.

Dazu dann noch die dauernden Passkontrollen. Hier zeigt sich, dass Armee und Polizei auf  Uniformspenden der ganzen Welt angewiesen ist, weil es keine eigenen gibt. So wird man optisch von amerikanischen und russischen Soldaten mit französischen und deutschen Mützen angehalten. Natürlich ist die US-Army besonders beliebt. Das passt so gut zur Sonnenbrille - sieht tierisch cool aus.

Ansonsten ist das Ausweisspielchen sehr beliebt obwohl es völlig sinnlos ist. Die Leute können nämlich oft gar nicht lesen und malen einfach die Zeichen ab. Schon oft stand bei mir als Name "deutsch".

Die Fahrt ist sehr anstrengend, obwohl die Landschaft sehenswert ist mit seinen Tafelbergen, Hochplateaus, Savannen und üppigen Wäldern. Die Termitenhügel sehen hier aus wie Pilze und sehen damit besonders lustig aus. Hügel mit Deckel - und davon tausende - als ob hier mutierte Maulwürfe am Werk waren.

Wir durchqueren das Gebiet der Peul, die eine eigene Architektur und Kultur haben. Alles ist eingezäunt, kein Müll liegt herum, die Menschen wirken wohlhabend und die kultivierte Landschaft wirkt großzügig und sauber. Später lerne ich darüber aber, dass die Peul-Gegend durch Erosion als Folge von planlosem Holzeinschlag sehr kahl und fast eine Wüste ist. Die wenige brauchbare Erde wird vom Regen in die Täler gespült und damit man sie überhaupt nutzen kann, machen die Peul lieber Zäune rum und hindern ihre Ziegen und Rinder daran, die wenigen Pflanzen zu fressen. Zusätzlich bekommen die Tiere Querstangen um den Hals, damit sie nirgendwo durchschlüpfen können. Jenseits der Umzäunungen wächst dann in Hülle von Fülle trockenes, gelbes und nutzloses Gras.

Abends kommen wir völlig verstaubt und verdreckt in Labé an. Wir haben das "Fouta Djalon Plateau", eine bedeutende Hochlandschft (ab 1000m) erreicht.

Die Stadt ist nicht die schönste, ist aber groß und hat Hotels. Ich brauche dringend mal wieder etwas Komfort. Nicolas entscheidet sich spontan für die Weiterfahrt nach Pita, da er nicht so viel Zeit in Guinea verbringen will.

Mit einem Taxi suche ich das Hôtel Tata auf, wo es gute Pizza gibt und das wohl viel von Angehörigen diverser Hilfsorganisationen und dem amerikanischen Peace-Korps frequentiert wird. Ich bekomme ein Zimmer in einem Appartement, dass ich für mich alleine habe. Da ich inklusive aller Ausrüstung die rötliche Farbe der Straße angenommen habe, die nach zwei Tagen ohne Dusche recht fest geworden ist, kann ich jetzt endlich ausgedehnt duschen und die dreckige Kleidung waschen lassen.

Abends gibt es Pizza, zwei Bier und ich falle erschöpft ins Bett. Die Nacht ist klasse - ein paar Mücken fliegen im Zimmer,  nerven aber nicht groß rum.

Morgens ist zwar das Wasser alle, aber das macht jetzt auch nichts. Wahrscheinlich haben hier die Mädels der Peace-Corps-Truppe, die ebenfalls hier logiert, vor ihrer Abreise geduscht.

Überhaupt sind die meisten Gäste hier Mitarbeiter diverser Hilfsorganisationen. Ohne die läuft hier wohl nichts. In fast jedem Dorf sieht man Schilder, auf denen auf irgendeine Kooperation zwischen einem Land und Guinea hingewiesen wird. Man sieht sehr viele Autos mit Aufschriften "GTZ", "USAID" oder "UNHCR", letztere kümmern sich um die Flüchtlinge aus Liberia, Sierra Leone und jetzt wohl auch "Côte d’Ivoire". Überhaupt gibt es wohl zig-tausende Flüchtlinge in unzähligen Lagern in Guinea. Der Bürgerkrieg in Liberia dauert immerhin schon 10 Jahre.

Beim Frühstück treffe ich Thomas, der nicht nur für die GTZ, sondern auch in Hamburg gelegentlich für meine Behörde arbeitet. Da sitze ich im tiefsten Guinea und unterhalte mich über gemeinsame Kollegen und irgendwelche besonderen Seminare in Hamburg. Meine "lieben Kollegen" werden sich jetzt schlapplachen.

Die Welt ist also ein Dorf.

Ich will noch in die Stadt. Labé ist wirklich nicht schön. Eigentlich ist es eine typische afrikanische Kleinstadt mit den typischen Busbahnhöfen, kleinen Garküchen und Obstständen, Werkstätten und Märkten nahebei. Ich suche allerdings ein Internetcafé. Das ist nicht einfach, weil ich jedes  mal in eine andere Richtung geschickt werde, bis ich begreife, dass es drei Stück gibt und jedes mal ein anderes gemeint ist. Leider hatten das erste und das dritte wegen Sonntags geschlossen. Beim zweiten Laden sind die PC "en panne". Ich erkläre mich im Laufe des Nachmittags bereit, eventuell bei der Reparatur zu helfen, aber so etwas kann nur der "patron" entscheiden und der ist auf einer Hochzeit und somit nicht da.

Im Hôtel Tata wechsele ich das Zimmer, weil eines mit Mosquitonetz freigeworden ist. Der Geschäftsführer zickt erst etwas - als ich ihm aber erzähle, dass ich bei einem Internetcafé PC reparieren  will, ist er ganz von mir angetan und wäre am liebsten mitgekommen.

Abends gesellt sich noch Ulrike aus Berlin zu Thomas und mir, wir klönen über dies und das. Vieles verstehe ich gar nicht - sie sind Wissenschaftler und reden sehr hochgestochen.

Diese Nacht schlafe ich weniger schön.

Am heutigen Montag versuche ich noch einmal ins Internet zu kommen, aber leider kommen keine Verbindungen zustande. Auf dem gare routière nehme ich ein Buschtaxi nach Pita. Der Fahrer fährt los -  ohne das obligatorische Tanken. Schön blöd - kurz vor dem Ziel geht ihm der Sprit aus. Wir stehen in der prallen Sonne und sehen wie er per Auto-Stopp mit einem kleinen Plastikbehälter im nächsten Ort Benzin holt. Auf dem Rückweg sitzt er dann huckepack auf dem Kofferraum eines anderen PKW und hält sich am Gepäckträger fest.

Als wir in Pita ankommen, bin ich so genervt, dass dieser Ort, der so positiv im Reiseführer beschrieben ist, bei mir keine Chance hat. Es ist ein typischer kleiner Ort  in Afrika und obwohl die Gegend insgesamt recht fruchtbar ist, wirkt Pita ziemlich trocken. Die einzige Sehenswürdigkeit, einem kleinen Wasserfall an einem chinesischen Staudamm, kann so doll gar nicht sein.

Kurz vor dem Busbahnhof gibt das Taxi ganz auf und ich kann den Rest des Weges mein schweres Gepäck alleine schleppen. Danke und Tschüß.

Die weitere Tour nach Dalaba ist angenehmer, das Taxi meistens nicht so voll gestopft. Die Strecke geht durch Hügellandschaften mit Pinienwäldern. Es sieht etwas europäisch aus - bis einen die nächste Palme daran erinnert, dass hier Afrika ist.

Das Hotel Tangama ist fix gefunden und mit 25.000 FG günstiger als das in Labé. Das Nest ist aber ziemlich tot. Die Gegend lebt von einigen Natursehenswürdigkeiten in der Nähe. Es scheint aber so, als ob keine Saison ist und ich hier der einzige Tourist bin.

Ein Ausflug in die Stadt ist nicht groß erwähnenswert. Das einzige, bedeutende Gebäude ist die Moschee am Markt. Ich kaufe ein paar besonders leckere Beignets und richte mich auf geruhsame Tage ein.

Abends werde ich von einem Mitarbeiter des Tourismus-Büros im Hotel angesprochen. Das Büro ist ganz in der Nähe. Er zeigt mir eine Broschüre mit allen wichtigen Sehenswürdigkeiten der Gegend und davon gibt es tatsächlich einige. Interessante Dörfer, Wasserfälle, Kiefernwälder, Gärten etc. Das klingt natürlich wie eine super Touristengegend - erfordert aber fast immer ein Auto und ist oftmals schwer zugänglich. Ich will die Broschüre - es gibt sie auch in Englisch - kaufen. Sie ist so richtig "handmade" und soll 30.000 FG kosten - non merci. Wir verabreden uns trotzdem für den nächsten Tag.

Abends sitze ich noch im Hotel, im Garten. Es ist nett hier und schön kühl. Man muss sich warm anziehen. Hier tummeln sich ein Kaninchen und ein Äffchen, diesmal an einer losen Kette (später ganz ohne). Von Labé habe ich mir ein Buch mitgebracht, dass dort ein GTZler liegen gelassen hat. Eines von denen, wo die amis immer die Guten sind. Beim Lesen, besonders bei zunehmender Dunkelheit, merke ich doch, wie mir meine zerbrochene Brille fehlt. Ich werde sie versuchen zu reparieren, bzw. in gebrauchsfertigen Zustand zu versetzen. Gedacht, getan - mit einer aufgebogenen Sicherheitsnadel und etwas Klebeband werden beide Teile zusammengefügt und ich kann wieder scharf sehen. Es sieht zwar total krank aus - irgendwie bescheuert - aber das Hotelpersonal gewöhnt sich schnell daran.

Das Essen ist in diesem Hotel nicht so doll und vom hiesigen Skol-Bier bekomme ich einen dicken Kopf.

Die Nacht ist trotzdem klasse, mückenfrei und so richtig schön kühl.

Zum Frühstück bekomme ich ein Omelette (superlecker). Der angekündigte, selbst gepresste Orangensaft erreicht mich aber leider nicht. Es erscheint der nette Mann vom Tourismus-Büro und erzählt etwas von einem Veló. Ich erinnere mich dunkel, dass ich den Hotelmanager bat, sich um ein Fahrrad zu kümmern. Ich gehe also in sein Büro und er erzählt mir, dass er zwar kein Fahrrad habe, aber dafür ein Motorrad. Ich dachte zuerst, die wollen mich alleine mit dem Motorrad loslassen, aber das war nie deren Absicht. Sie bieten Exkursionen an und fahren selbst. Bei der Frage nach den Preise bekomme ich keine klare Antwort. Da ist die Rede vom "guide" und von "essence" - aber keine Zahl. Nach etwas Nachbohren erfahre ich 15.000 FG - geradezu billig. Ist das alles? Ja, nein, "essence" - so heißt das Benzin hier - nochmal 15.000 FG. Ist das alles? Inclusive? Na ja, sagen wir 35.000 FG. Wirklich alles? Es ist wirklich schwer mit Afrikanern Geschäfte zu machen, sie sagen niemals einen festen Preis und es kommt fast immer was dazu.

So finde ich mich also als Sozius auf einer kleinen Enduro-Maschine wieder - natürlich ohne irgendwelche Sicherheitskomponenten, wie Helm oder so. Vor mir sitzt Mamadou Diallo mit selbst gestrickten Fäustlingen an den Händen.

Der Vorname, sowie der Nachname sind wahrscheinlich die häufigsten in Afrika und begleiten mich seit Gambia bzw. Senegal. Ist halt alles eine große Familie.

Erst lassen wir kurz das "moto" checken, gehen noch zum Markt und wechseln bei einem Bauunternehmer Geld - mit entsprechender Provision - und brausen davon. Jetzt lösen wir das Problem mit der "essence". Tankstellen mit Mopedsprit sehen anders aus, als bei uns. Es sind kleine Stände an der Straße, wo in kleinen Regalen, mit Sprit gefüllte, Schnapsflaschen (eine Rummarke heißt hier z.B. "Cap Ten") aufgereiht stehen. Ebenso gibt es Öl in verschiedenen Qualitäten. Mir ist allerdings schleierhaft, wie der "Tankwart" diese auseinander hält. Es steht nämlich immer noch "Cap Ten" auf der Flasche.

Mamadou hat noch keine Ahnung, mit was für einen schlechten Sozius er zu tun hat, der bei jeder Kurve Schiss kriegt.

Das meiste der Strecke ist Piste, gut zu befahren. Es geht vorbei an Kiefern(Pinien)-Wäldern, einem hier berühmten Kräutergarten, sehen eine Herde Affen und nach etwa einer Dreiviertelstunde erreichen wir Ditinn. Hier, irgendwo, sind die "Chutes de Ditinn", das ist ein, zwar kleiner, Wasserfall, der aus 120m in die Tiefe stürzt. Das sieht recht beeindruckend aus. Auch der Weg dahin ist recht interessant. Hinter jeder Kurve hoffe ich, wir sind da. Jedenfalls ist das Ding ohne Führer nicht zu finden. Kurz davor lassen wir das "moto" stehen und gehen zu Fuß weiter. Ein "local", der zufällig des Weges vorbeikommt, soll auf die Maschine aufpassen. Der Weg ist schön, verläuft in Flussnähe und ist entsprechend grün. Der Wasserfall ist, wie gesagt, beeindruckend. Das Wasser ist eiskalt, mir frieren fast die Zehen ab. Auf dem Rückweg will der "local" plötzlich Geld, für 20min aufpassen, von mir 3.000 FG. Ich gehe sofort in Touri-Abzocke-Abwehrstellung und verweigere die weitere Geldabgabe. Erst einmal erkläre ich Mamadou die Bedeutung von Inklusiv-Paketen. Der local ist sein Problem - mein Vertrag mit ihm war "inclusive". Die Verlässlichkeit von Preisen ist noch ein großes Problem hier. Mamadou belässt es dabei und gibt einen kleinen, angemesseneren, Betrag und wir sausen zurück. Sein Trinkgeld bekommt er natürlich trotzdem. Er bittet mich noch, wenn ich wieder zu Hause bin, einige Fotos und eventuell einen deutschen Bericht von der Tour zu senden. Er möchte auch etwas für die deutschen Touristen parat haben - mal sehen.

Das Essen ist heute Abend etwas besser. Ich hätte natürlich auch in die Stadt gehen können, aber dafür bin ich zu faul.

Nach dem Frühstück, wieder ohne frisch gepressten Saft, sondiere ich noch mal kurz die nähere Umgebung des Hotels. Alle Häuser liegen an schlechten Wegen, die niemand repariert und haben eine Mauer drum herum. Außerhalb liegen verrostete Baumaschinen und Reste von Baumaterial. Wenn ein Haus fertig ist, dann bleibt alles liegen. Dazwischen sind immer wieder verfallene Reste von früheren Hotels und anderen Gebäuden. Niemand räumt hier etwas weg. Alles außerhalb der eigenen Umzäunung scheint hier niemanden zu interessieren.

Der Hotelmanager kommt mit einen Jungen mit Fahrrad. Gerade jetzt habe ich mich dazu entschlossen einen Wandertag zu machen und eventuell morgen abzureisen. Pech gehabt. Der Junge kann mir wenigstens erklären, wie ich zu Fuß zur "Pont de Dieu", der Brücke Gottes, komme, einer ausgewaschenen Felsenbrücke, die sehr pittoresk sein soll.

Das Ding ist sowieso nur zu Fuß zu erreichen. Mittags ziehe ich los. Jetzt ist gerade die Schule vorbei und viele Kinder - es sind sehr viele - gehen heim. Die meisten begrüßen mich mit "Bonjour, ca va?", dieser doch etwas nervigen, französischen Höflichkeitsnummer. Drei kleine Mädchen machen zusätzlich vor mir sogar nacheinander einen Knicks - jetzt übertreiben sie aber.

Dalaba wird von einer Hauptroute mit entsprechend viel Verkehr durchschnitten. Außerdem liegt es selbst sehr hügelig, so dass die Autos bergab mit Schwung und lautem Hupen rein-, mittendrin  rauf- und am Ende in einer Linkskurve rallyemäßig raus fahren. Das alles in großer Nähe zu kleinen Hütten und Häusern. Ein kleines Kind will zu seiner Mutter und entgeht nur ganz knapp einem Unfall. Keiner passt darauf auf, das Leben spielt sich an und auf der Straße ab und vielleicht sowieso gar keine Rolle.

Der beschriebene Weg ist gut zu finden, weil ein Hinweisschild an der Straße die Einfahrt markiert. Das ist schon einmal was. Mit Schildern ist das hier nämlich so eine Sache. Sie weisen ungefähr in die Richtung, werden aber selten oder nie bei z.B. Abzweigungen wiederholt. So ist man darauf angewiesen ständig zu fragen. Hier ergibt sich das zweite Problem. Man bekommt immer eine Antwort - auch wenn sie falsch ist. Manchmal bin ich mir noch nicht mal sicher, ob ich richtig verstanden werde. Die Menschen sprechen hier nicht nur "peul", die einheimische Sprache, sondern höchstens noch ein sehr nuscheliges Französisch. So versuche ich also die Informationen für mich zu filtern und aufzubereiten. Ich frage eine alte Frau, die mir entgegenkommt, einen würdevollen Alten, einem modernen Teenager oder die hin- und wieder auftauchenden, gnadenlos aufrecht gehenden Frauen, die die heutige Bananenernte auf dem Kopf zum Markt tragen.  Es mag recht klischeehaft klingen, aber man begegnet hier sehr oft den aufrecht und hintereinander gehenden, Lasten-auf-dem-Kopf-balancierenden Frauen. Das sieht sehr anmutig aus. Zumal im ländlichen Bereich Guineas komischerweise die Männer sehr westlich und die Frauen eher traditionell mit selbst genähten Kleidern und somit sehr weiblich aussehen.

Ich habe Glück und gehe intuitiv auf dem richtigen Weg. Da es sehr heiß ist, hoffe ich hinter jeder Kurve mein Ziel zu sehen, aber dahinter ist immer wieder eine neue Kurve und eine neue Abzweigung. Und zum Glück immer wieder jemanden zum Fragen. Ich bin schon fast so weit umzukehren, als ich an einem versteckten Peul-Dorf ankomme und ein paar Kinder mich zur "Pont de Dieu" begleiten. Auch dieser Ort ist ohne Führung nicht zu finden.

Hier sitzen schon ein paar junge Männer, die Mädels trauen sich erst nicht weiter und schicken mich vor. Die Jungs haben zwar, wie so oft hier, nichts zu tun, lassen uns aber in Ruhe.

Die Felsenbrücke ist ganz nett, sieht aber bestimmt nach der Regenzeit eindrucksvoller aus. Der Weg hierher hat sich aber allemal gelohnt.

Ich besorge mir noch in der Stadt einen Happen zu essen und erreiche, recht geschafft, fast 1,5 Stunden später, mit hängender Zunge das Hotel.

Den Nachmittag nutze ich dazu, meinen Rucksack drastisch abzuspecken. Nach Abzug der Winter- und der Campingabteilung und einiges Extra-Schnickschnack gelingt es mir mein Gepäck um ein drittel zu reduzieren. Suuuperleicht. So bringt das Reisen doch richtig Spaß. Vielleicht werde ich das überflüssige Gepäck hier zwischenbunkern und eine Woche durch die Gegend reisen. Mal sehen.

Abends mag ich gar nichts mehr essen. Da Bier - ich bin seit gestern beim heimischen "Guilux" - schmeckt aber. Zu mir gesellt sich Xavier aus der französischen Schweiz. Er sieht sich schon mehr deutsch reden müssend, was nicht seine Stärke ist, aber nix da, ich will französisch lernen. Wir unterhalten uns prächtig über unsere bisherigen Erlebnisse und Pläne.

Am nächsten Morgen, beim Frühstück, beschließen wir, ein paar Tage gemeinsam über Sandpiste mit seinem Allradwagen zur Küste zu kommen. Diese Variante hatte ich bis dahin noch gar nicht auf dem Zettel. Da er aber noch zwei Tage wegen Krankheit pausieren will, werde ich dem Ort Pita noch eine Chance zu geben und mich in zwei Tagen dort mit ihm treffen. Beim Frühstück sitzt außerdem noch Tim aus England, mit dem ich bis Mittag noch klöne und den ich vielleicht noch in Mali wiedertreffe.

Ich checke aus  und begebe mich zum Markt. Hier entscheide ich mich, nicht direkt nach Pita, sondern entgegengesetzt nach Mamou zu fahren. So bekomme ich auch dieses Stück dieser schönen Strecke zu Sehen. Das Auto ist diesmal nicht so voll und erreicht nur für kurze Strecken seine volle Kapazität. Die Strasse, bzw. die Landschaft ist wirklich sehr schön. Immer wieder kann man weit in die Gegend blicken und verfolgen, wo an den sanften Bergen die Strasse verläuft. Bei Gefälle schaltet der Fahrer den Motor aus. Einmal wird das Gepäck nach oben verfrachtet und dafür in den Heckraum drei Ziegen und ein paar Hühner gewuchtet. Geht alles.

Wir erreichen Mamou am frühen Nachmittag, natürlich nicht ohne am Ortseingang die Pässe, besonders meinen, zu kontrollieren.

Man lässt mich am "gare routière" nach Conakry raus. Hier ist gleich eine Polizeistation und will mich dort nach einem Internet-Café erkundigen. Der Polizei-Chef, er betont das richtig, ist trotzdem scharf auf meinen Pass. Einer seiner Untergebenen trägt eine Trainingsjacke mit einem Bundeswehr-Aufnäher, so richtig mit Bundesadler. Ich erkläre ihm, dass das "militaire allemand" bedeutet. "Was, militaire allemand?" - Er rennt sofort zu seinem Kollegen und berichtet stolz: "Weißt Du was das heißt? Militaire Allemand!". Der Mann ist so glücklich, dass er mich direkt zum Internet-Café bringt. Leider ist das Telefonsystem in Guinea ziemlich am Boden, es kann auch mit der Stromversorgung zusammenhängen, so dass es keine Verbindung gibt. Schade, aber ich wollte eigentlich nicht hier bleiben. So packe ich meinen, jetzt superleichten, Rucksack und suche den "gare routière" auf. Ich muss nur dummerweise zu dem für Labé, also am anderen Ende der Stadt. Nach ein paar Kilometern finde ich ihn sogar und kaufe meinen Platz nach Pita. Ich frage nach dem Preis: "6.500FG","Inklusive Gepäck?","Ja, ja ","Für beides?","Gepäck ist 2.000FG","Also zusammen 8.500FG?","Nein 6.500FG","Also doch zusammen 6.500FG?","Ja ja".

Als das Taxi endlich mit 11 Erwachsenen und 2 Kindern abfährt, will der Platzwart noch 1.000FG für das Gepäck. Zusätzlich zu den Leuten im Innenraum nehmen wir noch 2 Leute auf dem Dach mit. Wenn eine der üblichen Kontrollen kommt, steigen sie schnell ab, gehen zu Fuß durch um danach schnell wieder, in Sichtweite, wieder aufzuspringen. Der Fahrer fährt sehr schnell und einmal öffnet sich sogar bei hoher Geschwindigkeit die Tür an der ich sitze. Da sie vorne zu viert sitzen, muss er beim Schalten seinen Sitznachbar zwischen die Beine greifen. Die gesamte vordere Innenverkleidung einschließlich Lenkrad und Armaturen - also vom Blinkerhebel bis zum Handschuhfach - ist so locker, dass sie bei jedem Loch droht herunterzufallen und wird wohl nur durch das Festhalten des Lenkrades auf Höhe gehalten. Durch Dalaba heizt er mit höchstmöglichen Tempo durch. Leider kann er sein Kommen nicht wie alle anderen ankündigen, weil seine Hupe nicht funktioniert.

Als wir Pita erreichen, bin ganz froh darüber. Beim Aussteigen frage ich nach einem gutem Hotel. Sofort renntg einer los und bringt mehrere, zum Teil alkoholisierte, Leute die mich zu einem Hotel führen  wollen. Sie reden alle durcheinander bis ich "STOPP" brülle. Ich lasse mir kurz den Weg beschreiben und gehe alleine los. Ich krieg schon wieder einen Haß auf dieses Nest. Das Hotel Kinkon wird zwar großkotzig angekündigt - auf den Plakaten steht was von "chambres, nightclub, bar" - entpuppt sich aber, nach viel Fragerei, als ein schäbiges, kleines, schmutziges Haus, welches nicht als Hotel zu erkennen ist. Hier findet man keine Schilder, keine Hinweise, noch nicht mal am eigenen Haus. Es ist wenigstens mit 10.000FG nicht teuer. Trotzdem bin ich frustriert. Mein Gepäck lasse ich erstmal stehen und erkundige mich nach Alternativen. In der Nähe ist das "Le Forèt de Sacrée", ein minikleiner Schuppen, ebenfalls mit "bar und nightclub", mit 2 schäbigen, komfortlosen und fensterlosen Zimmern neben einer Tanzfläche. Die sind hier echt nicht ganz dicht - nach dem Preis frage ich gar nicht erst.  

An der Hauptstraße esse ich etwas in einem Straßenrestaurant. "Restaurant" bedeutet hier, dass es einen kleinen Stand aus Holz und Blech mit einwenig Kinderzimmergestühl gibt. Es gibt keine Speisekarte, sondern sucht sich etwas an der Straße aus. Nur Morgens gibt es z.B. auch ein Omelette - persönlich gebrutzelt von Chef. Heute Abend gibt es Kartoffelsalat mit Brot. Ist nicht schlecht, vielleicht war die Köchin - hier kocht eine für alle dasselbe - etwas zu großzügig mit der Mayonnaise. Viel Essensauswahl gibt es ohnehin nicht. Entweder einen Kaffee (mit oder ohne Mayonnaise), Kartoffelsalat, Reis mit oder ohne Suppe oder Brochettes, kleine schwarze Fleischspießchen.

Es ist zwar schon etwas dunkel, doch ich will mir doch noch das dritte Hotel, die "Auberge de Pita" anschauen. Sie liegt am anderen Ortsende, ich muss also komplett durch, und ganz weit abseits - natürlich wieder ohne irgendwelche Hinweise in eigener Sache - sehr schwer und nur zufällig zu finden. Der Preis ist mit 15.000FG für ein Zimmer mit Klo und Dusche zwar angemessen, aber es ist einfach zu weit. Meine morgiges Tagesziel, die "Chutes de Kinkon", liegen an der Seite, wo ich jetzt wohne und nahebei will ich übermorgen Xavier treffen.  

Ich bin also immer noch frustriert. Ich kehre zum "Kinkon" zurück. Auf der Gemeinschaftstoilette stelle ich fest, dass ich Blut im Urin habe und es beim Pinkeln brennt - "merde". Ich versuche dem Problem erst einmal mit Antibiotika beizukommen, sehe mich aber in einigen Tagen in Conakry beim Arzt. Jetzt bin ich besonders froh, bei Xavier angeheuert zu haben. Sehr nachdenklich versuche ich zu schlafen, als auch hier in einem Nebengebäude der "nightclub" loslegt. Es geht bis in den frühen Morgen - aber ich habe Lärmstopp dabei. Außerdem bin sowieso dauernd wach, weil ich literweise Wasser trinke.

Am Morgen wird die Urinfarbe schon wieder besser. Ich verlasse zeitig das Haus und gehe zu den Straßenrestaurants, frühstücken. Es gibt lecker Süßkakao und ein Omelette. Die Zeit vertreibe ich mir mit der Lektüre der Beipackzettel meiner Malaria-Pillen. Besonders "Paludrine" kann bei Überdosierung Blut im Urin erzeugen. Falls mich das stört, kann ich ja ein Medikament dagegen nehmen - die sind auch nicht ganz dicht. Ich beschließe die Prophylaxe-Dosen zu halbieren, da ich vermute, dass meine Nieren ein Problem haben (zuwenig Wasser). Ich werde jetzt sehr aufpassen, den Bierkonsum einstellen und das ganze bis Conakry beobachten. Tatsächlich bleibt mir auch gar nichts anderes übrig.

Im Polizei-Commissariat hole ich mir die Erlaubnis, die "chutes de kinkon", jene berühmten Wasserfälle, zu besichtigen. Die Daten in meinem Pass werden fein säuberlich in eine Liste und auf einen Eintrittszettel übertragen. Ich heiße mal wieder "deutsch".

Es sollen etwa 10km Weg sein. Nach einem guten Stück, die Hauptstraße nach Labé, biege ich links ab. Jetzt folge ich der Straße nach Télimelé, die ich morgen mit Xavier benutzen werde. Die Temperaturen sind noch angenehm kühl und die Landschaft sehr schön. Ich habe weite Sicht in alle Richtungen. Irgendwann kommt ein Abzweiger - mit Hinweisschild. Der Weg wird schlechter und schlechter und ich frage mich immer wieder, ob ich hier noch richtig bin. Zum Glück tauchen immer wieder Leute auf, die mir immer wieder den Weg bestätigen, bzw. sagen, welchen Abzweiger ich wohin nehmen soll. So laufe und laufe ich weiter. Meine Füße melden sich und wollen nicht mehr. Sind es wirklich nur 10km? Ich versuche auch dies herauszufinden, aber die Entfernungen werden in Afrika wohl eher variabel gehalten. Leicht genervt stapfe ich weiter, dauernd nach dem Weg und nach der Entfernung fragend. Zu blöde, ich hatte Recht, als ich damals hier nicht geblieben, sondern weitergefahren bin.

Nach langer Zeit taucht erst in der Ferne ein Stausee und dann ein gesichertes Gelände auf. Ich scheine da zu sein. Ein Wachtposten nimmt mir meinen Eintrittszettel ab. Vor mir liegt ein Trümmerfeld von Straßen und Häusern. Hier war wohl einmal mehr. Eine Kaserne, eine Hotelanlage, eine Fabrik, irgendwas. Es ist nichts mehr zu erkennen. Hier liegen nur Trümmer und Müll und einige Baracken von den Chinesen, die damals den Staudamm, der auch hier ist, gebaut haben. Sonst kaum ein Mensch. Selbst auf dem Gelände muss ich weiterfragen, wo die "chutes" sind. An einem Ende des Geländes ist dann eine ehemals richtige Straße zur erkennen, die zu den "chutes" führt. Ich folge ihr und treffe auf eine tiefe Schlucht, in der ein bißchen Wasser rauscht. Na klar, die "chutes" werden aus dem Stausee gespeist. Da der aber tagsüber gefüllt wird, damit die Gegend wenigstens nachts etwas Strom hat, sind die Schleusen zu. Dieser Damm versorgt die ganze Gegend von Labé bis Mamou. Der kleine Rest sieht aber wenigstens  ein kleines Bisschen imposant aus. Man kann sogar zu den "chutes" (Fällen) runterklettern und in den Schlund fotografieren. Wenn jetzt einer die Schleuse öffnet, wird man gnadenlos runtergespült. Ein bisschen Schiss hab ich dann doch und klettere nach dem Foto schnell wieder rauf.

Der Rückweg ist sehr mühsam, meine Füße schmerzen und die eine oder andere Blase ist entstanden. Das mit den 10km kann nicht stimmen - gefühlt sind es dreißig. So schleiche ich langsam und fußkrank zurück, jeden Stein verfluchend. Die Rettung naht auf etwa halber Strecke in Person eines Jungen mit Namen Mamou mit seinem Moped. Er sieht mich, ich überlege nicht lange und schon sausen wir los. Nach kurzer Zeit bin ich im Hotel zurück, meine Wunden lecken.

Abends schaffe ich es nur noch in Zeitlupe in den Ort zu schleichen, dort aber ein richtiges Restaurant, "L’Amité", zu finden. Das Essen, ein gutes Steak, ist lecker.

Nachts läuft in meinem Hotel ziemlich laut ein Horrorfilm. Trotzdem schaffe ich es recht lange zu schlafen. Morgens, nach dem Süßkakao-Omelette in meinem Stamm-Frühstücksrestaurant, treffe ich Xavier, pünktlich an der verabredeten Stelle. Wir folgen zuerst der Straße zu den "chutes". Danach ändern wir die Richtung und fahren, auf breiter Piste weiter. Links und Rechts ist weite Landschaft. Das gelbe Gras sieht aus wie wogende Weizenfelder, unterbrochen von kleinen Wäldchen, Gebüschen und kleinen Flussläufen. Würde nicht hier und da der eine oder andere Afrikaner in der Szene auftauchen, würde ich denken, ich wäre in Europa. An Brücken findet man z.B. fast immer Frauen beim Waschen.

Die Landschaft wechselt in eine Hochgebirgslandschaft. Die Straße windet sich etwas an den Bergen entlang - immer schon die Straßenkurven des nächsten Berges in Sichtweite. Es macht Spaß zu fahren und wir haben oft schöne Motive für Fotos. Oft müssen wir den vielen Ziegen und Rindern ausweichen, die hier überall im Weg rumlaufen. Hin und wieder sehen wir kleine Affen.

In einiger Entfernung sind Berge mit Granitfelsen, dazwischen unwegsames Busch- und Waldgebiet. Trotzdem taucht immer noch dazwischen das eine oder andere Dorf auf. Für die Dörfer wurden wohl die Hinweisschilder von den Saudis spendiert. Sie haben hier immer einen Zusatz in arabisch.

Oft haben die Dörfer Rundhütten - oft aber auch Häuser in hiesiger Standardbauweise mit kleiner Veranda. Die Veranda haben dann aber auch tatsächlich alle.

Mitten auf der Strecke treffen wir einen Franzosen zu Fuß, mit Rucksack, den Xavier bereits vor drei Monaten schon einmal getroffen hat. Die Welt ist klein. Die Straße führt jetzt stetig abwärts und endet an einem Fluss. Wir fahren rauf, der Fährmann wird gerufen und, nachdem auch noch ein Buschtaxi geentert hat, geht es los. Die Fähre wird an einem Drahtseil per Handkurbel angetrieben. Drüben angekommen, will er natürlich Geld. Er hält unseren 4x4 für einen LKW und will den dreifachen Preis, den er dem völlig überladenen Buschtaxi hinter uns abknöpft. 10.000FG. Natürlich gehen wir beide in Touri-Abzocke-Abwehrstellung. Dumm, dass wir vorne stehen, so blockieren wir die Fähre. Für die Hälfte fahren wir dann weiter. Wir hätten ihn auch ärgern und so weiterfahren können.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Télimélé, eine kleine Stadt mit einigen Hotels, darunter einem ganz neuen Hotel, wie mir Paul, der Australier erzählte. Wir müssen uns entscheiden, ob wir hier nächtigen oder uns trauen, Richtung Boké, weit an der Küste, weiterzufahren. Wir sind heute mal mutig und fahren weiter.

Am Ortsausgang, an der üblichen Polizeikontrolle, knallt es plötzlich und etwas schlägt gegen die Windschutzscheibe. An der Stelle ist jetzt ein sternförmiger Sprung. Xavier meint, es wäre eine unreife Mangofrucht, ich glaube es ist etwas anderes. Es gibt ja noch andere Früchte, die einen erschlagen können. Jedenfalls meinen die Polizisten, die Straße noch Boké ist eine "bonne route". Also los.

Die Piste schlängelt sich weiter die Berge hoch und entsprechend schnell sausen wir wieder hinab. Die Baumkronen treffen sich in der Straßenmitte und spenden Schatten. Hier und da kommt ein Dorf. Uns fällt auf, dass die Leute doch recht erstaunt gucken, als wir durchfahren - als ob wir Außerirdische wären. Die Antwort ahnen wir, als der Zustand der Straße immer schlechter wird. Es werden mehr Löcher, immer mehr Felsen, die nur mit Autos mit entsprechender Radaufhängung überwindbar sind. Die Strasse kommt uns vor wie ein seit kurzem trockenes Flussbett mit lauter grobem Geröll und steilen Ufern. Plötzlich, nachdem wir ein Feld nicht unähnlich eines Lavafeldes ohne Wegmarkierung durchholpert haben, stehen wir vor einem richtigen Fluss. Nachdem wir die Tiefe gecheckt haben fahren wir mit richtiger Bugwelle durch, ein schmaler Weg führt steil bergauf, über echte Felsen - wir werden durchgeschüttelt und das Auto ächzt und stöhnt. Wenn nicht manchmal Reste einer alten Reifenspur zu sehen wären, würden wir meinen, wir sind die ersten, die diesen Weg nehmen. Deswegen gucken alle so komisch. Diese Strecke ist auf jeden Fall diesen Tag nicht mehr zu schaffen - es wird gegen 19.00 dunkel.

Wir lassen uns bis Sonnenuntergang weiterschütteln und stellen uns für die Nacht an den "Straßenrand". Xavier kramt in seinem Material und findet noch einen Kocher, etwas Nudeln und einige Dosen Ölsardinen aus Marokko. Außerdem gibt es noch einen leckeren Rotwein. Wir klönen noch recht lange - mein französisch wird immer besser. Ich quatsche ihn so richtig voll. Wir haben beide schon einiges an Afrikaerfahrung und uns entsprechend viel zu erzählen.

Irgendwann taucht aus dem Nichts ein Einheimischer auf (bonsoir, ca va?). Man sieht ihn erst im letzten Augenblick. Genauso plötzlich verschwindet er auch wieder.

Xavier hat auf seinem 4x4 ein Dachzelt. Es ist sehr breit und wir können uns gut arrangieren. Man schläft toll in so einem Ding, wenn auch die Eingänge etwas ungünstig platziert sind.

Morgens gibt es noch einen schnellen Kakao mit Butterkeksen.

Wir schaukeln weiter. Eine Pavianherde kreuzt unseren Weg. Nach jeder Kurve hoffen wir, dass die Straße besser wird und werden enttäuscht. "Bonne route". Diese Bemerkung kommt sehr oft. Jedes mal, wenn wir denken, gleich bricht die Achse oder gleich platzt ein Reifen. "Bonne route". Gelegentlich kommt ein Dorf und ein Fluss und die Waschfrauen springen erstaunt zur Seite. Danach wieder Felsen, die Allrad erfordern - "Bonne route". Einige Male müssen wir wieder nach dem Weg fragen und verfahren uns - zum Glück nur ein wenig. In einem Dorf liegen die sterblichen Überreste eines Autos. Das war wohl das letzte Auto, welches diese Route versucht hat und kläglich gescheitert ist.

Die Leute hier staunen zwar über uns, die Männer laufen aber, wie schon zuvor beschrieben, modern gekleidet rum, oft sogar mit einem Transistorradio in der Hand. Die Kleidung, viele Werbe-T-Shirts aus Deutschland, kaufen sie aber in den Boutiquen - so nennt man die kleinen Verkaufs-Bretterbuden - in den kleinen Städten und Dörfern. Und diese Kleidung stammt fast ausnahmslos aus Altkleiderspenden. Selbst die Stoffe, aus denen sich die Frauen hier ihre so traditionellen Kleider nähen und deren Muster in ganz Westafrika gleich sind, stammen aus England. Hier wird nichts im eigenen Land produziert. Selbst die Schuhe kommen oft aus Nigeria.  

Gegen Mittag erspähen wir in der Ferne eine Piste mit Autoverkehr. Hurra, wir haben es geschafft. Wir ruckeln Vorsichtig in ein Tal hinein, überqueren eine Brücke und schon haben wir die gute, alte Piste wieder - Lochfrei. Wir klettern eine Steigung hinauf und landen in einer Baustelle. Es sieht so aus, als wenn hier eine große Straße gebaut wird. Wir passieren einige Baufahrzeuge und folgen der Spur zur neuen Straße. Verwundert sehen wir die Breite. Soll das hier eine Autobahn werden?

Ungläubig folgen wir ein Stück. Wir können hier locker 100 Sachen fahren. Plötzlich taucht vor uns ein Lastwagen auf.  Der ist so groß, dass er die Hälfte der "Autobahn" ausfüllt. Nach kurzer Zeit ist der Spaß zu Ende. Einige Arbeiter teilen uns mit, dass wir inmitten einer riesigen Mine rumfahren, wo wir nichts zu suchen hätten. Sie zeigen uns den offiziellen Weg hinaus. Hierzu müssen wir auf das Gelände der Minengesellschaft. Man teilt uns mit, dass hier eine Bauxitmine ist, die von einer US-amerikanischen Gesellschaft mit kanadischen Fachleuten ausgebeutet wird. Die Handarbeit dürfen die Einheimischen machen. Die können sich irgendwie nicht vorstellen, wo wir herkommen. Anscheinend benutzt tatsächlich niemand den Weg, den wir uns so mühsam ertrotzt haben. Wir müssen uns am Haupttor melden. So durchqueren wir das Gelände, Xavier dreht aus purer Neugier noch eine Ehrenrunde (wo wir schon mal da sind) und sehen die Labors für die Geologen und andere Fachleute, eine moderne Krankenstation und ebenso modernes Verwaltungsgebäude. Erst dann landen wir am Haupttor. Hier erwartet man uns schon, seitdem wir die ersten Baufahrzeuge gesehen haben. Wir müssen den Wagen an die Seite fahren, unsere Pässe präsentieren und unsere Ladung im Auto erklären. Außerdem will der Chef der Sicherheitsfirma und die Polizei mit uns sprechen. Sie begründen dies mit der Sicherung amerikanischer Einrichtungen gegen El-kaida-Aktionen. Und ein Schweizer und ein Deutscher, die beide aus dem Nichts, völlig ohne Kontrolle auftauchen - sehr verdächtig.

Sie lassen uns trotzdem laufen.

Der dazugehörige Ort heißt Sangarédi. Wir durchqueren erst den wohlhabenden Teil - hier wohnen wohl die Fachleute - hier gibt es Teerstraßen. An einer Kreuzung müssen wir stoppen, weil ein langer Konvoi, ausschließlich Allradautos, Vorfahrt bekommt. Dann bekommen wir wieder die übliche Piste und Guinea hat uns wieder. Der Ort ist wieder typisch, trotzdem recht groß, aber wohl nur für Geologen spannend. Dafür wird man hier am Ortsausgang noch einmal extra kontrolliert. Ab jetzt folgt eine breite, sehr staubige Piste, die sich mit 100 Sachen fahren lässt. Es staubt fürchterlich, besonders bei Gegenverkehr.

In Boké, wo wir noch einen "cafe avec mayonnaise" plus Fleisch zu uns nehmen und uns dabei von einem Einheimischen voll quatschen lassen, ändert sich die Straße in eine gute Asphaltstraße.

Wir fliegen so dahin. Die Landschaft wird flacher. Rechts und links ist Buschwerk und einige Wäldchen, in der Ferne sehen wir noch die Berge. Es weist nichts auf die nahe Küste hin. An den Straßenrändern liegt Wäsche und auf Unterlagen Maniokstücke zum Trocknen auf dem heißen Asphalt. Oft sieht es aus, als würden wir da glatt rüber fahren. Wir fliegen so schweigend vor uns hin. Wir sind beide von der gestrigen Piste erschöpft und gerade dann finde ich es besonders schwierig französisch zu parlieren.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Boffa. Hier will Xavier einen Pfarrer aus der Schweiz besuchen und hier trennen wir uns. Der Ortsmittelpunkt mit dem "gare routière" ist gleichzeitig der Anleger für die Fähre über den Fluss "Fatale". Xavier fährt parallel zur Warteschlange ran und wird schon von anderen Fahrern angemeckert. Er erklärt sich, und denen, dass ich eine Passage nach Conakry suche. Alles klar und ehe ich mich versehe, finde ich mich in kürzester Zeit mit Hilfe eines Militärs(!) und einigen freundlichen Menschen samt Gepäck als dritter und letzter Passagier in einem Mercedes-PKW wieder. Klasse. Zwar müssen wir auf die dritte Fähre warten, aber alle sind nett und die Wartezeit ist trotz der Affenhitze erträglich. 

In der Schlange neben uns sitzt zum Beispiel ein Guineer, der lange in Frankreich gelebt hat, dort als Student die 100m unter 11m Sekunden gelaufen ist, mit einer Frau mit deutschen Vorfahren verheiratet war und selbst einen griechischen Großvater hat. Er hat tatsächlich sehr untypische Gesichtszüge.

Die Fähre ist fix, natürlich mit dem üblichen Chaos drüben - ein Auto musste richtig in seine Position geschaukelt werden. Mit lautem Gehupe bahnen wir uns den Weg durch die Menschenmassen, die auf der anderen Seite wuseln. Und hier ist eine superlange Schlange, die auf die eine Fähre wartet. Die werden wohl noch bis in den Abend warten. Das mit dem Hupen ist übrigens sehr gewöhnungsbedürftig. Erst nervt das, aber dann stelle ich fest, das die Leute hier irgendwie nicht mitkriegen, wenn ein Auto kommt - sie latschen einfach auf die Straße. Wir sausen jedenfalls mit Höchstgeschwindigkeit, laut hupend, so dahin. Überqueren hier und da kleine Flüsse. Neben der Straße wachsen jetzt zunehmend Palmen. Ein Fluss muss vierfach, vier Seitenarme, mit vier gelben, einspurigen Brücken überquert werden.

In den Vororten von Conakry wird es chaotisch. Viele Märkte, viel Gestank, viel Stau, viel Dreck. Die Leute im Mercedes suchen mir ein Taxi, handeln den Preis für mich aus und schärfen mir ein, nicht mehr als 8.000FG zu bezahlen. Viel Geld, aber wir fahren seehr lange durch die Vororte, stehen seehr lange im Stau und finden seeehr spät das Hotel Mariador, welches mir Ulrike in Labé empfohlen hat. Im Mariador-Palace, es gehört zur Meridien-Kette, kostet ein Zimmer 120 US$. Ähem, gibt es nichts billigeres? Klar doch, im Mariador-Residence, für 65.000FG. Gesagt, angerufen, gebucht und ein Taxi gerufen (das ist zu weit - 1000m - können Sie mit dem Gepäck nicht laufen). Ich erinnere mich dunkel an Ulrikes Informationen und frage, wieviele Mariadors es denn gibt. Drei, es gibt noch das Mariador-Park, noch billiger. Es kostet 58.000FG, dafür ohne Pool. Für die 500 Meter nimmt der Taxifahrer richtig Geld. Egal, ich kann ausgiebig duschen und schlafe heute Nacht mit Aircondition. Abends gehe ich noch Pizza-Essen. Der Weg dahin führt an einer fürchterlichen Straße mit viel Verkehr entlang. Die Pizza ist teurer als in Labé (9.500FG), dafür kann ich auf dem Rückweg in einem Cyber-Café noch ordentlich surfen.

Die Nacht ist in meinem Zimmer ganz angenehm. Ich habe sogar einen Fernseher. Hier gibt es drei Programme. Darunter ein Lokalsender - also für ganz Guinea - mit Video-Amateur-Bildqualität und - echt pervers - eine RTL-Variante mit Telefonsex-Werbespots für Frankreich und die Schweiz.

Ich bin aber hier in Conakry unzufrieden. Als ich am nächsten Tag stadteinwärts gehe, bin ich völlig frustriert. Das ist wirklich ein Dreckloch und dazu noch laut und nervig. An fast allen Straßen sind rechts und links Verkaufsstände im Dreck, einen Fußweg gibt es nicht. Man muss ständig daran vorbeilavieren. Dauernd wird gehupt und dauernd ist man im Weg. Es gibt übrigens besonders viele Albinos in Conakry. Und abends gibt es vor jedem Hotel und jedem "club", jenen Bretterbuden mit lauter Musik, Prostitution. Um nicht so lange in der Hitze herumzulaufen und abends nicht dauernd angequatscht zu werden ist eine Fortbewegung nur per Taxi möglich, um trotzdem laufend im Stau zu stehen. An den schlimmsten Staustrecken haben sich ganze Regimenter von Bettlern postiert. Die Autofahrer fahren außerdem wie die Henker.

Ich suche die Botschaft von Sierra-Leone. Vielleicht gucke ich in das Land doch noch einmal rein. Ich warte auch eine Stunde, zunehmend genervt, weil sich nichts rührt, bekomme irgendwann ein Formular und nehme es mit. Zu diesem Zeitpunkt habe ich den Plan aber schon wieder fallengelassen. Dieses Land hat seinen Bürgerkrieg seit 6 Monaten hinter sich. Hier wird wohl noch vieles nicht funktionieren. Es soll zwar mittlerweile sicher sein, aber wer weiß das schon. Dafür will ich morgen in der Botschaft von Mali mein Visum ändern lassen. Mit einem weiteren Taxi fahre ich ganz in die City. Es ist eine hektische Fahrt, kreuz und quer, immer um die schlimmsten Staus herum. Der Fahrer kennt sich aber ganz gut aus. Da Conakry-City auf einer schmalen Landzunge liegt, sind wir meistens in Meeresnähe mit stark heruntergekommenen Promenaden, die aber niemand mehr benutzt. Ein Fischer verkauft seinen Fang an der Straße. Damit man seine Fische besser sieht, hat er sie an einen Baum gebunden.

Die Bank BiCiGui arbeitet mit VISA zusammen. Ich stelle mich an eine Schlange, um dann nach einer halben Stunde hören zu müssen, dass die Schlange einerseits die Falsche und es andererseits einen Geldautomaten gibt - na Klasse. Erst beim zweiten Versuch fällt mir die Geheimzahl wieder ein. Ein Mann spricht mich an, gibt mir die Hand, ich denke "schon wieder so ein Vollquatscher", dann erkenne ich ihn wieder als einer von den netten Leuten aus dem Mercedes von gestern. Ist mir peinlich. Es ist immer noch schwer für mich, die Afrikaner auseinander zu halten. Ein gehe noch ein bisschen herum, bin aber schnell genervt und fahre zurück ins Hotel. Der Strom und das Wasser sind noch abgestellt und der Zimmerservice noch beim arbeiten. Das Mädchen wundert sich, warum mein Handtuch von gestern schon so dreckig ist. Na ja, es ist der rote Staub, der wie eine zweite Haut auf meiner Haut klebt.

Hier sind zwar auch noch andere Leute im Hotel, nur sind es keine Touristen. Nur Leute von Hilfsorganisationen, die es natürlich auch hier zuhauf gibt und die tagsüber arbeiten. Das ist für mich besonders langweilig. Die Umgebung und auch der Strand ist auch nicht so prall - ich will hier weg. Nachmittags versuche ich noch eine E-mail an Nicolas auf französisch vorzubereiten. Ich hoffe, er versteht, was ich ihm schreibe. Zur Zeit ist das "dictionaire" mein wichtigstes Buch.

Abends gehe ich über den Hotelanschluss ins Internet. Gibt mal wieder etwas Post. So kann ich auch gleich meinen letzten Krankenstatus weiterreichen.

Nachts gucke ich fern und überlege wie ich weiterreisen werde.

Morgens fahre ich gleich mit dem Taxi zur Botschaft von Mali. Ohne warten zu müssen, erklärt mir ein hoher Botschaftsangehöriger, dass das mit meinem Visum kein Problem ist. Das Datum sagt nur meine ungefähre Ankunftszeit aus. So kann ich also getrost meine Planung überarbeiten und morgen verschwinden.

Im Internet-Café, bricht dauernd die Leitung zusammen. Das nervt, zumal ich gerade einen neuen Rundbrief schreibe und diese bei mir recht lang ausfallen. Hinzu kommt, dass ich den Text bereits auf meine Jornada vorbereitet habe und dem nun ausgerechnet der Saft ausgeht. So sende ich mir den Entwurf erst einmal selbst zu, um abends weiter zu schreiben. Der Jornada kann dann wieder aufladen.

Nachmittags lese ich endlich mein Buch zu Ende. "Endlich" ist eigentlich falsch: Es ist der "Chronist der Winde", ein Buch, an dem ich mich gar nicht satt lesen kann.

Das Abendessen nehme ich mal wieder in einem der Straßenrestaurants ein, diesmal ausnahmsweise auf richtigen Möbeln. Wieder im Hotel, beim Reisebericht tippen, setzt sich ein Mädchen an den Nebentisch und bietet Massagedienste an. Sie meint, sie benutzt sogar die doppelte Lage Kondome. Die Hauptmarke heißt hier "Prudence". Nach einigen vergeblichen Werbeversuchen geht sie wieder und ich gehe an den hoteleigenen PC. Nur mühsam kommt per Modem eine Verbindung zustande. Es dauert ewig und beim Seitenaufbau vergehen Jahre. Es gelingt mir dann aber doch, den Rundbrief weiter zu schreiben, als die Verbindung zusammenbricht und, bevor ich den Text irgendwie sichern kann, der zuständige Kollege nichts besseres zu tun hat, als die Programme neu zu starten. Alles wieder weg - "merde". Beim dritten Versuch, jetzt bin so richtig genervt, klappt es dann endlich.

Um mich zu beruhigen gehe ich noch mal draußen rum - hier wird man tatsächlich alle 5 Meter von völlig fertigen Mädchen angesprochen. In einem Club haben sie ganz gute Musik, sie spielen die neue CD von Salif Keita. Die werde ich mir bald zulegen müssen. Vielleicht als Kassette in Mali.

Die letzte Nacht in Conakry geht so. Ein paar mal bricht die Elektrizität zusammen, aber das ist ja normal.

Morgens lasse ich mich sogleich zum "gare routière"-nach-Kindia bringen. Der Taxifahrer kurvt ewig lange durch die Stadt und lässt mich auch noch einen halben Kilometer zu früh raus. Trotzdem komme ich an und befinde mich sofort in einem Wagen nach Kindia. ich kaufe zwei Plätze und mache mich vorne breit. Das Auto ist noch relativ neu, füllt sich schnell (hinten quetschen sich alle zusammen) und los geht es. Stadtauswärts quälen wir uns von Stau zu Stau, vorbei an stinkigen, schlammigen Märkten und brennenden Müllhalden. An der Stadtgrenze muss ich als einziger aussteigen. In einem besonderen Büro werden mal wieder mühsam meine Daten notiert. Dafür darf ich dann 3.000FG berappen. Ich muss mich mühsam zusammenreißen, frage aber doch, wofür das Geld ist. Die Beamtin meint, damit ich überhaupt weiterfahren darf!!! Klasse.

Irgendwie bin ich fertig mit diesem Land. Ich habe keine Lust mehr, bin genervt und will hier raus. Guinea ist sehr schön, hat nette Leute und ein gutes Klima. Kann denn niemand diese uniformierten Blutsauger abschaffen? Meine Stimmung hebt sich etwas, als wir die letzten Stadtausläufer verlassen und sich eine schöne Hügellandschaft ausbreitet. Bis der Fahrer merkt, dass er lieber ein Rennfahrer ist und wie wahnsinnig in die Kurven rauscht. Und das bei einer Straße mit unbefestigtem Rand, wo es oft an einer Seite tief runtergeht. Jetzt weiß ich auch, warum er sich anschnallt, was hier eigentlich niemand macht. Nun bringt es doch nicht so viel Spaß. Dafür kommen wir aber in Rekordzeit an.

Kindia ist zwar nicht die Welt. Wenn es aber ein nettes Hotel gibt, bleibe ich für eine Nacht.

Bei der Einfahrt auf den Markt, wo alle Buschtaxis halten und abfahren, wirft sich ein Geier todesmutig vor das vor uns fahrende Auto. "Knack", das war's. Mein erster Eindruck von Kindia.

Dann mache ich einen Fehler, in dem ich nach einem sehr guten Hotel frage. Sofort wissen welche Bescheid und mit einem Taxi werde ich dahin gebracht. Es heißt "Buffet de la Gare" und hat seine beste Zeit vor ca.60 Jahren gehabt. Da gehe ich gar nicht erst rein. In meinem Reiseführer wird das Hotel "Phare de Guinée" als sauber und gut erwähnt. Wieder bringt mich ein Taxi hin (das kostet natürlich  jedes mal Geld) und was ich sehe, ist gar nicht "erleuchtend". Dreckige Zimmer mit schmutziger Bettwäsche, dicken Schimmelflecken, nicht abgespülten Toiletten, vollen Aschenbechern, dreckiger Fußboden und Kakerlaken. Das und noch viel mehr für zwischen 20.000 und 30.000FG. Die sind hier nicht ganz dicht. Den Manager frage ich, warum hier denn alles so dreckig ist und warum denn niemand sauber macht und lüftet. Er meint, die Reinigungskraft ist krank und der "patron" nicht da.  Ich habe mir noch alle Zimmer zeigen lassen und mich trotzdem entschlossen weiterzureisen. Diesmal im Sammeltaxi zum Markt, wo die Autos ankommen und zu Fuß auf die andere Seite, wo die Autos abfahren. Jedes mal mit dem schweren Rucksack (na ja, ein paar Tage noch). Hier finde ich einen Platz nach Mamou. Es braucht zwar etwas Zeit, bis das Buschtaxi, ein kleiner Bus, voll ist, dafür ist auch der recht neu und vorne gut Platz für drei Personen. Neben mir sitzt ein alter Mann in der typischen Moslem-Kluft. Die ganze Fahrt popelt er in der Nase und rotzt an mir vorbei aus dem Fenster. Solange bis ihn der Fahrer darauf aufmerksam macht, dass seine Rotze vielleicht im nächsten Fenster wieder reinkommt. Er ist aber bockig. In seinem Alter verbietet ihm so was keiner. Das mit dem Gerotze ist ohnehin so eine Sache. Immer wieder wird geräuschvoll Spucke und Schnodder hochgezogen, im Mund zu einer ansehnlichen Menge gesammelt und dann in einem richtigen Schwall aus dem Mund gepresst. Das sieht manchmal sogar richtig kunstvoll aus, ist aber in Wirklichkeit ekelig.

In Mamou kenne ich mich ja schon aus. Zielgerichtet finde ich ein gutes Hotel. Bei meinem letzten Aufenthalt hatte ich ein Schild "Hotel Rama" gesehen. Gemeint habe ich aber ein anderes Hotel, welches auf jeglichen Hinweis in eigener Sache verzichtet und "Hotel Africa" heißt. Diese Hotel ist ziemlich neu, hat noch kein Restaurant und keine Bar und ich bin der einzige Gast. Vor der Tür liegen zwei Leute. Es sind  Arbeiter, die um 17.00 ihre Siesta halten. Auch sonst ist alles schläfrig. Die Zimmer sind aber sehr gut, obwohl auch noch nicht ganz fertig. Das werden sie auch nie, denn genauso wie nichts so richtig fertig wird, gehen schon frühzeitig die ersten Dinge kaputt. Das Hotel ist superbillig gebaut und sieht nur gut aus, weil es neu ist. Nach spätestens der zweiten Regenzeit wird es nur noch schimmeln.

Ich gehe noch in den Ort, in der Hoffnung eine Internet-Verbindung zu bekommen. Es ist aber wie beim letzten mal - keine Verbindung. Das Telefonnetz geht noch immer nicht.

So erforsche ich Mamou etwas und gehe einige Wege hin und her. In einem Kino werden Aufzeichnungen von Fußballspielen gezeigt - man muss ja die Männer irgendwie beschäftigen, solange ihre Frauen schuften. Ich setze mich für eine "American Cola" vor ein Café. Ein Pick-Up fährt vorbei. Beladen mit zwei Rindern auf der Ladefläche und zwei Rindern und einer Ziege auf dem Dach. Die Rinder hat man auf die Seite gelegt und die Hörner am Dachgepäckträger festgebunden. So ist das mit den Tieren. Sie sind nichts anderes als lebende Nahrungsdepots. Solange sie leben - wie ist egal - ist das Fleisch frisch.

Auf dem Weg zurück gehe ich mal in das richtige "Hotel Rama", mal sehen, ob die eine Küche haben. Da auch hier die gleichen Fußballspiele laufen, nimmt niemand Notiz von mir. Ich esse auf dem Markt, komme ins Gespräch mit einem liberianischen Flüchtling, der mich am Ende auch gleich anpumpt und gehe zum Schreiben in mein Hotel zurück. Auch hier: Fußball. Wenigstens wird der Generator nicht nur für mich benutzt.

Gleich morgens mache ich mich auf den Weg zum "gare routière"-nach-Faranah. Ein Auto ist schnell gefunden. Leider bin ich der erste. Also warten. Ich kann erst einmal in Ruhe frühstücken gehen und mir sonstwie die Zeit vertreiben. Langweilig. Währenddessen kommen immer wieder alte blinde Männer, die an ihrem Stock von Kindern geleitet werden. An den Taxis halten sie an, das Kind zappelt unbemerkt vom alten rum, während dieser monoton seinen Betteltext runterleiert. Dafür erwartet er dann Geld. Dies passiert einige male - es gibt offenbar viele blinde Alte hier.

Nach zwei Stunden ist es dann soweit. Wir fahren 100m um zu stoppen. Der Fahrer meint, er könne auf dem Dach seines Wagens - er hat keinen Dachgepäckträger - noch eine große Matratze mitnehmen. Befestigen will er sie durch die offenen Fenster drinnen. Zum Glück merkt er noch rechtzeitig, dass dann keine Türen mehr aufgehen. Jedenfalls setzt sich im letzen Moment noch eine vierte Person in die Vorderreihe, ein Junge wird noch dazugereicht, der Fahrer quetscht sich hinterher und los geht's. Mist - schon wieder so ein verhinderter Rennfahrer. Er überholt auf einer kurzen Steigung - ohne zu ahnen, was entgegenkommt - mühsam einen fast gleichschnell fahrenden Laster. Absolut nicht ganz dicht. Als er es ein weiteres mal probiert, aber zum Glück noch rechtzeitig merkt, dass er scheitern würde, mache ich Witze über ihn. Anders ist die Situation nicht zu ertragen. Zum Glück gibt es hin und wieder einige Schlaglöcher, bei denen er langsamer fahren muss.

Oft wechselt die Landschaft von sattem grün zu trockenschwarz - nämlich immer dann, wenn Buschbrände das Land "gereinigt" haben. Dann wird das lange trockene Buschgras vernichtet und dafür kommt kurz etwas grünes Gras durch - für die Rinder und Ziegen. Viele Dörfer ziehen vorbei. Jetzt sind es hauptsächlich traditionelle Rundhütten. Je weiter wir nach Osten fahren gesellen sich noch kleine Türmchen, die Vorratsspeicher, dazu.

Einige Male kommen uns lange Konvois des UNHCR entgegen. Lastwagen voller Menschen, wahrscheinlich Flüchtlinge aus Côte d’Ivoire oder Flüchtlinge aus Sierra Leone, die von Banditen im Grenzgebiet überfallen worden sind und umgesiedelt werden.

Es gibt natürlich wieder eine Polizeikontrolle, die sind ja schließlich hinter jedem Ort. Ein Uniformierter kommt ans Fenster und verlangt von allen die "carte d’identité de Guinée". Zwei Frauen mit kleinen Kindern neben mir haben nur einen gestempelten Zettel und ich natürlich alles andere, nur keinen Personalausweis von Guina, also was soll der Unsinn. Als ich mich deswegen doof stelle macht ein Mitreisender, der vierte in unserer Reihe, daraufhin trocken die Bemerkung, was der ganze Unsinn mit den Ausweisen soll, und warum der Uniformierte nicht einfach seine Arbeit macht.

Daraufhin, er hält dummerweise meinen Pass in der Hand, bekommt der einen Wutanfall. Er läuft wie ein brünftiger Gorilla herum und ich fürchte jedes mal um meinen Paß. Er schreit herum, und besonders den vierten in der Reihe an, was ihm einfiele ihn zu unterbrechen, wenn er einem Weißen eine Frage stellt, er sei ja wichtig hier und verantwortlich etc. Er wird nicht sonderlich ernst genommen, der vierte steigt aus und erklärt ruhig und immer wieder, mit einem schrecklich spöttischen Gesichtsausdruck, wie er das gemeint hat. Er soll doch bloß seine Arbeit machen, sonst nix. Daraufhin steigert sich seine Wut und so geht es noch einige Minuten. Da ich ernsthaft um meinen Pass fürchte, versuche ich beschwichtigend zu wirken, aber der Typ will sich aufregen, gibt den Pass aber wenigstens seinem Kollegen, der kurz reinguckt und mir ihn feixend wieder zurück gibt. Jetzt machen auch die beiden Frauen neben mir Witze darüber und prompt müssen sie aussteigen. Der Wagen darf hinter die Absperrung. Alle restlichen Insassen - schließlich sitzen vorne auch vier Erwachsene und ein Kind - steigen jetzt aus und wir gehen geschlossen zurück, um die restlichen drei mit ihren Kindern abzuholen. Das klappt dann auch und wir können weiter.

Vor Faranah überqueren wir den Niger, einem winzigen Flüsschen. Auch diesmal habe ich kurze Etappen gewählt. Vielleicht ist ja Faranah ganz nett. Schon wieder frage ich einen Einheimischen nach dem besten Hotel, werde für viel zu viel mit einem Taxi eine kurze Strecke transportiert, sehe wieder mal ein richtiges Dreckloch und beschließe weiter zu fahren. Es ist frustrierend. Wieso kann ein Hotel nicht auch einmal freundlich aussehen und wenigstens auch mal sauber sein.

Auf dem Weg zurück zum Markt werde ich angesprochen, einen Ausflug in den nahen "Parc National de Haut Niger" zu machen. Es gibt Pirogenfahrten über die Flüsse, aber - ich bin erst hin- und her gerissen - ich denke es ist zwar nett aber noch netter nach der Regenzeit - und ich habe genug von Faranah.

Am Markt frage ich erstmal den Fahrer des neuen Buschtaxi, was er von Rennfahrern hält und ob er auch wie ein bekloppter in die Kurven rauscht. Das trägt natürlich zur allgemeinen Belustigung bei. Die Antwort bleibt daraufhin sehr vage.

Auch hier muss ich warten. Irgendwann sind wir aber genug Leute - diesmal acht Leute ohne Kinder, dafür springen noch schnell zwei Leute aufs Dach. Diesmal kann ich die Fahrt genießen. Es ist angenehm, mit dem Platz kommen wir ganz gut klar. Wieder erreichen wir eine Polizeikontrolle. Wieder werde ich gezielt angesprochen. Ich verstehe, er will von mir alle Papiere, inklusive eines "Carnet de vacances". Ich denk, was soll denn der Müll. So was gibt es doch überhaupt nicht. Ich bereite mich also darauf vor, mich aufzuregen und gehe in Touri-Abzocke-Abwehrstellung. Nach einigem Wortwechsel macht der Polizist die Andeutung einer Impfung und ich verstehe, was er meint: meinen Impfpass. Das letzte Wort heißt nämlich "Vaccination". Dazu muss man wissen, das man Guinea ein besonderes Französisch spricht. Man verschluckt nicht nur die letzten Silben, sondern spart auch in der Mitte eine ganze Menge. Gerade wenn man die Sprache nicht beherrscht, braucht es drei Anläufe, um zu verstehen.

Endlich geht es weiter. Auch jetzt begegnen uns UNHCR-Konvois. Diese Organisation ist in dieser Region sehr stark vertreten.  Bis auf einen kochenden Kühler kommen wir gut durch.

In Kissidougou werde ich die Nacht verbringen. Es wird allmählich dunkel. Ich frage nach dem besten Hotel und werde sofort wieder begleitet. Es ist übrigens fast unmöglich etwas alleine zu finden. Also begleitet mich ein Biologielehrer aus Kissi, wie der Ort hier genannt wird, zum "Hotel Nelson Mandela". Eigentlich ist der Weg nicht sehr weit - mit Gepäck ist er aber eine Qual. Es ist heiß, drückend und ich bin schlechter Laune. Immer wieder nerve ich rum, ob das Hotel überhaupt existiert. Ich will endlich duschen. Wir kommen natürlich an, allerdings um zu erfahren, dass nicht nur dieses, sondern auch alle anderen Hotels in Kissi komplett ausgebucht sind. Scheiße. Das kann doch nicht wahr, wieso gerade ich. Völlig fertig stehe ich Hotelrestaurant und muss erst einmal etwas trinken. Gibt es wirklich keine Chance auf ein Zimmer? Ich sehe jetzt bestimmt mitleidserweckend aus. Die Rettung naht in Person von Mio, dem Hotelfaktotum. Er überlässt mir sein privates Zimmer. Supernett. Es ist zwar reichlich schmutzig, sein Bett wird aber frisch bezogen. Duschen kann ich im Restaurantgebäude (hier ist alles in Bungalowweise gebaut) in einem Raum, der sonst als Klo benutzt und nach Pisse riecht, aber mit meinen Badelatschen macht mir das nichts. Mir geht es schon besser, ich bin total fertig, werde nur noch etwas essen und dann ins Bett fallen. Als meine Taschenlampe einmal unter das Bett rollte, sehe ich, dass es wirklich dreckig ist. Trotzdem schlafe ich ganz gut.

Am nächsten morgen bekomme ich ein richtiges Zimmer mit Bad. Auch hier ist es wieder das gleiche Problem. Das Zimmer ist aber wenigstens gefegt. Die Einrichtung ist aber schon ziemlich heruntergekommen. Mit etwas Farbe wäre hier schon viel erreicht. Egal, die Leute sind wahnsinnig nett und ich will erst morgen weiter. Vormittags erkunde ich Kissi. Es ist drückend heiß, am Marktplatz sammeln sich viele Menschen und Leute, Jäger,  in traditioneller Kleidung, ausgestattet mit altertümlichen Flinten, stehen Spalier.

Kurz darauf kommt ein Konvoi mit superwichtigen Leuten vorbei, Ich höre, es ist eine Kampagne zur Wiederwahl des Präsidenten. Dazu muss man sagen, dass der Präsident sehr krank ist und auch schon in aller Öffentlichkeit in Ohnmacht gefallen ist. Er befindet sich gerade in Marokko in einem Krankenhaus. Damit man ihn nicht vergisst, muss er sich alle paar Wochen zeigen. Also düst er kurz nach Hause und dann zurück in die Klinik. Der Wahlkampf wird also ohne ihn geführt. Deswegen gab es hier wohl auch keine Hotelzimmer.

Präsidenten in Afrika haben natürlich auch keine Stellvertreter, sonst wären sie ja ersetzbar und man könnte sie einfach umbringen. Wenn also ein Präsident krank wird und stirbt, entsteht ein Vakuum, das erst nach internen Machtkämpfen gefüllt werden kann. Also ist das Militär verständlicherweise nervös. 

Die Innenstadt, auch hier ist ausschließlich Markt, ist trotz der Hitze ganz angenehm. Die Händler lassen einen in Ruhe gucken und wenn sie etwas nicht haben, drängen sie einem nicht ihre Hilfe auf.

An einer Stelle flechten sich ein dutzend Frauen gegenseitig kurze Zöpfe ins Haar. Sieht witzig aus. Ich bin selten so entspannt über einen Markt gelaufen. Ich treffe noch Anne, ein Mädchen, welches gestern Abend bei der Zimmergeschichte behilflich war. Sie arbeitet in einem (Freiluft)-Friseurladen. Ich sehe sie ein zweites mal, wie sie ihrer Cousine Zöpfe flechtet.

Auf dem Markt kaufe ich für Mio eine chinesische Taschenlampe, als Geschenk. Er freut sich riesig und läuft für den Rest des Tages damit herum.

Auf dem Rückweg hält plötzlich Xavier mit seinem Nissan Patrol. Welche Überraschung. Vielleicht sind die nervigen Tage in überfüllten Buschtaxis ja vorbei. Ich spekuliere etwas auf einen freien Platz bei ihm (was auch klappt) und plane mal wieder eine neue Route. Abends werde ich ein paar mal angesprochen, ob wir nicht einen Platz nach Mali frei haben. Es ist wohl einigen sehr wichtig, dieses Land zu verlassen. Als ich abends den Manager auf den armseligen Zustand des Hotels anspreche reagiert er ähnlich. Hier werden vom Besitzer ein mal die Woche die Einnahmen abgeschöpft und nichts in das Hotel gesteckt. Das ist ziemlich frustrierend. Auch er würde lieber jetzt als später dieses Land, welches so reich ist und doch so arm, verlassen. Er meint, dass hier früher oder später alles den Bach runter geht.

Am frühen Abend taucht Hirito, ein, in Australien lebender, fröhlicher Japaner mit seiner 250er Suzuki auf. Er ist seit vier Jahren damit in der Welt unterwegs. Wir tauschen lustig Reiseinformationen aus.

Die Nacht ist heiß, ich schwitze wie ein Schwein.

Morgens machen Xavier und ich uns auf den Weg nach Kankan. Die Straße ist fürchterlich, es hat sehr viele Schlaglöcher. Hier und da kommt eine Polizeikontrolle, aber kein Schwein interessiert sich für uns. Komisch, als ob sich die Polizei hier nur für Weiße in Buschtaxis interessiert. Vielleicht ist das gar nicht erlaubt. Xavier meint, er ist auf der ganzen Strecke nicht einmal behelligt worden.

Die Landschaft ist weniger interessant. Sie ist flach und trocken. Gelegentlich fahren wir durch ein Dorf, die kleinen Türmchen gibt es immer öfter. Die Dörfer sind durch interne Zäune in kleine Einheiten aufgeteilt. Gelegentlich ersetzt eine Autotür die Eingangspforte. In einem der Dörfer trinken wir eine Brühe, die man hier Kaffee nennt (ohne Mayonnaise) und ich stelle verblüfft fest, dass viele Männer hier arbeiten und z.B. an den Nähmaschinen sitzen. Außerdem fällt auf, dass tatsächlich in jedem Dorf ein kaputter Traktor steht. Es war wohl mal eine Spende, ging irgendwann "en panne" und rostet seit dem endgültig vor sich hin. Kurz vor Kankan passieren wir zwei Buschtaxis, eines hat eine Panne. Xavier wendet um zu fragen, ob er helfen kann. Am liebsten wären alle auf seinem Dach mitgefahren. Das geht aber nicht - leider.

Kankan erreichen wir bereits am frühen Nachmittag. Wir mieten und im "Hotel Calao" ein. Hier gibt es saubere Zimmer mit Komfort wie z.B. Aircondition für 25.000FG. Na also. Hoffentlich haben wir morgen auch so ein Glück. Nachts macht die Aircondition allerdings so einen Höllenlärm, dass ich sie abschalte.

Kankan hat einen sehr großen Markt und ist natürlich auch schon sehr heruntergekommen. Auf einem Stadtplan wird noch großkotzig mit einem Krokodilbecken geworben. Das arme Reptil ist wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten an Hunger gestorben. Das Gelände ist eine einzige Müllhalde. Überhaupt ist es sehr schmutzig. Am Fluss Milo ist ein, so im Stadtplan ausgezeichneter, Aussichtspunkt. Man guckt auf eine große Brücke, auf den noch sehr flachen Fluss, wo Autos und Kleidung gewaschen werden. Sieht ganz nett aus. Auch die paar zugekifften Freaks, die da rumlungern stören nicht groß, solange sie einen nicht voll quatschen. Den Markt aber mag ich besonders. Das Marktgeschehen bringt Spaß, man kann relaxed gucken und ich kaufe einige Musikcassetten. Später erstehe ich auch noch einen passenden Walkman.

Hier werden chinesische Produkte verkauft, deren Namen aus abgewandelten, bekannten Markennamen bestehen. So heißt mein Walkman "Nokina". Er ist natürlich völlig überteuert. Der Händler ist viel zu freimütig beim Handeln, schenkt mir auch Extra-Batterien dazu und feixt sich einen.

Jetzt habe ich aber das, was ich schon lange vermisse: Musik. Es ist tatsächlich so. Zuhause höre ich viel Musik und seit ich in Afrika bin, gar nicht. Da stimmt was nicht. Die hiesige Musikszene ist sehr bekannt - viele Namen kenne ich auch in Europa. So sitze ich vor meinem Hotelzimmer und träume so vor mich hin. dass der Walkman grauenvoll klingt und vor sich hin brummt, ist auch okay.

Ein Hotelangestellter spricht mich an, ob ich nicht einen Frau suche - so für ne Stunde. Kurz darauf taucht auch aus dem Halbdunkel eine Frau auf, die sich mir anbietet. Sie preist ihre Vorzüge und ihr Können und zeigt, um den Eindruck noch zu verstärken, ihren Busen. Tut mir ja leid, aber da ich die beste Freundin der Welt habe, und genauso sage ich es ihr auch, lehne ich ihr Angebot ab, was sie auch akzeptiert.

Am nächsten Morgen, beim Frühstück, taucht sie im Hotel-Restaurant mit ihrem kleinen Kind auf, begrüßt mich und gibt mir die Hand - wie alte Freunde.

Xavier, der gar nicht Hotel genächtigt hat, und somit auch nicht seine Hotelrechnung bezahlt, möchte noch einen Tag in Kankan ausruhen. Er wohnt in der "mission catolique", wo es saubere Zimmer, mit Ventilator an der Decke, für 20.000FG gibt. Ich packe also zusammen und stiefel los. Ich habe Zeit genug und nichts gegen einen extra Tag einzuwenden. Es ist nett in der "mission". Da ich Kankan bereits gestern ausgiebig ausgekundschaftet habe, sitze ich vormittags faul herum, höre Musik und versuche mir die nächsten Wochen mit Ruth in Mali vorzustellen.

Am frühen Nachmittag erinnert mich mein Magen daran, dass ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen habe. Damit es nicht langweilig wird will ich ein paar andere Ecken von Kankan sehen. So gehe ich in Richtung des alten Bahnhofs, einer Ruine aus früheren Tagen. Alles voller Müll und Dreck. Auf den großen Haufen laufen Rinder und Ziegen und suchen zwischen all den Plastiktüten Fressbares.

Es laufen auffallend viele Soldaten herum.

Essstände gibt es hier auch, aber irgendwie sagt mir das Angebot nicht zu. Oder es passiert Folgendes: Ich betrete eines diese klitzekleinen Restaurants und frage, ob es geöffnet hat. "Ja, natürlich". "Gibt es denn etwas zu essen?" Der "patron" schaut ratlos auf ein sehr leeres Lebensmittelregal, nestelt an der einen oder anderen Dose und sagt erst einmal nichts. Er denkt aber, ich will Lebensmittel kaufen. "Nein, ich will nichts kaufen, ich möchte das Sie etwas zu essen machen". "Ach so, da an der Wand ist die Speisekarte". "Oh, klasse, wie wäre es denn mit einem Omelette mit Brot?" (Ich versuche gerade weniger Fleisch zu essen) Wieder schaut er ratlos ins Regal. "Es gibt wohl doch nichts zu essen, oder?" "Ich glaube, ja". Daraufhin verlasse ich das "Restaurant".

Dass es es schwer ist, etwas zu essen zu bekommen, hat natürlich seinen Grund. Selbst die großen Hotels verwalten eher den Mangel und haben dieselben Probleme. Da es, wie in Guinea, nur in den Abendstunden Strom gibt oder, wie auch in anderen Ländern, die Stromversorgung oft zusammenbricht, können Lebensmittel nicht entsprechend gelagert werden. (Kaufe nie ein Eis in Afrika - es könnte schon oft aufgetaut worden sein)

Also kochen sie am liebsten Gerichte, die man vorher bestellt und deren Zutaten möglichst frisch auf den Märkten gekauft werden. Hier legt sich niemand etwas auf Halde. Es würde in diesem Klima schnell verderben.

Mit knurrenden Magen gehe ich weiter, laufe kreuz und quer über den Markt, probiere hier und da geröstete Bananen, und erreiche schließlich ein anderes Restaurant. Ich gehe hinein, in einem Hinterzimmer sitzt eine junge Frau mit Kind. "Hat das Restaurant geöffnet?" "Ja". "Was gibt es denn zu essen?" "Brot mit Eiern". "Oh, klasse, das will ich haben". Die Frau rennt hinaus und ruft ihren Mann, der wohl irgendwo mit seinen Kumpels Maulaffen feil hält. Der tut auch gleich ganz wichtig, sagt aber, er hätte keine Eier. "Wie wäre es mit Butter? (so nennen sie hier die scheußliche Margarine)" "Na, dann doch lieber mit Mayonnaise". Das bekomme ich dann auch zusammen mit dem üblichen Kaffee, bestehend aus drei Esslöffeln gesüßtem Milchpulver, einem halben Teelöffel löslichen Kaffee und heißem Wasser. Scheußlich süß. Das Ganze rächt sich natürlich und in der "mission" brauche ich erst einmal einen Schnaps. Abends kann ich aber wieder das "Skol"-Bier von den Bermudas trinken, es gibt nämlich Bier in der "mission". Xavier und ich sitzen im "salle de manger" gemeinsam mit Joachim, einem deutschen Caritas-Mitarbeiter. Ich versuche eisern beim französisch zu bleiben, das ich zwar ganz gut verstehe, aber weniger gut spreche.

Das Frühstück ist nicht doll. Brot mit Margarine, dazu zuckersüßen Milchkaffee. Ich komme noch mit Joachim ins Gespräch. Er ist auch schon mal monatelang alleine durch Afrika gereist und kennt sich aus mit den Hochs und Tiefs, die man so erleben kann. Gerade wenn man niemanden hat, mit dem man die Eindrücke teilen kann, kann es ziemlich frustrierend werden. Nun habe ich mir natürlich auch noch Guinea ausgesucht, wo es kaum Touristen gibt und wo man irgendwie französisch spricht, was ich nicht so gut kann. Ein bisschen hoffe ich, dass es bald besser wird.

Joachim ist einer von diesen verständnisvollen Zuhörern, die man gerade bei den sozialen Organisationen so häufig findet. Er sagt ich solle mich ruhig mal melden, auch wenn es mir nicht so gut geht. Vielleicht mache ich das mal.

Xavier und ich setzen unsere Reise fort. Der Weg nach Siguiri ist hart, ausschließlich Piste. Allerdings stellen wir fest, dass die Regierung wohl doch noch etwas Geld sinnvoll verbauen will, indem sie eine große, neue Straße baut. Das hat zur Folge, dass wir immer neben einer Baustelle herfahren. Die Landschaft ist flach und man kann weite Flächen trockenes Land einsehen. Es ist kaum Verkehr, nur ganz wenig Buschtaxis. Vor Niandankoro treffen wir Menschen an der Straße, die alle nur in eine Richtung gehen. Wie eine Prozession. Es werden stetig mehr, alle sind beladen mit allem, was das Land so hergibt - in Niandankoro ist Markt. Dort angekommen, müssen wir uns mühsam einen Weg durch den Markt bahnen. Die Straße ist mit Lastwagen und Eselskarren verstopft. Hinter dem Ort ist ein Camp von chinesischen Arbeitern. Die Chinesen bauen gerade eine Brücke über den Niger, der hier unseren Weg kreuzt.

Bisher wird der Fährverkehr mit einer Vielzahl von Pirogen erledigt. Sie transportieren fast alles - außer Lastwagen. Für PKW wird eine Doppelpiroge, zwei Pirogen, die zusammengenagelt sind, mit zwei Extra-Holzbrettern ausgestattet. Seitlich am Strand herangefahren, fährt das Auto seitlich herauf und steht quer zur Fahrtrichtung. Es ist natürlich echte Arbeit für die beiden Leute, die mit Stangen diese "Fähre" fortbewegen. Besonders, da der Niger nicht viel Wasser führt und somit an Sandbänken regelmäßig richtige Staus entstehen, ist es eine Arbeit, die viel Können erfordert. Wir haben trotzdem das Gefühl, dass der Preis mit 25.000FG zu hoch ist.

Das Ausladen geht genauso gut, wie das Einladen und wir haben wieder festen Boden unter den Füßen. Jetzt begleitet uns der Niger ein Stückchen. In einer Ebene fließt er gemächlich, blau schimmernd dahin. Da er noch weinig Wasser führt, hat er auch noch viele Sandbänke. Kurz vor Siguiri kreuzt der Tinkisso, ein Zufluss des Niger, unseren Weg.

Hier gibt es eine richtige Fähre und auch hier bauen Chinesen eine Brücke. Wir müssen nicht lange warten und werden schnell über gesetzt. In Seguiri finden wir nach einigen Versuchen und Handeln das preiswerte "Hotel Baté", hoch über der Stadt, ruhig gelegen mit Blick auf die Niger-Ebene. Das Management besteht aus einigen sehr aufgeschlossenen jungen Männern, die nebenbei das Hotel - auch hier in Bungalowform - vergrößern. Man rechnet mit einem Anstieg der Touristenzahlen, obwohl wir wieder mal die einzigen sind.

Außerdem zeigen die bisherigen Räume starke Schwächen. Als Xavier die Klimaanlage anwirft gibt es mit lautem Knall einen Kurzschluss und er hat drei schwarze Finger. Anstatt also das vorhandene in Schuss zu halten, wird lieber etwas Neues gebaut - natürlich so einfach und billig wie möglich. Man kann ja in ein paar Jahren neu bauen.  

Durch den Ausbau der Straße erhofft man sich aber einen Aufschwung. Siguiri ist natürlich auch schwerreich - auch wenn es niemand sieht. In der nahen Umgebung wird in großem Stil Gold abgebaut und jeden Freitag von der Ashanti-Gesellschaft mit einer Sondermaschine nach Ghana geflogen.

Abends fahren wir in der Stadt herum. Vor uns fährt eines dieser typischen größeren Buschtaxis, ein japanischer Kleinbus. Sie werden oftmals mit lustigen Sprüchen bemalt. Auf der Heckklappe steht: "Inspecteur Derrique". Auch hier sieht man fern.

Wir suchen ein Restaurant für den Abend. Auf einer Anhöhe (Siguiri ist umgeben von Anhöhen) steht ein neues, teures Hotel, Hotel Djoma, welches aber auch schon erste Schwächen zeigt.

Hier gibt es sogar einige Sachen, die auf der Speisekarte stehen. Ich bekomme eine Pizza und das Bier in Dosen. Es gibt sogar "Wernesgrüner Pils". Dann wird der Strom zugeschaltet, die Lichter und die Kühlschränke des Hotels gehen an. Jetzt hätte ich mit einem kleinen Lichtermeer bei dieser Aussicht gerechnet. Aber, ich zähle fünf Lichter. Allein im Hotel leuchten wohl fünfzig. Das einzig helle, was die Umgebung hergibt ist ein nicht unwesentlicher Buschbrand auf der anderen Nigerseite. So ist das mit der Energie. Es gibt sie nur Abends und dann nicht für alle. Das einzig Gute daran ist, dass sich die Muezzine auf ihren Minaretten schon selbst durchsetzen müssen und nicht so allgegenwärtig sind - ihre Brülltüten funktionieren nämlich mit Strom.

Die Nacht geht so, Frühstück gibt es keines. Wir kaufen etwas Brot in der Stadt und fahren los. Es gibt zwei Wege nach Mali. Eine große Piste, die jetzt natürlich ebenfalls Baustelle ist und eine kleine Piste, die in Nigernähe entlang führt und nicht von Lastwagen benutzt wird. Diese wird uns von den Jungs aus dem Hotel empfohlen. Der Weg führt durch eine Tiefebene des Niger. Zu beiden Seiten des Weges erkennen wir Baumwollfelder, die gerade frisch verbrannt wurden, um Platz für Neues zu schaffen. Uns kommen haufenweise Radfahrer entgegen, die den Markt von Siguiri ansteuern. Irgendwann kehrt sich die Richtung um, und wir überholen viele Radfahrer, dann nähern wir uns dem nächsten Markt bzw. dem nächsten Dorf. So wissen wir anhand der Radfahrer immer wann wieder ein Dorf kommt.