Mein erster Marathon 21.04.2002

Eine Bericht für alle, die mir Glück gewünscht, die Daumen gedrückt, an mich geglaubt haben und mit dem Herzen dabei waren.

20 Km 28,8 Km 29 Km 34 Km 35 Km

Ich hab's (und bin) geschafft (5h,03)... auferstanden aus Ruinen oder so.

Mein erster Marathon:
Die Woche davor meldete mein Körper verwirrende Signale (mal der Zahn, dann das Knie, dann ein Auge etc.)
Der Sonnabend davor war schon ein wenig unruhig aber auch ziemlich langweilig (ich kam mir vor wie in Quarantäne).
Die Nacht davor war schlaflos. Irgendwie ist die Strecke doch bös lang - und irgendwie fühle ich mich nicht so superfit. 

Ziemlich übernächtigt bin ich dann trotzdem ganz gut hochgekommen. Möglichst früh gefrühstückt um dem Darm optimale Entsorgungschancen zu geben. Ich denke, je mehr ich trinke, umso öfter brauch ich ein Klo.
Quasi zum Schluss bekomme ich noch per Telefon von Bettina den Tipp eine alte Jogginghose mitzunehmen, damit der Körper nicht auskühlt (die bleibt dann am Start liegen)
In der U-Bahn sitzen fast nur Leute mit diesen Hansaplast-Tüten (für Klamotten).
Auf dem Messegelände ist es proppevoll und unübersichtlich. Jetzt starten die Rollis und die Walker. Unendlich viele Schaulustige machen daraus eine große Party. Ebenso unendlich viele Menschen ziehen sich auf den Strassen um und geben ihre Tüten auf Lastwagen.

Ich gucke mich etwas um - suche noch ein Klo und finde sogar eins (man weiß ja nie). Gerade noch bekomme ich den Start der Skater mit.
Dann bin ich selbst dran. Noch mal kurz strecken (pardon:stretchen) und banges Warten auf den Startschuss.
Wir starten in verschiedenen Startblöcken und meiner ist am Schluss. dann geht es los. Langsam setzt sich der Tross in Bewegung. Am Millerntor treffen die Startgruppen zusammen. Jetzt sind wir eine riesige Menschenmenge, die unaufhaltsam in Bewegung ist.
Die Boulevard-Presse hat ja schon angekündigt, dass auf der Reeperbahn wieder einige Mädels ihre T-Shirts lüften - entsprechend unruhig ist der männliche Teil der Menge und hofft darauf, einen schnellen Blick zu erhaschen.

Richtung Altonaer Rathaus geht es leicht aber stetig bergauf - mein Puls pendelt sich um 160 ein und geht bis zum Ende nicht mehr runter. Die ersten Fans kommen in Sicht (ich mein natürlich meine eigenen - allerdings muss ich auch schon selbst auf mich aufmerksam machen).
Am Altonaer Rathaus lärmt ein Spielmannzug - in der Hölländischen Reihe sind die Stereo-Anlagen voll aufgedreht - volle Stimmung. Mir geht es noch ganz gut - hoffe aber, dass bald mal die Wende hinter der Autobahn kommt. Die Stimmung ist klasse - überall Menschen an der Strasse, die teilweise ihren Frühstückstisch an die Strasse gestellt haben.
Besonders gut drauf sind die Jungs von der Freiwilligen Feuerwehr. Die sitzen auf ihren Löschfahrzeugen und singen. 

Ich möchte jetzt allerdings nicht permanente Publikumsbeschreibungen abgeben - es war die ganze Zeit so und es war toll.
An der Elbchaussee muss ich das einzige mal pinkeln (natürlich nur wegen der Elbchaussee) Jetzt geht es etwas runter Richtung Hafen. Es ist noch etwas neblig und ein Mitläufer meint mit einem Blick nach rechts die Elbböschung runter (guck mal, das Meer).
In der Palmaille spielt ne schräge Rockband und ab den Landungsbrücken spüre ich meine Füße. (Mist)
Ich sollte mal mehr auf Asphalt laufen.

Hier am Hafen sieht man am schönsten die wabernden Menschenmassen - wo ich ja nun dazugehöre. 
Im Wallringtunnel wir es kühl und ich bin froh am Hauptbahnhof wieder "das Licht der Welt" zu erblicken.
Jetzt noch schnell um die Binnenalster und die Außenalster hoch zur Halbzeit. Die Stimmung ist immer noch klasse - nur meine Füße schmerzen immer mehr. Ich muss beim Laufen etwas Zehengymnastik machen.
Bei Km 20 stehen Sabine, Wolfgang, Benno und Peter (die nächsten Fans) - jetzt klappen auch die ersten Fotos - na ja - noch sehe ich ja ganz gut aus.
Ich werde langsamer und versuche möglichst viele Pausen zu machen. Alle 5 km ist ein Getränkestand. Ich trinke wie ein Elefant und schwitze direkt wieder aus.
An km25 frage ich mich erstmals was ich hier eigentlich mache und ob überhaupt irgendein Sinn in dieser Qual besteht. Ich bin etwas genervt vom Publikum, weil es mir gar nicht mehr so gut geht. Zum Glück kommt in der City-Nord wieder eine Trinkstation.
Danach wieder die Fangruppe von eben - ich sehe für kurze Zeit wieder ganz gut aus. Die Stelle ist gut gewählt.
Meine Laufzeiten werden kürzer - ich gehe häufiger mal ein Stück. Wir entfernen uns (Luftlinie) noch immer vom Ziel. Es geht über Ohlsdorf nach Fuhlsbüttel.

40 Km

41,5 Km

42 Km

42,195 Km

Irgendwann zieht Uli mit seinen neuen Laufschuhen vorbei - ein wenig neidisch sehe ich ihm nach und verabschiede mich von meiner Wunschzeit. Jetzt geht es nur noch ums Ankommen. Das zumindest will ich noch schaffen. Vielleicht, weil ich während der nächsten 5km auf meine Eltern treffe wollte. 
An der Alsterkrugchaussee taucht mein Fanclub wieder auf. Besorgte Fragen nach meinem Befinden von Wolfgang - lieb gemeint aber eigentlich ist mir da gar nicht nach. Die Rettung folgt in Form einer Massagestation.
Hier lass ich mich kurz durchkneten, werde mit Schwung wieder aufgerichtet und fall beinahe gleich wieder um (Kreislauf). Selbigen bekomme ich durch Geradeauslaufen wieder in Schwung. Beim Nedderfeld hole ich Jutta und Moni ein, die sich beide eine Zeit vorgenommen haben und ziemlich viel Stress mit ihren Supportern haben (und machen). Da gehe ich lieber noch ein Stück. Zwischendurch stellt sich immer wieder die Frage nach Aufhören. Am Eppendorfer Baum ist traditionell die größte Party - hier ist es auch besonders eng - etwas bedrohlich.
Es gibt aber wenigstens eine weitere Massagestation.
Der Weg um die Alster ist ja wunderschön, viele Segelboote - hauptsache etwas lenkt mich von den Füßen ab. Als Rolf mich findet und fotografieren will, gehe ich gerade mal wieder. Nun heißt es Augen zu und weiter - nur noch 3km. Vor dem US-Konsulat ist die Strasse
geöffnet - nur nicht stehen bleiben.
Die Stimmung steigt - am Gorch-Fock-Wall geht es gemeinerweise leicht bergauf. Rolf läuft mit und drückt auf den Auslöser. 
Endlich das Ziel in Sicht - ich vergesse die Füsse, die Menschen werden von irgendwelchem Heldenpop übertönt - vor mir ist freie Sicht - ich richte mich regelrecht auf - mir schießen die Tränen in die Augen und ich lauf über die Zielline.
Den Zielfotografen sehe ich ziemlich verschwommen.

So in etwa war es